Sao Paulo 2009: "Walachei" von Rejane Zilles

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Deutsche Siedlungsgebiete in Rio Grande do Sul/ Brasilien

Die sprichwörtliche Walachei liegt nicht nur in Rumänien, sondern auch in Südbrasilien. In abgelegenen Dörfern wie Frankenthal, Jammerthal und Bananenthal leben noch heute Nachfahren deutscher Einwanderer, die seit 1820 zu Tausenden dort hin auswanderten. Bis heute leben sie nicht viel anders als ihre Vorfahren: Täglich arbeiten sie auf dem Feld, stellen ihr eigene Butter her, backen Brot und schmieden Werkzeuge.

Manche der Alten fahren noch mit dem Ochengespann zur Arbeit. Sie sprechen noch heute eine deutsche Mundart, die für deutsche Ohren fremd klingt und nur schwer zu verstehen ist. Manch einem geht auch heute das Portugiesische alles andere als leicht von den Lippen. Dennoch sagen alle ohne zu zögern: Wir sind Brasilianer. Denn vom heutigen Deutschland wissen sie nichts. Aber auch in Brasilien sind sie bis heute weitgehend Fremde geblieben.

Aber das Leben in der Walachei entspricht auch nicht dem kitschig-folkloristischen Deutschlandbild wie es in Blumenau, der berühmtesten deutsch-brasilianischen Siedlung, gepflegt wird. Dort wird jedes Jahr ein großes Oktoberfest gefeiert, dass viele Touristen anzieht, welche die Klischees von Eisbein, Tirolerhut und deutschen Volkstänze lieben.

Der Film „Walachei“ zeigt dagegen eine ursprünglich lebende Gemeinschaft, die sich offensichtlich in ihrer Abgelegenheit und Einfachheit wohl fühlt. Die Regisseurin betrachtet die Protagonisten mit Sympathie - zeichnet aber kein romantisiertes Bild des Landlebens. Sie fragt immer wieder, ob das Leben denn nicht tödlich langweilig sei dort– sie selbst hat im Alter von 9 Jahren mit ihrer Familie die Walachei verlassen. Aber die meisten Menschen sind aufrichtig glücklich – wenn auch das Überleben mit der Landwirtschaft und einer kleinen Fabrik in der Nähe immer schwerer wird. Dennoch wollen viele hier nicht weg – um keinen Preis. Die deutsch-brasilianische Walachei ist eine vergessene, noch weitgehend unberührte Welt – wie lange sie noch so weiterbestehen wird ist ungewiss.

Der Film ruft eindrücklich in Erinnerung, dass Deutschland nicht nur ein Einwanderungsland ist – was der deutschen Mehrheitsgesellschaft in den letzten Jahren so schwer fiel zu akzeptieren. Sondern seit Jahrhunderten auch Auswanderungsland. Hier sind Nachfahren deutscher Einwanderer, die sich auch nach 180 Jahren noch schwer mit dem Portugiesischen tun und eine deutsch-brasilianisch Mischidentität haben. Wer vor diesem Hintergrund die deutschen Diskussionen um Migration und die Aufregung über Deutsch-Türken betrachtet, die 30-40 Jahre nach ihrer Einwanderung nur wenig Deutsch sprechen, wünscht sich, dass nur ein wenig der Erfahrungen dieser deutschen Auswanderer in Deutschland ankäme: Dass die vielbeschworene "Integration" alles andere als leicht ist; den Deutschen in der Walachei ist sie besonders schwer gefallen.

Kommentare ( 1 )

hab zufällig die tage gelesen, dass zwischen 1850 und 1914 fast 3 Millionen Deutsche das Land (das ja noch kein richtiges war, eher ein Sprachraum) verlassen haben...
Integration gelingt z.B. in den USA ja auch nicht durch Aufgabe der eigenen Kultur, ja nichtmal der eigenenen Sprache (wenn man an die Chinatowns denkt oder die hispanischen Viertel an der Westküste), sondern durch die Übernahme einer bestimmten Lebenseinstellung. Und DIE lässt so viele Einwanderer in den USA und offenber in Brasilien auch sagen, wir sind Amerikaner bzw. Brasilianer. In Deutschland gelingt das noch nicht mal mit der 3. Generation der Kinder. Warum nur?

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