Berlinale 2006

Was war da noch mal, im Jahr 2006? Richtig: Deutschland, ein Sommermärchen. Fußballweltmeisterschaft. Die Berlinale also ganz im Zeichen des bevorstehenden schwarz-rot-goldenen Fußballtaumels? Keineswegs. Festivaldirektor Kosslick ging in die Offensive und kündigte bei der Eröffnungspressekonferenz ein explizit politisches Festival an: „so politisch, grausam und unangenehm, wie die Weltlage nun einmal ist.“

Schließlich war 2006 noch kein Obama in Sicht, der Krieg im Irak auf einem blutigen Höhepunkt und Guantánamo wurde samt seinen Folterwerkzeugen von der US-Administration im „Krieg gegen den Terror“ verteidigt. Michael Winterbottom thematisierte in The Road to Guantánamo anhand traumatisierter ehemaliger Gefangener eindrucksvoll dieses staatlich sanktionierte Menschenrechtsverbrechen und bekam dafür den silbernen Bären für die beste Regie. Der kritische Polit-Thriller Syriana lief außer Konkurrenz und wurde von George Clooney persönlich vorgestellt.

Und selbst die Fußballfilme waren 2006 politisch: Der großartige Film Offside von Jafar Panahi führt die Schikanen der frauenfeindlichen iranischen Diktatur ad absurdum, zu denen auch striktes „Stadionverbot“ zählt; und zeigt mutige Frauen, die sich darüber hinwegsetzen – ein Vorbote der heutigen Proteste im Iran. Auch der Goldene Bär ging also fast selbstverständlich an einen starken politischen Film, der die Vergewaltigungen im Jugoslawienkrieg thematisiert: Esmas Geheimnis – Grbavica von Jasmila Žbanić. Politik und Frauenpower, symbolisiert auch von Jurypräsidentin Charlotte Rampling, das ging 2006 hervorragend zusammen. Endlich, so die Bilanz, wieder gesellschaftlich relevantes Kino. Dazu passend feierte der schwul-lesbische Teddy-Award bereits sein 20-jähriges Jubiläum.

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