Panorama: Massaker von Monika Borgmann, Lokman Slim, Hermann Theissen

Deutschland, Libanon, Schweiz 2004 * Regie: Monika Borgmann, Lokman Slim, Hermann Theissen

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Bilder, die der Film nicht zeigt: Palästinensische Überlebende in Shatila, Südlibanon 1982

Hehre Ziele, leerer Film: Narrative der Gewalt in einer Dokumentation ohne Struktur

Der Inhalt der Dokumentation „Massaker“ lässt sich erschreckend knapp zusammenfassen: Einige junge Männer berichten über ihre brutalen Taten während des Massakers an Palästinensern im Libanon 1982. Punkt.

„Sabra und Shatila“, der Ort des Verbrechens steht für die entfesselte Brutalität des Bürgerkriegs und ein furchtbares Verbrechen an den Plästinensern, dass mit Billigung der israelischen Besatzungsmacht verübt wurde. In den letzten Jahren stand vor allem die Rolle des damaligen Verteidigungsministers Ariel Sharon, dem eine israelische Untersuchungkommission „persönliche Verantwortung“ für das Verbrechen bescheinigte, im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Die Dokumentation beschränkt sich auf die Erzählungen von ehemaligen Angehörigen der „Kataib“ (Phalanx), der christlichen Milizen unter Kommando Pierre Gamayels. Nach der Ermordung Gamayels richten diese Milizen in den Palästinenserlagern im Südlibanon ein Blutbad an, das selbst aus dem Wahnsinn des libanesischen Bürgerkries heraussticht. Mindestens mehrere hundert Palästinenser, darunter Alte, Frauen und Kinder wurden von den bis an die Zähne bewaffneten Kämpfern regelrecht abgeschlachtet - unter den Augen der israelischen Armee.

Die Männer der Kataib berichten in der Dokumentation freimütg von ihren Taten: Wie sie Kinder ermordeten, weil sie „irgendwann erwachsen und dann zu Feinden geworden wären“, wie sie Menschen mit dem Messer langsam aufschlitzten, weil dann „das Opfer den Tod erst richtig spüre“. Während die Kämpfer von ihren Taten berichten, umkreist die ewig wackelnde Handkamera ihre schwitzenden Körper. Die Gesichter bleiben dunkel. Ab und zu rollen sie Scharzweißfotgrafien auf und zeichnen Lagepläne des Massakers mit Edding auf große weiße Folien. Die Kämpfer sitzen in kargen Räumen ohne Möbel, doch die Leere des Ortes bringt nicht den gewünschten Kontrast zur Brutalität ihrer Berichte. Die zwanghaft künstliche Inszenierung ist bald nur noch ärgerlich, und der Zuschauer fragt sich sich zunehmend: Warum dieser Film? Die Reaktion des Publikums ist verhalten, der Beifalll schwach. Nach kritischen Nachfragen an die Macher bestätigt sich ein schlimmer Verdacht: Die Regisseure wollen ganz naiv „die Motive der Täter“ erklären. Das Ziel wird konsequent verfehlt. Dass die immanente Beschäftigung mit Tätern nicht weiterführt, wenn man sich nur an ihren verschwommenen Erinnerungen abarbeitet, hat die dokumentarische Aufarbeitung des Nationalsozialismus schon oft erwiesen. Die freimütigen Geständnisse von schlichten SS-Leuten und KZ-Aufsehern alleine können nicht viel erklären.

Dass die Regisseure den Film in der anschließenden Diskussion trotzdem als Beitrag zur Untersuchung von „struktureller Gewalt“ verkaufen wollen ist skurril: Strukturen kommen nur am Rande vor, wenn die Kämpfer von Ausbildungslagern in Isral, von Propagandaschulung, Jugendverbänden und verordneten Drogenexzessen erzählen. Die Geschichte von Sabraa und Shatila selbst, von Opfern und Kontext, wird zur Fußnote der Gewalt. Das Massaker an den Palästinensern wird - trotz der Brutalität der Schilderungen - in den Narrativen der Milizionäre letztlich banalisiert, die Opfer kommen nicht vor.

Die hehren Ziele der Autoren sind gewiss: Die Aumaße des Massakers in Sabra und Shatila ins Bewustsein zu rücken. Aber der Film erreicht sein Ziel nicht. Eine Dokumentation, die sich dem Thema ganz konventionell nähert und Täterstimmen einflechtet, hätte das eher erreichen können. Die Kämpfer, so die Macher des Films, „hätten zum ersten Mal seit 1982 geredet“, was manchmal „wie eine Therapie“ gewirkt habe. Man hätte diese Therapie aber nicht filmen müssen.

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