Blog-Artikel von Rene Wildangel

06.02.20 6:00

Berlinale 2006

Was war da noch mal, im Jahr 2006? Richtig: Deutschland, ein Sommermärchen. Fußballweltmeisterschaft. Die Berlinale also ganz im Zeichen des bevorstehenden schwarz-rot-goldenen Fußballtaumels? Keineswegs. Festivaldirektor Kosslick ging in die Offensive und kündigte bei der Eröffnungspressekonferenz ein explizit politisches Festival an: „so politisch, grausam und unangenehm, wie die Weltlage nun einmal ist.“

Schließlich war 2006 noch kein Obama in Sicht, der Krieg im Irak auf einem blutigen Höhepunkt und Guantánamo wurde samt seinen Folterwerkzeugen von der US-Administration im „Krieg gegen den Terror“ verteidigt. Michael Winterbottom thematisierte in The Road to Guantánamo anhand traumatisierter ehemaliger Gefangener eindrucksvoll dieses staatlich sanktionierte Menschenrechtsverbrechen und bekam dafür den silbernen Bären für die beste Regie. Der kritische Polit-Thriller Syriana lief außer Konkurrenz und wurde von George Clooney persönlich vorgestellt.

Und selbst die Fußballfilme waren 2006 politisch: Der großartige Film Offside von Jafar Panahi führt die Schikanen der frauenfeindlichen iranischen Diktatur ad absurdum, zu denen auch striktes „Stadionverbot“ zählt; und zeigt mutige Frauen, die sich darüber hinwegsetzen – ein Vorbote der heutigen Proteste im Iran. Auch der Goldene Bär ging also fast selbstverständlich an einen starken politischen Film, der die Vergewaltigungen im Jugoslawienkrieg thematisiert: Esmas Geheimnis – Grbavica von Jasmila Žbanić. Politik und Frauenpower, symbolisiert auch von Jurypräsidentin Charlotte Rampling, das ging 2006 hervorragend zusammen. Endlich, so die Bilanz, wieder gesellschaftlich relevantes Kino. Dazu passend feierte der schwul-lesbische Teddy-Award bereits sein 20-jähriges Jubiläum.

11.02.19 9:30

ENAYIM SHELI (Chained) von Yaron Shani (Berlinale 2019)

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Rafi Malka ist Streifenbeamter in einer Einheit der Jugendpolizei. Seine ständige Überforderung wird zum Problem, als er nach einer Durchsuchung von Jugendlichen eines sexuellen Übergriffs bezichtigt wird. Auch zu Hause wird seine Situation immer angespannter, im Versuch seine pubertierende Stieftochter und die sich von ihm entfernende Ehefrau Avigail zu halten, spioniert er ihnen hinterher und setzt sie zunehmend unter Druck.

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10.02.19 14:30

SHOOTING THE MAFIA von Kim Longinotto (Berlinale 2019)

Spätestens seit Matteo Garrones „Gomorrha“ wurde auch einem großen Publikum die triste Realität der Mafia, die brutale Gewalt und soziale Verwahrlosung schonungslos vor Augen geführt und damit ein Kontrapunkt geschaffen zur traditionellen hollywoodesken Verklärung. Auch SHOOTING THE MAFIA zeigt schonungslos die brachiale, rücksichtslose Gewalt und das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen. Und zwar in Form der Fotos von Letizia Battaglia, die über Jahrzehnte die Morde der Mafia in Sizilien fotografisch festhielt.

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Alte Bekannte

Am Ticketcounter für Pressetickts werde ich mit "ahlan wasahlan" begrüßt, der nette Mensch hinter dem Counter erinnert sich an mich aus den letzten Jahren und dass ich ein wenig Arabisch spreche. "Tudo bem,"? frage ich zurück, denn auch ich erinnere mich natürlich an diesen netten Brasilianer. Nach so vielen Jahren festivalblog wird es immer familiärer...

QUERÊNCIA (Homing) von Helvécio Marins Jr. (Berlinale 2019)

Marcelo Sousa lebt im brasilianischen Hinterland von Minas Gerais. Hier ist das Leben völlig bestimmt vom bäuerlichen, einfachen Leben und der Rinderaufzucht. Marcelo ist traumatisiert, da er einen schweren Raubüberfall miterleben musste, bei dem die gesamte Rinderherde von professionellen Dieben mit Lastwagen abtransportiert wurde.

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09.02.19 9:00

SYSTEME K von Renaud Barret (Berlinale 2019)

Der erste Berlinale-Film und gleich ein Volltreffer: Renaud Barrets Film über Street Art-Künstler in Kinshasa ist atemberaubend und ermöglicht intime Einblicke in die kongolesische Hauptstadt. „Street Art“ klingt aber viel zu brav für die radikalen Kunstaktionen, die der Regisseur mitten in der chaotischen 13 Millionen Metropole begleitet.

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23.02.18 0:31

O PROCESSO (The trial) von Maria Augusta Ramos (Berlinale 2018)

Venceremos! Das politische Kino lebt

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Nach einer Woche kommt es doch noch: Mein umwerfendes Berlinale-Erlebnis. Mit viel Glück bekomme ich in letzter Minute noch eine Karte für die Weltpremiere von „O Processo“, dem Dokumentarfilm über die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Roussef von Maria Augusta Ramos.

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20.02.18 9:00

APATRIDE (STATELESS) von Narjiss Nejjar (Berlinale 2018)

Das Make-up sitzt, aber wir sind doch nicht bei Marokkos next Topmodel

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Der Film beginnt mit Nahaufnahmen einer wunderschönen Frau am Strand. Die Haare aufwendig gestylt, das Make-up sitzt perfekt, die Wimpern sind beeindruckend lang. „Sind die echt?“, ist die erste Frage die mir bei dem Film durch den Kopf schießt.

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18.02.18 18:37

303 von Hans Weingartner (Berlinale 2018)

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Jule und Jan begegnen sich zufällig an der Autobahnraststätte. Jule ist mit ihrem Wohnmobil (ein umgebauter Mercedes-Bus 303) unterwegs zu ihrem Freund nach Portugal. Jan trampt und steigt zu. Er ist auf dem Weg zu seinem leiblichen Vater in Spanien, den er nie kennengelernt hat. Eigentlich will er nur bis Köln mitfahren, aber die beiden kommen sich näher und - Überraschung - verlieben sich.

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17.02.18 19:45

THE WALDHEIM WALTZ von Ruth Beckermann (Berlinale 2018)

Nicht nur Waldheims Walzer

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Natürlich, die Geschichte ist bekannt. Die von Kurt Waldheim, die eng mit der österreichischen Umdeutung der eigenen Geschichte zusammenhängt: Der Narrativ von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus. Und obwohl das hinlänglich bekannt ist, lösen die Bilder, die Ruth Beckermann zusammenträgt, Kopfschütteln aus.

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16.02.18 18:04

Eröffnungspressekonferenz "ISLE OF DOGS"

Berlinale Fan-Post

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Na klar, die Eröffnungs-Pressekonferenzen gehören auch dazu. Und platzen aus allen Nähten. Warum? Natürlich nur, weil lauter Qualitätsjournalist/innen wahnsinnig wichtige und tiefgründige Fragen stellen wollen. Und dann vielleicht doch noch ein bisschen, weil Dutzende Berichterstatter aus aller Welt auch mal Promis gucken wollen...

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17.02.17 22:03

DREAM BOAT von Tristan Ferland Milewski (Berlinale 2017)

Let's take the boys to sea!

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Eine Kreuzfahrt ist das ultimative Klischee von Spießertum. Ältere, gut betuchte Paare, die sich am Buffet vollessen und ab und zu mal an Land gehen um eine Kirche oder einen Tempel zu besuchen. Höhepunkt: Das Essen mit dem Kapitän.

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MON ROT FAI (Railway Sleepers) von Sompot Chidgasornpongse (Berlinale 2017)

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Ein Zug wie ein Film.... oder ein Film wie ein Zug? Jedenfalls ein sehr langsamer Zug. Einen größeren Teil einer Filmkritik nimmt ja öfters die Inhaltangabe ein. Nicht hier, das längste in meiner Zusammenfassung ist der Name des Regisseurs: „Thailänder fahren Zug, Sompot Chidgasornpongse filmt.“

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15.02.17 10:05

ISTIYAD ASHBAH (GHOST HUNTING) von Raed Andoni (Berlinale 2017)

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Mach kaputt was Dich kaputt macht (oder bau es auf...)!

Raed Andoni nähert sich dem Thema der palästinensischen Gefangenen auf seine eigene künstlerische Weise. Was machen die Extremerfahrung der Haft mit einem Menschen? Raed Andoni hat sie während der ersten Intifada Ende der der 1980er Jahre, als Tausende gegen die Besatzung protestierende Palästinenserinnen und Palästinenser verhaftet wurden, selbst machen müssen.

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13.02.17 23:53

INSYRIATED von Philippe van Leeuw (Berlinale 2017)

Das Ende der Moral oder als der Krieg in die Wohnung kam

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Der Applaus ist langanhaltend und aufrichtig. „Der beste Film, den er auf der Berlinale gesehen hat“, sagt einer nach der Aufführung. Die Voraussage, dass Insyriated den Publikumspreis gewinnt ist alles andere als gewagt.

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12.02.17 15:58

COMO NOSSOS PAIS (Just like our Parents) von Laís Bodanzky (Berlinale 2017)

Auf der Suche nach dem Leben

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Vorbemerkung: Beim lesen dieser Rezension bitte dieses Lied hören!

„Somos tudos fudidos“ sagt Rosas Mann Dado. „Wir sind alle im Arsch.“ Rosa lebt in São Paulo und ist in einer fundamentalen Lebenskrise, die sie nicht mehr verdrängen kann.

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19.02.16 11:50

LA ROUTE D’ISTANBUL (Road to Istanbul) von Rachid Bouchareb

Wenig Antworten, aber auch kaum Fragen

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Im Panorama Special läuft der Spielfilm über eine junge Belgierin, die zum Islam übergetreten ist und von zu Hause abhaut, um in Syrien zu kämpfen. Das Thema ist in aller Mundes, aber der Film wird ihm nicht wirklich gerecht. Die erste Hälfte, in der wir die Mutter Elisabeth und ihre Tochter Elodie in ihrer vermeintlich heilen Welt kennenlernen, ist eigentlich ein guter Einstieg. Allerdings wissen wir viel zu wenig über Elodie – außer, dass sie einen nordafrikanischen Freund namens Kader hat und viel Zeit vor dem Internet verbringt – um den plötzlichen Aufbruch nachvollziehen zu können.

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Berlinale 2016: ZONA NORTE von Monika Treut

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Yvonne Bezerra de Mello ist ohne Zweifel eine mutige Frau voller Energie. Die Frau aus der Elite Rio de Janeiros begreift sich selbst als Wohltäterin, als Fürsprecherin der marginalisierten BewohnerInnen in den Favelas der Stadt. Das ist manchmal nahe an der Grenze zur Selbstdarstellung und zum Klischee. De Mello hat eine neue pädagogische Methode entwickelt, die den Kindern der Favelas mehr Selbstbewusstsein geben soll. Ganz unbescheiden heißt die natürlich: „de-Mello-Methode.“

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18.02.16 22:24

Berlinale 2016: John Grant im rbb-Bus

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Auf dem Nachhauseweg trottet man an allerlei Berlinale-Bussen, -lounges und -sendungen vorbei. Im rbb-Bus sitzt heute John Grant, ein Amerikaner der munter auf Deutsch parliert. Wer zwischen den Filmen mal Zeit hat: sein letztes Album Grey Tickles, Black Pressure ist sehr hörenswert.

17.02.16 13:10

Berlinale 2016: SHEPHERDS AND BUTCHERS von Oliver Schmitz

Todesstrafe in Südafrika: Die Komplexität der Schuld

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Oliver Schmitz hat einen extrem eindrücklichen Film über die Todesstrafe in den letzten Tagen des Apartheid-Regimes in Südafrika gemacht. Erst 1995 wurde sie unter Mandela abgeschafft, seit 1987 galt ein Moratorium. Der Film erzählt die Geschichte von Leon, einem jungen Mann im südafrikanischen Polizeidienst, der sieben schwarze Südafrikaner in einem Minibus erschossen haben soll. Gegenüber seinem Pflichtverteidiger schweigt er zunächst zum Tathergang. Johan Webber, ein bekannter Gegner der Todesstrafe, ahnt, dass die Tat seines jungen Mandanten andere Motive als Mordlust hat.

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Berlinale 2016: The Cinematography of Game of Thrones

Wie haben Sie das gedreht, my Lord?

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Mittlerweile sind Serien so populär, dass auch die Berlinale dem Trend nicht aus dem Weg gehen kann. Neben den Previews im Sonderprogramm zählte dazu auch ein Gespräch mit Fabian Wagner, einem der beteiligten deutschen Kameraleute (Director of Photography, DOP) im riesigen Game of Thrones Team. Eigentlich, denn kurzfristig gesellte sich einer der weiteren DOP, Jonathan Freeman aus Kanada, auch noch mit dazu.

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16.02.16 14:05

Berlinale 2016: MAKHDOUMIN (A Maid for Each) von Maher Abi Samra

Dienst nach Vorschrift - neuzeitliche Sklavenhaltung im Libanon

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Regisseur Maher Abi Samra filmt überwiegend in einer der vielen Agenturen für „Dienstmädchen“ im Libanon. Ein euphemistischer Begriff für die jungen Frauen, die aus bitteren Existenznöten von ihren Familien aus Südostasien oder Afrika in arabische Länder geschickt werden. Die meisten kommen in die Golfstaaten, nach Saudi-Arabien oder Qatar, wo sie oft wie Sklavinnen gehalten werden und Jahre brauchen, bis sie die Schulden der legalen oder illegalen Einreise abbezahlt haben und überhaupt einen schmalen Verdienst erwirtschaften können.

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Berlinale 2016: HOTEL DALLAS von Sherng-Lee Huang

Wie sogar J.R. Ewing gegen Ceausescu sympathisch wirkte

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Was für ein wunderbarer Film im Panorama. Ich fordere den Publikumspreis! Her damit! Aber dafür ist er Film vielleicht doch zu komplex. Und vielleicht geht der Preis ja dann an STRIKE A POSE? Bei der Weltpremiere in Berlin ist nur Regisseur Sherng-Lee Huang anwesend. Der Amerikaner mit chinesischen Wurzeln ist mit der aus Rumänien stammenden Livia Ungur verheiratet, die beiden haben den Film zusammen gemacht. „In den letzten beiden Jahren war der Film unser Baby; aber jetzt bekommen wir noch ein echtes Baby, und deswegen ist meine Frau leider in New York“, sagt Huang.

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14.02.16 17:19

Berlinale 2016: A MAGICAL SUBSTANCE FLOWS INTO ME von Jumana Mana

Vom Archiv aufs iPhone. Eine musikalische Reise.

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Die Grundlage für Jumana Mannas Film sind die spannenden Dokumente und Aufnahmen, die sie aus der britischen Mandatszeit aufgespürt hat. In Archiven hat sie eine Musiksendung entdeckt, die vom Palestine Broadcasting Service, dem Sender der Mandatsmacht, ausgestrahlt wurde. In jeder Folge hat der aus Deutschland eingewanderte Musikanthropologe Robert Lachmann Musiker unterschiedlicher ethnischer Communities eingeladen, ihre musikalische Folklore zu repräsentieren.

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13.02.16 16:10

Berlinale 2016: BARAKAH MEETS BARAKAH (BARAKAH YOQABIL BARAKAH) von Mahmoud Sabbagh

Coming-of-Age in Saudi Arabien

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Seit vielen Jahren beschäftige ich mit dem Nahen Osten. Eine Region voller Klischees, spätestens seit Edward Saids Kritik des Orientalismus werden diese auch offen kritisiert. Aber manche Klischees sind hartnäckig, und niemand ist frei davon. Oder was fällt ihnen so ein zum Thema Saudi-Arabien? Wahabismus, Wüste, Pilgerfahrt, Kopf ab.

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11.02.16 15:34

Pressekonferenz Eröffnungsfilm

„Bin ich umringt von Kommunisten?“

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Foto (c) René Wildangel

Das war definitiv die lustigste Pressekonferenz auf der ich je war. Vielleicht nicht so schwer, weil ich sonst eher PolitikerInnen zuhören muss. Aber das war schon großes Kino. Fast so gut wie der Eröffnungsfilm HAIL CESAR - ein meisterhaftes Potpourri skurriler Figuren und großartiger Bilder, in dem in bester Coen-Manier so ziemlich jedes Filmklischee der so genannten „Traumfabrik Hollywood“ verbraten wird.

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09.02.16 0:05

Krisen, Kriege, Kino

Die Region Naher und Mittlerer Osten auf der Berlinale

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Während der Nahe Osten die schwerste Krise der letzten Jahrzehnte durchmacht, widmet sich die Berlinale der Region dieses Jahr in vielfacher Hinsicht: Im Forum findet ein kleiner Schwerpunkt zum Thema arabischer Film statt. Im Rahmen des Schwerpunktes laufen eine Reihe sehr diverser Filme aus unterschiedlichen Ländern.

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27.01.16 12:18

Berlinale 2016: Aktivitäten für Geflüchtete

Berlinale in Zeiten der Flüchtlingskrise

Die Berlinale 2016 findet in politisch besonders bewegten Tagen statt: Deutschland und Europa diskutieren kontrovers über die so genannte „Flüchtlingskrise“ – oft genug leider ein Anlass, um nicht nur in den sozialen Medien rassistische Stereotype und Ewiggestriges hervorzukehren. Da ist die Berlinale wichtiger denn je, denn sie hat auch in „normalen“ Jahren das Zeug mit den Filmen, Schauspielern und Filmemachern aus aller Welt ein Zeichen für kulturelle Vielfalt und Offenheit zu setzen. Für ein paar Tage wird der sonst so öde Potsdamer Platz zu einem Zentrum globaler künstlerischer und politischer Debatten.

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11.02.11 7:35

Offener Brief von Jafar Panahi

Aus der Haft heraus hat Jafar Panahi einen ergreifenden Brief geschrieben, der von seiner außerordentlichen persönlichen Courage und seiner unerschöpflichen Hoffnung in die Kraft des Filmemachens und auf eine bessere Welt Zeugnis ablegt. Im Folgenden der Text seines Briefes:

In der Welt eines Filmemachers fließen Traum und Realität ineinander. Der Filmemacher nutzt die Wirklichkeit als Inspirationsquelle, er zeichnet sie in den Farben seiner Vorstellungskraft. Damit schafft er einen Film, der seine Hoffnungen und Träume in die sichtbare Welt trägt.

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10.02.11 6:30

Solidarität mit Jafar Panahi

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Quelle: Berlinale

Der iranische Regisseur Jafar Panahi ist Berlinale-Jurymitglied. Doch sein Stuhl bleibt leer. Er sitzt im Gefängnis, weil er Künstler ist, weil er Filme macht. Wunderbare Filme, mutige Filme, Filme in der Tradition der großen Filmnation Iran - und Filme, vor deren Ausdruckskraft sich ein iranischer Staat fürchtet, der die Freiheit seiner eigenen Bürgerinnen und Bürger gewaltsam unterdrückt. Die Berlinale ist solidarisch. Und wir auch! Am 11. Februar - dem 32. Jahrestag der Islamischen Revolution - färben wir in Solidarität mit der grünen Demokratiebewegung unsere Webseite grün und folgen damit einem Aufruf der taz, die auch eine Petition gestartet hat. Die Berlinale zeigt in allen Sektionen Filme von Panahi und vranstaltet eine Podiumsdiskussion.

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08.02.11 7:00

The revolution will (not) be televised

EGY

In Ägypten gehen Millionen mutiger Menschen auf die Straße, um Mubarak aus dem Amt zu jagen und Jahrzehnte eines repressiven und undemokratischen Systems zu beseitigen. In Tunesien hat schon vor Wochen Diktator Ben Ali seinen Koffer (inklusive zusamengeraffter Reichtümer) gepackt und Hals über Kopf das Land, das er mit eiserner Hand regiert hat, verlassen. In Jordanien, in Algerien, im Jemen, in der ganzen Region brodelt es. Leider, leider spiegelt sich das nicht im Berlinale-Programm wider...

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15.02.10 20:00

Besouro von João Daniel Tikhomiroff

Besouro heißt auf Portugiesisch Käfer. In einer Anfangssequenz zeigt der alte Caipoeira-Meister Alípio seinem Schüler einen pechschwarzen Käfer. „Die Wissenschaft ist überzeugt davon, dass er nicht fliegen kann“, sagt er, „aber das stimmt nicht“. Kaum kommt er ihm näher, fliegt der Käfer kraftvoll los.

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30.10.09 16:07

Sao Paulo 2009: "Walachei" von Rejane Zilles

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Deutsche Siedlungsgebiete in Rio Grande do Sul/ Brasilien

Die sprichwörtliche Walachei liegt nicht nur in Rumänien, sondern auch in Südbrasilien. In abgelegenen Dörfern wie Frankenthal, Jammerthal und Bananenthal leben noch heute Nachfahren deutscher Einwanderer, die seit 1820 zu Tausenden dort hin auswanderten. Bis heute leben sie nicht viel anders als ihre Vorfahren: Täglich arbeiten sie auf dem Feld, stellen ihr eigene Butter her, backen Brot und schmieden Werkzeuge.

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Sao Paulo 2009: "Transcending Lynch" von Marcos Andrade

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Leicht irrer Blick: David Lynch.

Was ist das denn? Ein Film über den Besuch von David Lynch in Brasilien, der dort im August 2008 sein Buch über „Transzendentale Meditation“ vorstellte. Aha. Klingt ausreichend schräg denke ich mir, aber gibt das was her für eine Dokumentation in Spielfilmlänge? Die kurze Antwort ist: Nein.

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Sao Paulo 2009: Publikumsfreundliches Mostra

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Das "Mostra" ist ein sehr zugängliches Festival: Wer nicht gerade Freitag oder Samstag abend kurzfristig Karten sucht, kann in Sao Paulo entspannt Filme schauen: Im "Centro Cultural" sogar umsonst, ebenso im Zentrum miten auf der Hauptstraße "Paulista" - zumindest wer es bei dem derzeit regen-nasskalten Wetter auf sich nimmt auf den Plastikstühlen neben dem vorbeirauschenden Verkehr Platz zu nehmen.

Sao Paulo 2009: "L’insurgée" (Restless) von Laurant Perreau

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Die 18jährige Claire lebt nach dem Tod ihrer Mutter alleine mit ihrem ungeliebten Großvater (der Regisseur konnte dafür den großen Michael Picccoli gewinnen) zusammen. Der Weltkriegsveteran ist unzugänglich und lässt sie, abgesehen von gelegentlichen autoritären Anwandlungen, allein. Claire ist auf der Suche nach sich selbst, was in der Einsamkeit der herbstlich gestimmten Bretagne kein leichtes Unterfangen ist.

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Sao Paulo 2009: "Efeitos Secundários" (Nebenwirkungen) von Paulo Rebelo

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Eine Nummer zu groß: Fassbinders "Angst essen Seele auf" mit Brigitte Mira und El Hedi ben Salem

Im Gespräch nach dem Film benennt Paulo Rebelo die Vorbilder für seinen Film:
Der 1955 erschienene „All that Heaven allows“ von Douglas Sirk und der daran orientierte Fassbinder-Klassiker „Angst Essen Seele auf“ (1974). In beiden Filmen geht es um die Einsamkeit von älteren Frauen, die mit unkonventionellen Liebesbeziehungen an den gesellschaftlichen Realitäten ihrer Zeit tragisch scheitern: Bei Douglas Sirk in der Beziehung zu einem jüngeren Mann aus einfachen Verhältnissen, bei Fassbinder in der Liebe zu einem „Ausländer“ in den miefigen 70er Jahren.

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Sao Paulo 2009: "Os Sorrisos do Destino" (Das Lächeln des Schicksals) von Fernando Lopes

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Fernando Lopes erzählt eine seltsame Dreiecksgeschichte. Die ehrgeizige Literaturprofessorin Ada verliebt sich in den smarten, viel jüngeren angolanischen Schriftsteler und Diplomaten „Manuel B.“ Adas Mann Carlos erfährt von dem Verhältnis und zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus.

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23.10.09 19:38

33. Mostra-Filmfestival in São Paulo

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In São Paulo beginnt heute das 33. „Mostra“ – eines der größten Filmfestivals Südamerikas. Dabei tritt der Kontinent, was wichtige Festivals angeht, kaum in Erscheinung. Und das trotz der immer größeren Aufmerksamkeit für die Filme des Kontinents. Die konnten schließlich zuletzt bei der Berlinale die Goldenen Bären abräumen: Dieses Jahr gewann La Teta Asustada aus Peru , 2008 Tropa de Elite über die ausufernde Polizeigewalt in den Favelas von Rio de Janeiro. Dennoch bleibt das einzige „A-Festival“ weiterhin das jährliche internationale Filmfestival in Mar del Plata/ Argentinien, das seit 1954 existiert. Aber die Filmindustrie auf dem Kontinent insgesamt holt auf – besonders im Riesenland Brasilien.

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13.02.09 0:29

"Happy Tears" von Mitchell Lichtenstein

Happy Tears, Sad Film

Wenn ein Film viele Fragen aufwirft, dann ist es in der Regel ein guter Film. „Happy Tears“ ist irgendwie anders, obwohl mir einige Fragen einfallen: Was um alles in der Welt hat er im Wettbewerb der Berlinale zu suchen? Warum wurde er überhaupt gedreht? Und was ging in Christoph Schlingensief vor, als er diesen Film ansehen musste?

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12.02.09 0:29

"Sólo quiero caminar" von Augustín Díaz Yanes

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Last Woman standing

Dieser rasante Mafiafilm beginnt genau so wie er endet: mit Schüssen, Blut und Tod – und das was sich in der Zwischenzeit abspielt geht in eine ähnliche Richtung. Ein Genrefilm, der gleichzeitig die gängigen Klischees bedient und aufs Korn nimmt. Heraus kommt dabei in jedem Fall rasante, wenn auch ziemlich brachiale Unterhaltung.

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11.02.09 1:00

"It might get loud" von Davis Guggenheim

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Was für ein Film! Was für Musik! Was für ein Spaß!
Danke, Regisseur Davis Guggenheim. Danke für die ziemlich coole Idee, dieses Rock-Generationen-Treffen zu organisieren: Am nunmehr historischen 23. Januar 2008 kamen Jimmy Page, The Edge und Jack White zusammen um „über die E-Gitarre zu reden“, wie es zu Beginn des Films heißt – und gemeinsam zu rocken.

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10.02.09 2:09

Berlinale Gedicht-Wettbewerb (2)

Der rote Teppich

Einmal im Jahr,
am Potsdamer Platz,
beginnt für ihn dieselbe Hatz...

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07.02.09 2:09

"Laskar Pelagi" (Rainbow Troops) von Riri Riza

Einer der ersten Filme die im Panorama anlaufen, und schon ein Kandidat für den Panorama Publikumspreis. Erfolgsverwöhnt ist „Laskar Pelagi“ sowieso: Im Herbst 2008 angelaufen ist es bereits der erfolgreichste Film aller Zeiten in Indonesien.

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16.02.08 13:10

„Sharon“ von Dror Moreh

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Ethnografisches Portrait eines Stammesführers


Eine israelische Dokumentation über Sharon? Muss das sein? Das Besondere an dem Film von Dror Moreh ist, dass er Sharon sechs Jahre lang begleiten konnte. Aus hunderten Stunden Material machte er einen Dokumentarfilm, der erklären soll, warum Arik Sharon 2003 den Abzug aus dem Gazastreifen anordnete. Ausgerechnet Sharon, der größte Vorreiter und Unterstützer der Siedlerbewegung seit ihren Anfängen 1967. Ausgerechnet Sharon, als Verteidigungsminister für den blutigen Libanonfeldzug und die Morde von Sabra und Shatila mitverantwortlich.

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"A Jihad for Love" von Parvez Sharma

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Der unter schwierigen Bedingungen gedrehte Dokumentarfilm von Parvez Sharma betrachtet die Lage von Schwulen und Lesben in völlig unterschiedlichen muslimischen Gemeinden in Ländern wie Südafrika, Iran oder der Türkei. Dabei zeichnet er ein bewegendes Bild von Menschen, die einzig aufgrund ihrer Liebesbeziehungen oder ihrer Sexualität ausgegrenzt und verfolgt werden. Erfreulicherweise tappt der Film in keine der Klischeefallen, die zahlreich am Wegesrand lauern.

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14.02.08 0:59

Madonnawatching

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Für die Trendsportart Promiwatching finden sich immer mehr Anhänger. Am Zoopalast ist die Hölle los - Madonna kommt! Auf der Bühne sagt sie kurz ein paar Worte über ihren ersten Film. Gut, sagt sie, du bist schon Popstar, also fragen die Leute warum willst du auch noch einen Film machen? Es war ein langgehegter Wunsch: "And it became a mantra for me that dreams come true" sagt sie und wir staunen. Und dann ist auch noch der Film richtig kurzweilig (Kritik folgt..). Toll. Es gibt tatsächlich noch Stars ohne Peinlichkeitsfaktor.

12.02.08 14:35

"Football Under Cover" von David Assmann und Ayat Najafi

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Marlene aus Kreuzberg lernt 2006 auf dem Berlinale Talentcampus den iranischstämmigen Ayat kennen. Beide hatten gerade einen Kurzfilm über Fußball gedreht, Marlene über ihre Kreuzberger Mannschaft BSV Al-Dersimspor, Ayat über eine Fußballspielerin in Iran. Die beiden Fußballbegeisterten haben eine gemeinsame Idee: Ein Fußballspiel von Marlenes Mannschaft in Teheran zu organisieren, gegen die iranische Frauen-Fußballnationalmannschaft. Die existiert, spielt aber unter erschwerten Bedingungen: In der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in der Halle - wegen der strengen „Sittenbestimmungen“, die Frauen vieles verbieten, was Männern erlaubt ist.

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11.02.08 20:00

"Transsiberian" von Brad Anderson

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Wettrennen der Fieslinge

Ben Kingsley als fieser FSB-Agent Grinko – das ist ziemlich beeindruckend. Von dem Film insgesamt kann man das nicht unbedingt sagen. Als kleiner Psycho-Schocker für zwischendurch ist das vielleicht mal eine schöne Abwechslung für Berlinale-Kritiker, die zuviel verkopftes Zeugs gesehen haben. Aber der große Wurf ist dieser Film ganz sicher nicht geworden.

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10.02.08 12:55

Was wir essen (1)

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Krustenbraten, Berlin 2008

Eine Berlinale ist schließlich keine Kur. Keine Zeit, keine Zeit, also: Höchstens Fastfood zwischen zwei Filmen. Besonders beliebt: Der Krustenbraten aus den Arkaden, liegt so schwer im Magen, das er auch nach drei Filmen noch nicht verdaut ist. Wunderbar. Und das zur Fastenzeit. Gibt es eigentlich schon einen Ernährungsberater für Festivalbesucher?

"Shine a Light" von Martin Scorsese (2)

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Zurück in die Zukunft

Martin Scorcese hat mit „Shine a Light“ seinen ersten, grandiosen Sience-Fiction-Film vorgelegt. Der Plot spielt im Jahr 2062 und ist schnell erzählt. 100 Jahre nach ihrer Gründung werden die mit speziellen Methoden eingefrorenen und konservierten Mitglieder der Band „The Rolling Stones“ aufgetaut und spielen ein Jubiläumskonzert auf einem fernen Planeten.

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Genenet al asmak (The Aquarium) von Yousry Nasrallah

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Youssef und Laila gehen in Kairo ziemlich unterschiedlichen Berufen nach: Sie moderiert eine Radiosendung, in der Menschen ihr Herz ausschütten, er ist Anasthäsist und befördert seine Patienten in den Dämmerzustand. Um diese beiden Charaktere wird ein höchst ungewöhnlicher ägyptischer Film erzählt.

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Die Berlinalefänger

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Die Freunde von Tom Cruise sind auch schon da

Während der Berlinale lauern sie überall, Menschen mit Botschaften, Anliegen, oder, schnöder, mit Produktproben und Werbung. Am Tage rase ich an ihnen vorbei, komme in letzter Minute zum Film, man müsste verrückt sein mir mit dem gehetzten Blick ein Zeitungsabo aufschwatzen zu wollen. Aber nach den Filmen am Ende des Tages bin ich leichte Beute. Da stehen sie, vor der S-Bahn Potsdamer Platz, und fragen mich: „Lust auf einen kostenlosen Stresstest?“

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17.02.07 21:30

Berlin Wrong - Best of Berlin Klischees

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"Berlin Song" von Uli M. Schueppel (Panorama)

Wieviele Berlin-Klischees passen eigentlich in einen Film? Berlin Song beweist: jede Menge! Die Freude über das eigentlich reizvolle Thema, junge Singer-Songwriter aus der Neo-Folk-Szene in Berlin, vergeht dem geneigten Zuschauer recht zügig. Deren Musik steht nämlich kaum im Vordergrund, ganz im Gegensatz zu den Eitelkeiten der Twens, die in Neukölln abhängen.

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16.02.07 0:52

Gottesfurcht auf Abwegen

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"Takva - A Man's Fear of God" von Özer Kiziltan (Panorama)

Der tiefgläubige Hausdiener Muharrem führt ein bescheidenes, gottesfürchtiges Leben in Istanbul. Doch bald gerät es durch höhere Mächte durcheinander. Nachts wird er von ganz und gar unreinen Phantasien heimgesucht: solche, nach denen er seine Hose waschen und den Körper reinigen muss. Entsetzt von der Macht, die er nicht kontrollieren kann, gerät er in einen schweren Gewissenskonflikt, als der Scheich seiner Sufi-Bruderschaft ihn als Verwalter einsetzen möchte.

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15.02.07 1:21

Zirkus is nich

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"Zirkus is nich" von Astrid Schult (Perspektive Deutsches Kino)

Schade dass der Film selbst schon Zirkus is nich heißt: Sonst hätte ich das als Überschrift für diese Kritik gewählt. Der Titel ist so genial wie der Film: Eine bessere Kurzzusammenfassung gibt es auch nicht. Wer in Berlin wohnt, und von einem Dokumentarfilm hört, der „Zirkus is nich“ heißt und der in Hellersdorf spielt, vor dessen innerem Auge erscheint schon die Szenerie: Hartz IV, triste Plattenbauten, Armut, eine gute Portion Trostlosigkeit, RTL-Talkshow-Familien, vernachlässigte Kinder...

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Wenn ein Mann im Wald und so weiter

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"When a man falls in the forest" von Ryan Eslinger (Wettbewerb)

„Das Leben besteht nicht aus großen Geschichten“, sagt eine mir unbekannte Berlinalebesucherin beim Rausgehen, und da schwingt hörbar Anerkennung mit. Ihr Begleiter hatte wohl gerade ebensolche großen Geschichten vermisst. Keine großen Geschichten? Und das in einem Film mit Sharon Stone? Wunderbar.

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10.02.07 20:32

Bergsteiger der Herzen

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"Blindsight" von Lucy Walker (Panorama)

Eine Gruppe von blinden tibetanischen Kindern besteigt gemeinsam mit einem blinden US-Bergsteiger und ihrer blinden deutschen Betreuerin den Himalaya, die für ihr Projekt einer Blindenschule in Tibet auf der Berlinale mit dem „Mutter –Theresa-Preis“ ausgezeichnet wird – passt noch mehr Gutmenschentum in eine Kurzbeschreibung?
So weit das weit gefehlte Klischee...

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09.02.07 1:16

Berlinale Verwirrung (1)

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Es ist wieder Berlinale.
Ich bin wieder verwirrt.
Ich kann mich wieder nicht entscheiden.
Es ist ganz wunderbar...

19.02.06 2:35

Offside von Jafar Panahi (III)

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Zwei Kritiken zu Offside gibt es schon, warum noch eine? Weil es der beste Film war, den ich bei dieser Berlinale gesehen habe. Es gab komplexere, ambitioniertere, aufwendigere und schwierigere Filme bei diesem Festival. Aber es gab keinen Film, der mir soviel Spaß gemacht hat, bei dem ich so viel und so laut gelacht habe.

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18.02.06 14:18

Retrospektive: Letjat schurawli (Wenn die Kraniche ziehen) von Michail Kalatosow

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Ein russischer Film aus den Fünfziger Jahren bei der Berlinale: Ist das nicht ein bisschen trist als Freitagabendgestaltung? Könnte man meinen, aber wie so oft folgt eine Überraschung: Der Film „wenn die Kraniche ziehen“ ist ein sowjetisches Drama vom 1958, dass vor allem durch eine unglaublich variable Kameraführung – schnelle Schwenke, Vogelperspektive , Handkamera inklusive – besticht. Der Film wirkt so modern, als sei er seiner Zeit locker um 20 Jahre voraus.

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15.02.06 1:26

Memory for Max, Claire, Ida and Company von Allen King (2)

Vier Monate lang hat der Dokumentarfilmer Allen King alte Menschen in einem Pflegheim gefilmt, sehr alte Menschen: Und weil sehr alte Menschen auf uns oft faszinierend, rührend und abschreckend wirken, ist es ein sehr bewegender Film geworden. Ein halbes Jahr hat Allen King gebraucht, um überhaupt die Drehgenehmigung für das Altenheim zu bekommen...

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14.02.06 0:03

(Egyptian) Celebrity I saw you (5)

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In Ägypten ist er berühmter als ein gewisser Schorsch Kluni: Adil Imam. Spielt in Filmen wie "Al-Irhab wa-l-Kebab" (Der Terror und das Kebab).

13.02.06 23:59

Panorama: Omaret Yacoubian (The Yacoubian Building) von Maravan Hamed

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Dieser Film ist ein Furor, eine nicht enden wollende Erregung: In knapp drei Stunden erzählt Regisseur Marawan Hamed die Geschichte der Bewohner eines Hauses in Kairo – des Yacoubian Buildings. Und bricht dabei so ziemlich alle Tabus, die in der ägyptischen Gesellschaft existieren. So viel Sex, Gewalt, Alkohol war nie in einem arabischen Film. Omaret Yacoubian ist nicht nur der kontroverseste und unterhaltsamste arabische Film seit langem, sondern auch die teuerste ägyptische Filmproduktion aller Zeiten.

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Berlinale-Gedicht Wettberwerb (1)

Einmal im Jahr ist der
Potsdamer Platz,
den man sonst mit gutem Recht
auch Kotzdamer Platz...

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Forum: Karov la Bayit (Close to Home) von Dalia Hager und Vid Bilu

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Es stimmt, Filme, die in Israel spielen, müssen sich nicht unbedingt mit „dem Konflikt“ beschäftigen, dass heißt mit der Besatzung. Filme, die in Jerusalem spielen, einer geteilten Stadt, schon eher. Und Filme, in deren Mittelpunkt israelische Soldatinnen stehen, werden wohl kaum darum herumkommen. Dennoch, der Film von Dalia Hager und Vid Bilu stellt seine durchweg weiblichen Protagonisten in den Vordergrund und nicht die fast schon obligatorische Kritik an der unerfreulichen Realität der – so eine der beiden Regisseurinnen – „Militärdemokratie“ Israel.

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12.02.06 13:42

Forum: Sobhi Digar (Another Morning) von Nasser Refaie

Traurig in Teheran

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Der Berlinale-Moderator ist irritiert: Was? Keine Iran-Kritik? Der ganze Film kein einziger Aufschrei des Protests gegen ein Unterdrückungsregime, den „Gottesstaat“? Am Ende vielleicht sogar Kunst? Skandalös! Dreimal formuliert der Moderator nach der Vorstellung die Frage um, aber Regisseur Refaie beharrt auf seiner Antwort. Ein universal gültiger Film solle es sein, einer der eigentlich überall auf der Welt spielen könnte: Herr Kamali ist Mitte vierzig und gerade Witwer geworden. Die Trauer beherrscht ihn so sehr, dass er wie ferngesteuert durch Teheran stolpert...

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08.02.06 0:35

Fünf Filme gegen Dr. Seltsam - Iranische Filme auf der Berlinale

Insgesamt fünf iranische Filme laufen auf der Berlinale: Offside von Jafar Panahi und Zemestan von Rafi Pitts im Wettbewerb; Be Ahestegi von Maziar Miri im Panorama; Another Morning von Nasser Refaie und Men at Work von Mani Haghighi im Forum. Fünf Filme - ein guter Schnitt für ein Land, dass zwar für sein Kino mehr oder weniger berühmt ist, aber selten so üppig von europäischen Festivalchefs bedacht wird.

Überhaupt ist der Iran derzeit, genau genommen schon seit einer ganzen Weile, sonst eher für die dunklen Seiten der Nachrichten zuständig: Holocaustleugnung, Pressezensur, Schleierzwang: Alles unerfreuliches Schmuddelzeug. Nicht jeder weiß aber, dass im Iran eine Gesellschaft existiert, die in vielerlei Hinsicht sehr offen und heterogen ist.

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19.02.05 11:50

Wettbewerb: Paradise now von Hany Abu-Assad

Niederlande, Frankreich, Deutschland 2005 Regie: Hany Abu-Assad * Darsteller: Kais Nashef, Ali Suliman, Lubna Azabal, Amer Hlehel, Hiam Abbass

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“Mit meinem Film kämpfe ich gegen die Besatzung und gegen das, was sie den Menschen antut“, sagt Hany Abu Assad, der Regisseur des viel beachteten Wettbewerbsbeitrags „Paradise now“. Was gibt es noch zu sagen über den Nahostkonflikt, womit kann sich ein Film jenseits der gängigen Klischees noch beschäftigen? Ich nicht längst alles gesagt, und sogar mehr als das? Abu Assad nimmt sich einem der umstrittensten Themen des Palästinakonflikts an, zu dem die Kunst in der Regel schweigt – wo sie es nicht tut, muss sie mit Skandalisierung oder dem Vorwurf der Naivität rechnen.

Als der schwedisch-israelische Künstler Dror Feiler in Stockholm Anfang 2004 ein Kunstwerk ausstellte, dass sich mit dem Thema beschäftigte, kam es zum Skandal. Unter dem Titel „Schneewittchen“ schwamm dort das Foto einer palästinensischen Selbstmordattentäterin auf einem Teich aus Blut; ein Begleittext enthielt Einzelheiten über die Biographie der Attentäterin. Das Werk zeigt mit den Mitteln der Groteske das Groteske der Tat. Aber nicht jeder Betrachter sah das Werk als Versuch, sich dem Phänomen der Attentäter anzunähern: Der israelische Botschafter war über das Gezeigte so erregt, dass er das Kunstwerk eigenhändig zerstörte. Ministerpräsident Sharon gratulierte ihm danach zu einem „mutigen Schritt gegen den Antisemitismus“.

Wer sich zum Thema äußert, begibt sich unvermeidbar auf vermintes Gelände. Hany Abu-Assad hat es trotzdem geschafft, einen relevanten Film über „Selbstmordattentate“ zu drehen – allein diese Feststellung macht den Film zu Recht nicht nur zu einem der politisch bemerkenswertesten, sondern wohl zu einem der wertvollsten Beiträge der diesjährigen Berlinale insgesamt. Er nähert sich dem umstrittenen Thema „Selbstmordattentate“ als menschlichem Phänomen und verweigert sich den gängigen Interpretationsmustern.

In der Regel gibt es zwei platte Erklärungen: Die eine – besonders in Israel populäre – Erklärung zeichnet die Attentäter als radikal indoktrinierte Mordmaschinen, deren religiöse Verblendung sie an den Eintritt ins Paradies nach vollbrachter Tat glauben lässt. Dieses Erklärungsmuster lässt keinen Platz für politische Motive, persönliche Verbitterung und das Gefühl der Demütigung. Die andere Erklärung, populär auch auf deutschen „Pro-Palästina-Demonstrationen“, macht es sich nicht weniger einfach: Allein die Besatzung sei schuld, die Grausamkeit der Israelis, die grenzenlose Verzweiflung und Armut der Palästinenser. Aber wer arm und verzweifelt ist, sprengt deswegen noch lange nicht unschuldige Menschen in die Luft.

Die ganze Diskussion um Selbstmordattentate ist ungeheuer politisch aufgeladen und wird auch meist sehr polemisch geführt. Abu-Assads völlig unpolemischer Film macht sich dagegen frei von einfachen Urteilen und pauschalen Argumenten. Er betrachtet im wesentlichen zwei Menschen, die sich zu einem Anschlag entschlossen haben und zeigt Kohärenz und Brüche in ihrer Haltung, in ihrer Biographie, in ihren Motiven und Überzeugungen. Dabei kommt es manchmal zu anrührenden, manchmal skurrilen Szenen, die dem Film nichts von seiner Glaubwürdigkeit nehmen. Den größten Wahnsinn fand Abu-Assad bei seinen Recherchen in der Realität; im Interview mit der „ZEIT“ erzählt er:

„Eine wirklich unglaubliche Geschichte handelt von einem Selbstmordattentäter, der zum Einsatz in Tel Aviv gefahren wird. Plötzlich steigt eine Frau zu ihm ins Auto. Es stellt sich heraus, dass sie ebenfalls einen Sprengstoffgürtel trägt. Daraufhin weigert er sich, den Auftrag mit ihr gemeinsam auszuführen, denn er ist davon überzeugt, dass das Töten Männersache ist, während die Frauen Leben schenken sollen. Beide werden furchtbar wütend und brüllen sich im Auto an. Sie beschimpft ihn als Frauenfeind, als Reaktionär, und sie besteht darauf, dass eine Frau das gleiche Recht hat, in den Tod zu gehen, wie der Mann. Das muss man sich mal vorstellen: Zwei Selbstmordattentäter in einem Riesenkrach über die Moderne, den Feminismus, die Geschlechterpolitik.“

Es sind solche krassen Brüche, die auch die Charaktere in Abu-Assads Film kennzeichnen. Sie sind weder gefühlskalte Monster noch religiös Fanatisierte, die vom sofortigen Eintritt in Paradies überzeugt sind. Es sind widersprüchliche Charaktere, deren Biographien stark von der Besatzung geprägt sind – was heute ohne Zweifel auf jeden jungen Palästinenser in der Westbank und besonders in Gaza zutrifft. Dabei macht es sich der Film nie so einfach, Selbstmordanschläge allein mit der schwierigen Lage der Palästinenser zu erklären. Aber er zeigt, dass das Gefühl der andauernden Erniedrigung, der Perspektivlosigkeit und des hergebrachten Hasses gegen „die Besatzer“ unabdingbare Grundvoraussetzungen sind. Die islamistischen Drahtzieher der Anschläge zeichnet Abu-Assad als Menschen, die hinter ihren Propagandaformeln kein menschliches Empfinden mehr bewahrt haben.

3181_0001_Thumb2.jpg Regisseur Hany Abu-Assad

Abu-Assad sagt von sich selbst, er sei „Pazifist“. Auch lässt der Film keinerlei Zweifel an der Tatsache, dass die Attentate moralisch falsch sind. Aber er nimmt die Motive der Attentäter ernst und versetzt sich in ihre Perspektive. Besonders das Ende von Abu-Assads Film ist dementsprechend wenig hoffnungsvoll. Es wäre einfacher gewesen, einen Film zu drehen, in dem alle Charaktere letztlich „bekehrt“ werden und zum gewaltlosen Widerstand übergehen. Dann wäre es ein Film geworden, der Hoffnung macht. Und ein Film, der sich der gegenwärtigen Realität verweigert.

Es wird auch bei diesem Film Stimmen geben, die Abu-Assad „Verständnis“ für die Selbstmordattentäter vorwerfen werden. Sollte er in Israel gezeigt werden, wird es lautstarke Proteste geben. Vielleicht wird wieder jemand versuchen, die Aufführung zu verhindern. Für Abu-Assad wäre das ein Erfolg: „Es wäre unglaublich, wenn die Isrealis einen Film sehen könnten, der Selbstmordattentäter als Menschen und nicht einfach als Monster porträtiert. Ich will Paradise Now aber auch in Nablus zeigen, wo wir viele Szenen gedreht haben. Leider gibt es dort kein Kino mehr...“

15.02.05 0:44

Panorama: Massaker von Monika Borgmann, Lokman Slim, Hermann Theissen

Deutschland, Libanon, Schweiz 2004 * Regie: Monika Borgmann, Lokman Slim, Hermann Theissen

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Bilder, die der Film nicht zeigt: Palästinensische Überlebende in Shatila, Südlibanon 1982

Hehre Ziele, leerer Film: Narrative der Gewalt in einer Dokumentation ohne Struktur

Der Inhalt der Dokumentation „Massaker“ lässt sich erschreckend knapp zusammenfassen: Einige junge Männer berichten über ihre brutalen Taten während des Massakers an Palästinensern im Libanon 1982. Punkt.

„Sabra und Shatila“, der Ort des Verbrechens steht für die entfesselte Brutalität des Bürgerkriegs und ein furchtbares Verbrechen an den Plästinensern, dass mit Billigung der israelischen Besatzungsmacht verübt wurde. In den letzten Jahren stand vor allem die Rolle des damaligen Verteidigungsministers Ariel Sharon, dem eine israelische Untersuchungkommission „persönliche Verantwortung“ für das Verbrechen bescheinigte, im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Die Dokumentation beschränkt sich auf die Erzählungen von ehemaligen Angehörigen der „Kataib“ (Phalanx), der christlichen Milizen unter Kommando Pierre Gamayels. Nach der Ermordung Gamayels richten diese Milizen in den Palästinenserlagern im Südlibanon ein Blutbad an, das selbst aus dem Wahnsinn des libanesischen Bürgerkries heraussticht. Mindestens mehrere hundert Palästinenser, darunter Alte, Frauen und Kinder wurden von den bis an die Zähne bewaffneten Kämpfern regelrecht abgeschlachtet - unter den Augen der israelischen Armee.

Die Männer der Kataib berichten in der Dokumentation freimütg von ihren Taten: Wie sie Kinder ermordeten, weil sie „irgendwann erwachsen und dann zu Feinden geworden wären“, wie sie Menschen mit dem Messer langsam aufschlitzten, weil dann „das Opfer den Tod erst richtig spüre“. Während die Kämpfer von ihren Taten berichten, umkreist die ewig wackelnde Handkamera ihre schwitzenden Körper. Die Gesichter bleiben dunkel. Ab und zu rollen sie Scharzweißfotgrafien auf und zeichnen Lagepläne des Massakers mit Edding auf große weiße Folien. Die Kämpfer sitzen in kargen Räumen ohne Möbel, doch die Leere des Ortes bringt nicht den gewünschten Kontrast zur Brutalität ihrer Berichte. Die zwanghaft künstliche Inszenierung ist bald nur noch ärgerlich, und der Zuschauer fragt sich sich zunehmend: Warum dieser Film? Die Reaktion des Publikums ist verhalten, der Beifalll schwach. Nach kritischen Nachfragen an die Macher bestätigt sich ein schlimmer Verdacht: Die Regisseure wollen ganz naiv „die Motive der Täter“ erklären. Das Ziel wird konsequent verfehlt. Dass die immanente Beschäftigung mit Tätern nicht weiterführt, wenn man sich nur an ihren verschwommenen Erinnerungen abarbeitet, hat die dokumentarische Aufarbeitung des Nationalsozialismus schon oft erwiesen. Die freimütigen Geständnisse von schlichten SS-Leuten und KZ-Aufsehern alleine können nicht viel erklären.

Dass die Regisseure den Film in der anschließenden Diskussion trotzdem als Beitrag zur Untersuchung von „struktureller Gewalt“ verkaufen wollen ist skurril: Strukturen kommen nur am Rande vor, wenn die Kämpfer von Ausbildungslagern in Isral, von Propagandaschulung, Jugendverbänden und verordneten Drogenexzessen erzählen. Die Geschichte von Sabraa und Shatila selbst, von Opfern und Kontext, wird zur Fußnote der Gewalt. Das Massaker an den Palästinensern wird - trotz der Brutalität der Schilderungen - in den Narrativen der Milizionäre letztlich banalisiert, die Opfer kommen nicht vor.

Die hehren Ziele der Autoren sind gewiss: Die Aumaße des Massakers in Sabra und Shatila ins Bewustsein zu rücken. Aber der Film erreicht sein Ziel nicht. Eine Dokumentation, die sich dem Thema ganz konventionell nähert und Täterstimmen einflechtet, hätte das eher erreichen können. Die Kämpfer, so die Macher des Films, „hätten zum ersten Mal seit 1982 geredet“, was manchmal „wie eine Therapie“ gewirkt habe. Man hätte diese Therapie aber nicht filmen müssen.

13.02.05 23:17

Forum: Amu von Shonali Bose

Indien 2004 * Regie und Drehbuch: Shonali Bose * Kamera: Lourdes Ambrose * Darsteller: Konkona Sensharma, Brinda Karat, Ankur Khanna, Chaiti Gosh, Aparna Roy

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Jenseits von Bollywood

Bollywoodfilme haben in Deutschland längst ihren Markt erobert, auch auf der Berlinale läuft mit Veer-Zaara im Forum ein indisches 192-Minuten-Spektakel. Im Forum gibt es mit „Amu“ aber auch wieder einen sehr politischen indischen Film, der wie „Final Solution“ im letzten Jahr die ethnischen Spannungen des Landes thematisiert.

Der Film erzählt die Geschichte der 21-jährigen Kaju. Als Waise in Los Angeles aufgewachsen, reist Kaju nach Neu-Delhi, um die Familie ihrer Adoptivmutter zu besuchen - und um mehr über ihre eigene Herkunft zu erfahren. Dass bei einer Malariaepedemie 1984 das ganze Dorf ihrer Eltern umgekommen ist, gehört zu den wenigen Information, die sie hat. Während Kaju als Fremde nach Indien kommt, wird bald klar, dass dunkle Erinnerungen an die Heimat ihrer Kindheit wiederkehren. Der Student Kabir verliebt sich in Kaju, begegnet ihr aber zunächst unterkühlt. Er wirft ihr vor, mit der Videokamera folkoristische Bilder in den Slums von Neu-Delhi zu suchen. Aber als er begreift, dass Kaju dort auf der Suche nach ihrer eigenen Geschichte ist und er vom Tod ihrer Eltern erfährt, ändert sich das Verhältnis. Gemeinsam versuchen sie, dass Schicksal von Kajus Eltern zu ergründen und stoßen dabei auf die politischen Ereignisse des Jahres 1984: Die Unruhen nach der Ermordung Indhira Ghandis, bei denen mit Billigung der Hindu-Regierung tausende von Sikhs ermordet wurden. Es stellt sich heraus, dass auch Kajus Eltern nicht einer Epedemie, sondern dem Massaker an den Sikhs zum Opfer gefallen sind. Kaju - eigentlich Amrit („Amu“) - hat das Massaker als Kleinkind überlebt.

Die Geschichte von Kaju beruht - so der Abspann - auf einer realen Geschichte. Die 40jährige Rgisseurin Shonali Bose pendelt als politische Aktivistin zwischen Amerkia und Indien und hat ihr Studium an der UCLA absolviert; genauso wie ihre Protagonistin. Dem insgesamt sehenswerten Film tut soviel Realimus nicht gut. Zu gewollt steuert die Story auf Boses zenrales politisches Anliegen zu: Die Thematisierung des Massakers an den Sikhs. Der religiösen Gemeinschaft gehören 2% der indischen Gesellschaft an. Nach dem Mord an Indira Ghandi durch Sikhs, rächen sich die Hindus mit der pogromartigen Ermordung von über 5000 Angehörigen der Minderheit. Damit nimmt sich Bose einem dunklen Thema an, dass in Indien immer noch weitgehend verschwiegen wird. Eine Dokumentation mit Spielfilmanleihen hätte dies vielleicht besser leisten können als ein Spielflim, der sich am Ende dokumentarisch gibt. So wirkt die recht konvetionell gestrickte Story letztlich ein wenig wie ein Anhängsel der politischen Kritik.

Ihn deshalb als Film „für falsche Freunde von Amesty International“ (http://www.perlentaucher.de/artikel/2177.html) zu bezeichnen, ist falscher Zynismus. Amu, Boses Spielfilmdebut, ist ein aufrichtiges und persönliches Statement. Neben Bollywood steht Shonali Bose mit ihrem Film für eine gradlinige politische Kritik, die im Forum ihren festen Platz hat - und das ist auch gut so!

Bevorstehende Festivals

Berlinale - Internationale Filmfestspiele Berlin

15.02.2024 - 25.02.2024

Berlin, Deutschland

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