Blog-Artikel von Andreas Tai

28.10.23 15:50

Hofer Filmtage 2023: Publikumsgespräch Maria Schrader

schrader_1_2_klein.jpg

Die Hofer Filmtage zehren auch aus Ihrer Vergangenheit. Einige der bekanntesten deutschen Filmregisseur:innen haben in Hof ihre ersten Gehversuche gemacht und sind so dem Filmfest tief verbunden. Auch Maria Schrader war ganz am Anfang ihrer Karriere in Hof. 1988, vor 35 Jahren, stellte sie zusammen mit ihrem damaligen Partner Daniel Levy ROBBYKALLEPAUL vor. Levy führte damals zwar die Regie, aber Schrader war weit mehr als nur als Schauspielerin am Film beteiligt.

2023 haben die Hofer Filmtage Maria Schrader nun eine Retrospektive gewidmet. Die Schauspielerin und Regisseurin ist dem Ruf gefolgt und ist nach Oberfranken gekommen. Sie hat Zeit mitgebracht, steht geduldig Rede und Antwort. So auch bei dem Talk in dem Festivalzentrum der Filmtage, der Bürgergesellschaft. Sehr offen und zugewandt erzählte sie von den Anfängen mit Levy und ihrer erster Regiearbeit LIEBESLEBEN. Sie verschwieg dabei nicht, dass die Dreharbeiten sehr schwierig waren, weil sich die Schauspieler:inen ihren Anweisungen und Vorstellungen zur filmischen Umsetzung des erfolgreichen Romans von Zeruya Shalev widersetzten.

Nach dem Talk musste Schrader gleich weiter in das Hofer Kino Central. Da lief parallel zu dem Talk ihre Regiearbeit ICH BIN DEIN MENSCH und Schrader läßt es sich nicht nehmen, im Anschluss an viele Vorführungen ihrer Werke ein Publikumsgespräch zu führen. Auch auf dem Weg dorthin wirkt sie nicht gehetzt, sondern bleibt noch kurz stehen, um in der Hofer Fußgängerzone mit einem bereits etwas älteren Kinoliebhaber ein Schwätzchen zu halten.

Hofer Filmtage 2023: Das Markenzeichen

Besitzer oder Bedienung in der Hofer Bratwurstbude im Hintergrund Autogrammkarten unterschiedlicher Filmstars und Filmplakate

Jedes Mal, wenn man in Hof ist, muss man sie essen und jedes mal, muss man auch über sie schreiben: die Filmtage-Bratwurst. Ich kenne eigentlich kein anderes Festival, dass so einen Signatur Dish hat wie die Internationalen Hofer Filmtage. Die Bratwurst drückt so viel aus, was die Filmtage auszeichnet: das Bodenständige, das Familiäre, kein Schnick-Schnack und Schicki-Micki auf dem roten Teppich.....einfach ein ehrlicher und gleichbleibend guter Genuss.

Hofer Bratwurst in der Hand

21.10.23 16:33

Hofer Filmtage 2023

Am Dienstag den 24.10. starten wieder die legendären Hofer Filmtage. Seit 1967 hat das Filmfestival in der mit 46.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Oberfrankens treue Fans. In einer einzigartigen familiären Atmosphäre werden an 6 Tagen in zwei Kinos 130 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme gezeigt. Eröffnet wird das Festival mit 15 JAHRE von Chris Kraus. Es ist die Fortsetzung seines sehr erfolgreichen und vielfach ausgezeichneten Films 4 MINUTEN aus dem Jahre 2006. Die Rolle der Klavierspielerin Jenny von Loeben übernimmt wieder Hannah Herzsprung, die mit 4 MINUTEN ihren Durchbruch hatte. Besonders erwähnenswert ist dieses Jahr die Retrospektive, die der Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader gewidmet ist.

Die Filmtage vor Ort laufen bis zum 28.10. Parallel ist aber auch ein Großteil der Festivalfilme On Demand abrufbar und hier endet das Festival erst am 5. November.

01.10.23 13:46

SSIFF 2023: Preise des Offiziellen Wettbewerbs

Gestern Abend wurden auf der Abschluss-Gala des Filmfestivals in San Sebastian die Preise im Offiziellen Wettbewerb vergeben. Bei vielen Festivals sind Namen und Form der Preise eng verbunden mit der Identität der gastgebenden Stadt. In der Küstenstadt San Sebastian sind es Muscheln.

Filmstill, eine Frau steht auf einem Feld und schaut sich um

Die Goldene Muschel (Concha de Oro) für den besten Film gewann O CORNO (The Rye Horn) der spanischen Regisseurin Jaione Camborda. Camborda stammt selbst aus San Sebastian und hat u.a. an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München studiert. O CORNO spielt in Galizien in den 70ger Jahren. Aufgrund eines tragischen Ereignisses ist die Muschel-Fischerin und Gelegenheits-Hebamme Maria gezwungen, von der Insel Illa de Arousa zu fliehen, und überquert auf alten Schmuggler-Routen die Grenze zwischen Spanien und Portugal.


Ein alter Mann mit Schirmmütze sitzt in einem Bus und schaut aus dem Fenster. Neben Ihm sitzt eine Frau

© 2023 Being Film and Art

Zumindest aus meiner Sicht überraschend ist der Regiepreis. Das Regie-Duo Tzu-Hui Peng und Ping-Wen Wang bekam die Silberne Muschel von Jury-Mitglied Christian Petzold für CHUN XING (A journey in spring). CHUN XING ist ihr erster Langfilm und erfordert mit seiner sehr zurückgenommenen und langsamen Erzählweise einiges an Geduld von der Zuschauer:in. Peng und Wang beobachten wie der meist übel gelaunte Misanthrop Khim-Hok erst durch den Tod seiner Frau langsam eine emotionale Beziehung zu seiner tatsächlichen inneren und äußeren Situation aufbauen kann.

premiere_great_abscense-klein.jpg
(von links nach rechts) Regisseur Kei Chika-Ura mit Tatsuya Fuji mit Festivaldirektor José Luis Rebordinos vor der Premiere von GREAT ABSCENCE

Sehr bewegend war die Übergabe des Preises für den besten Darsteller, der ex-aequo vergeben wurde. Der Preis ging zu einem an Marcelo Subiotto für seine Darstellung des Philosophieprofessor Marcelo Pena im argentinischen Wettbewerbsbeitrag PUAN (siehe festivalblog-Kritik). Zum anderen wurde der Preis an Tatsuya Fuji verliehen. Er spielt in dem bewegenden japanischen Film GREAT ABSCENCE (siehe festivalblog-Kritik) von Kei Chika-Ura den an Demenz erkrankten Yohji.

Tatsuya Fuji ist alles andere als ein Unbekannter. Er hat vor fast 50 Jahren die Hauptrolle in AI NO KORIDA (Im Reich der Sinne) von Nagisa Oshima gespielt (siehe festivalblog-Kritik). Der Film hatte damals u.a. auch auf der Berlinale wegen seiner expliziten Sex-Szenen für einen Skandal gesorgt. Tatsuya Fuji war bei Übergabe des Preises in San Sebastian sichtlich gerührt. Dankbar erzählte er von dem Moment, als nach der Premiere von GREAT ABSSENCE das Licht im Kino des Kursaals anging und die Menschen sich zu langanhaltenden Standing Ovations erhoben. Ich saß bei der Premiere nur zwei Reihen unter Tatsuya Fuji und Regisseur Kei Chika-Ura. Es war sehr bewegend zu sehen, wie fassungslos beide über diese Zuneigung des Kinopublikums waren.

Sehr abgeklärt und scherzend dankte dagegen der spanische Darsteller Hovik Keuchkerian für die Concha de plata a la mejor interpretación de reparto (Beste Nebendarsteller:in). Der ehemalige Profiboxer bekam den Preis für seine Rolle des Andreas im neuen Film von Isabel Coixet, UN AMOR (siehe festivalblog-Kritik). In seiner lakonischen Art auf der Bühne der Abschlussgala war eine Ähnlichkeit des Schauspielers mit der wortkargen Figur des Andreas durchaus zu erkennen.

Hovik Keuchkerian
Hovik Keuchkerian auf der Pressekonferenz von Un Amor beim SSIFF 2023

Mit Muscheln schmücken konnten sich auch María Alché und Benjamín Naishta, die für das Drehbuch von PUAN
ausgezeichnet wurden, sowie Nadim Carlsen, den Preis für die Kamera-Arbeit in KALAK bekam.

puan filmstill
Filmstill aus Puan

30.09.23 11:46

Erste Preise SSIFF 2023

Filmstill aus LA SOCIEDAD DE LA NIEVE
Filmstill aus LA SOCIEDAD DE LA NIEVE

Die ersten Preise auf dem SSIFF stehen bereits fest. Das Publikum hat den spanischen Film LA SOCIEDAD DE LA NIEVE (Society of the snow) von J.A. Bayona als besten Film ausgewählt. Ein weiteren Publikumspreis gibt es für den besten "europäischen Film". Diesen bekommt IO CAPITANO (I'm captain') von Matteo Garrone. Der TCM Youth Award geht an LA ESTRELLA AZUL (The blue star) von Javier Macipe. Die Filmkriter:innen haben aus den Wettbewerbsfilmen FINGERNAILS von Christos Nikou ausgewählt und ihm den FIPRESCI Preis verliehen.

Die Hauptpreise, Goldene Muschel für den besten Film (Concha de Oro), die Silberne Muscheln (Conchas de Plata) für die beste Regie, die beste Hauptdarsteller:in, die beste Nebendarsteller:in, die beste Kamera und und das beste Drehbuch werden heute Abend (Samstag, 30.09.2023) auf der Gala im Kursaal 1 vergeben. Das Fest schließt mit dem biographischen Film über Samuel Beckett DANCE FIRST von James Marsch.

28.09.23 13:30

SSIFF 2023: MEMORY von Michel Franco

Jessica Chastain und Michel Franco auf einer Loge des Theaters im Scheinwerferlicht, nach der Filmvorführung
Jessica Chastain und Michel Franco nach der Filmvorführung

In San Sebastian ist man nicht nur dem Meer, sondern auch den Sternen sehr nah. Als einer der wenigen US-Filmstars ist Jessica Chastain zusammen mit dem mexikanischen Regisseur Michel Franco zum Filmfestival an die baskische Atlantikküste gekommen. Zusammen stellten sie ihren Film MEMORY vor, der erst kürzlich in Venedig seine Premiere hatte. Franco und Chastain gaben zwar keine Pressekonferenz.

Zuschauer:innen halten ihre Smartphones hoch um zu fotografieren

Dafür suchte Chastain bei der Vorstellung im Teatro Victoria Eugenia die Nähe des Publikums. Sie nahm sich Zeit für Selfies, stellte sich geduldig einem Meer an Smartphonekameras und freute sich gemeinsam mit Franco vor und nach der Vorstellung über Jubelrufe und Applaus der dankbaren Zuschauer:innen im ehrwürdigen Theatersaal.

Chastain und Franco kommen auf die Bühne

Chastain und Franco kommen auf der Bühne

MEMORY konnte als US-amerikanische Ko-Produktion wegen des gerade erst beendeten „Writer-Strike“ überhaupt erst in das Programm des Festivals aufgenommen werden, weil es eine Independent-Produktion ist. Hier waren die Gewerkschaften nachsichtiger. Sie wissen, wie wichtig Publicity für Filme wie MEMORY ist. Zwar kann Francos Film neben Chastain in der weiteren Hauptrolle mit Peter Saarsgard aufwarten, der in Venedig den Preis für den besten Hauptdarsteller gewonnen hat. Doch der Film ist alles andere als Entertainment. Franco nimmt sich Zeit, nutzt die Dramatik im Leben der Hauptfiguren Sylvia und Saul nicht für packende Spannungsbögen, sondern hält den Film in einer gleichmäßigen Low Profile Stimmung. Dinge werden nicht auf die lange Plot-Bank geschoben, sondern so an- und ausgesprochen, wie sie sind.

Franco behandelt schwere gesellschaftliche Themen: Alkoholismus, Demenz und Inklusion, um nur einige zu nennen. Aber die sich zärtlich entwickelnde Beziehung zwischen Sylvia und Saul sowie die beeindruckende Unmittelbarkeit, mit der Franco getragen von einem wundervollen Cast Situationen zwischenmenschlicher Nähe und teilenden Konfliktes in den Zuschauerraum bringt, binden diese Themen.

Sylvia und Saul sitzen auf einem Baumstamm und schauen sich an

Am Ende liefert MEMORY etwas, was wir im Moment glaube ich alle gut gebrauchen können: ein berührend unaufgeregtes Plädoyers für den Anspruch auf ein wenig Glück, egal was für ein Mist in Vergangenheit und Gegenwart passiert ist.

27.09.23 19:39

SSIFF 2023: THE SUCCESSOR von Xavier Legrand

legrand1.jpg

Das Publikum in San Sebastian ist einfach begeisterungsfähig, auch bei Filmen, die quer zu jeder Erwartungshaltung liegen wie THE SUCCESSOR von Xavier Legrand. Wie ein Spalier steht das Publikum nach der Vorstellung in der Eingangshalle des Kursaals und hört nicht auf zu klatschen. Eine Regisseur:in, die hier mit ihrem Film Premiere feiert, fällt in ein Bad von Wohlwollen und offenen Armen. Die malerische Kulisse mit Sonne, Strand und Meer tut ihr übriges. Auch ich kann nicht verhehlen, dass ich sehr erleichtert bin, als ich nach der Vorstellung durch das Fenster des Kursaals die Weite des Meers sehen kann und mich, als ich nach draußen trete, die Sonnenstrahlen treffen. Legrands Film hat den Kinosaal noch dunkler gemacht, als er ohnehin schon ist.

Viel möchte ich über den Film kurz nach seiner Premiere nicht schreiben. Es ist nicht so, dass der Film nichts hergeben würde. Aber er lebt davon, das die Kinozuschauer:in einen ganz anderen Film erwartet und sich dann 15 Minuten nach Start des Filmes, neu zurecht finden muss. Das bringt sie in die gleiche Situation wie die Hauptfigur Ellias Barnes, einen Modeschöpfer aus Paris. Der hat gerade seine neue Modekollektion vorgestellt und alle sind begeistert. Doch plötzlich muss er wegen einer Familienangelegenheit nach Kanada in seine Heimatstadt Quebec. Dort merkt er, dass die Herzschmerzen, die er seit einigen Jahren spürt, nicht sein größtes Problem sind.

Wer (wie ich) naiverweise einen Film über die Modewelt erwartet, der sei gewarnt: damit liegt man komplett falsch. Es geht um Wendepunkte im Leben, die eintreten, wenn man völlig unvorbereitet in eine neue Situation gestellt wird, und vielleicht auch darum, wie wenig man seinem Schicksal, insbesondere seiner Familie, entkommen kann.

Kinozuschauer:innen, die eine gute Portion Suspense vertragen können und sich gerne überraschen lassen, werden sicherlich Gefallen an THE SUCCESSOR finden. Sie sollten bloß vorher keine Filmkritiken wie diese lesen.

SSIFF 2023: UN AMOR von Isabel Coixet

Andreas zieht Nat an sich heran, um sie zu küssen

Vielleicht ist es der Widerwille, der UN AMOR interessant machen wird. Ich bin mir noch nicht sicher. Ich jedenfalls möchte nicht an die Liebe zwischen der jungen Nat und dem viel älteren, bulligen und behaarten Andreas, den alle nur "El Aleman" nennen, glauben. Aber die Geschichte funktioniert und daraus entsteht eine Spannung.

Nat (Laia Costa) zieht auf das Land, weil sie emotional mit Ihrer Arbeit als Übersetzerin der grausamen Erlebnisse von Flüchtlingsfrauen nicht mehr klarkommt. Erst nach Einzug in ein Landhaus merkt sie, was für eine Bruchbude sie gemietet hat. Es regnet durch und sie kommt kaum hinterher das aufgefangene Wasser kübelweise hinauszutragen. Für eine Reparatur hat Nat kein Geld. Als ihr der Nachbar Andreas (Hovik Keuchkerian) anbietet, das Dach zu reparieren, und als Gegenleistung mit Ihr schlafen will, weist Sie ihn ab, um später aber doch auf sein Angebot einzugehen.

Wenn es dann passiert, ist die Darstellung des Aktes nur schwer zu ertragen. Auch wenn Nat es fast teilnahmslos über sich ergehen lässt, ist es ein Akt gewaltsamer Inbesitznahme und das sexuelle Ausbeuten einer ökonomischen Notsituation. Dass sich Nat daraufhin dann auch noch in „El Aleman“ verliebt, ist vielleicht noch schwerer zu ertragen.

Auf der anderen Seite sind nicht nur Nat und Andreas, sondern auch die Nebenfiguren psychologisch sehr gut getroffen. Daher ist es nicht unverständlich, wenn auf der Pressekonferenz Isabel Coixet ihre Hauptfigur Andreas als einer der Guten verteidigt, während das Böse eher auf Seiten des Nachbarpärchens mit Kindern (Ingrid Garcia Jonsson und Francesco Carril) und beim zudringlichen Nachbarn und Möchtegern-Künstler Peter (Hugo Silva) zu finden ist. Andreas sei im Gegensatz zu ihnen sehr ehrlich in allem, was er tue.

Isabel Coixet
Isabel Coixet auf der Pressekonferenz auf dem Filmfestival in San Sebastian 2023

Eine wichtige Rolle in der wichtigen Schlussszene nimmt ein deutsches Lied ein. Warum dieses Lied trotz der Bedeutung des Liedtextes für die Interpretation des ganzen Filmes nicht untertitelt wird, bleibt ein Geheimnis der Regisseurin, denn kurz bevor ich die Frage stellen will, wird die Pressekonferenz beendet.

26.09.23 18:23

SSIFF 2023: Filmgespräch mit Christian Petzold

Christian Petzold und Moderatorin des Filmgesprächs

Ich könnte nur dasitzen und zuhören. Mindestens für die Dauer eines Kinofilms. Wenn Christian Petzold wieder einmal auf einer Berlinale-Pressekonferenz seinen neuesten Film vorstellt und seine Geschichten und Assoziationen Funken schlagen, erliegt man leicht der Faszination dieses "eins sein" zwischen dem, was er sagt, und dem, was er als Filmemacher macht. Es ist ein Strom von Energie, aus dem dann Filme wie UNDINE, YELLA oder ROTER HIMMEL entstehen. Wenn Petzold seine Geschichten dazu auch noch zu Ende erzählen kann, wie beim Filmgespräch vor Filmstudent:innen in San Sebastian, dann ist die Wirkung noch stärker.

Blick aus dem Publikum auf das Filmgespräch mit Christian Petzold

Das Filmgespräch mit dem deutschen Regisseur lief beim diesjährigen San Sebastian Filmfestival im Rahmen der Sektion NEST, ein Wettbewerb mit Kurzfilmen von Student:innen verschiedener Filmhochschulen. Petzold macht gleich zu Beginn klar, was er von Kurzfilmen hält: gar nichts. Er hasst sogar Kurzfilme. In Kurzfilmen gehe es immer darum, einen Clou, einen Witz in eine komprimierte Form zu bringen und dann könne man mit dem Ergebnis um die ganze Welt von Festival zu Festival reisen und Pintxos essen. Dies sei aber nicht der Sinn des Filmemachens.

In seiner Zeit als Student an der DFFB in Berlin galt er lange Zeit als Versager, weil er drei Jahre lang keine Filme gedreht habe. Er wollte einfach keine Kurzfilme machen. Stattdessen habe er sich an der DFFB mit damaligen Kommilitonen wie Thomas Arslan am Schneidetisch durch die Meisterwerke der Filmgeschichte gearbeitet, um Einstellung für Einstellung zu verstehen, wie diese funktionieren.

In der Kürze der Zeit versucht Petzold, den Filmstudent:innen einen Einblick in seinen Schaffensprozess zu geben. Er beginne immer mit einer Kurzgeschichte. Diese sei nur 16-18 Seiten lang. Sie fasse die Filmidee zusammen, so als ob man nach einem Kinobesuch versuche, jemand anderes den Inhalt des Films nachzuerzählen. Diese Geschichte bespreche er dann mit Freunden und Kollegen, oft auch den Schauspieler:innen, die eine Rolle in dem zukünftigen Film übernehmen sollen. Danach gehe es sehr schnell und er schreibe das fertige Drehbuch manchmal in 2-3 Wochen.

Bei den Proben, ist es Petzold auch wichtig, dass er mit den Schauspieler:innen zu den Drehorten fährt, bevor diese von Produktionsteam und Blockern in einem quasi imperialen Akt abgesperrt werden und die Öffentlichkeit draußen bleibe. Die Schauspieler:innen müssten vorher die Geräusche und Gerüche der Orte in sich aufnehmen. In den Wochen bis zu dem Drehbeginn mache dies etwas mit Ihnen.

Sehr kritisch äußert sich Petzold in Bezug auf das Auftreten einiger US-amerikanischer Kollegen. Ein bekannter US-Regisseur sei z.B. neulich bei einer ähnlichen Nachwuchsveranstaltung wie Tom Cruise in MAGNOLIA auf der Bühne auf und ab getigert und habe dann Weisheiten wie "Ihr müsst immer in der Mitte des Flusses schwimmen" von sich gegeben. Solche Plattitüden brauche kein Mensch.

Petzold muss dann schnell weiter. Er ist dieses Jahr Mitglied der Wettbewerbs-Jury von San Sebastian und das nächste Jurorengespräch wartet bereits auf ihn. Vorher gibt er aber noch eine Einschätzung zum derzeitigen Stand des Kinos ab, die ich gut nachvollziehen kann. Er habe in letzter Zeit eine Abneigung gegen das Art-House Kino entwickelt, das derzeit von Problemfilmen dominiert würde. Diese würden dann von Festival zu Festival gereicht, liefen aber nicht mehr im Kino. Was dagegen fehle ist das Genrekino. In welchem Film werde heute noch eine Bank überfallen?

24.09.23 19:42

San Sebastian Filmfestival 2023

ssif_01.jpg

Nach vielen Jahren kehrt festivalblog wieder an seine Ursprünge zurück. Das San Sebastian Filmfestival von 2004 war die Geburtsstunde von festivalblog. Begeistert wurden damals Filme von Woody Allen (MELINDA AND MELINDA), Oliver Stone (LOOKING FOR FIDEL) und Michael Winterbottom (NINE SONGS) besprochen. Gekommen waren auch John Sayles, Jeff Bridges und Pedro Almodovar. Mich hat von Anfang an beeindruckt, wie nah man den Menschen hinter den Filmen kommt.

Nach fast 20 Jahren hat sich einiges verändert, aber das Liebenswerte an diesem Festival ist nie verloren gegangen. Natürlich ist es zunächst einmal die Stadt selbst. San Sebastian ist für mich eine der schönsten Städte der Welt. Durch die Stadt ist das Filmfestival von San Sebastian so eng mit dem Meer verbunden wie vielleicht kein anderes Festival. Es ist aber auch die Liebe der Bewohner von Donostia (der baskische Name von San Sebastian) zu ihrem Festival und dem Film selbst. Es war ein überwältigendes und berührendes Erlebnis gleich in meiner ersten Vorstellung in einem ausverkauften Kursaal zu sitzen und beim Trailer fängt das Publikum aus Begeisterung und Solidarität an, rhythmisch zu klatschen. Nach der Vorstellung wurde dann der Regisseur gefeiert, wie ich es selten erlebt habe (in diesem Fall Christos Nikou für FINGERNAILS).

Wie Venedig hat auch das Programm in San Sebastian durch den „Writer-Strike“ zurzeit wenig Hollywoodprominenz aufzubieten. Selbst bei einer US-Independent Produktion wie EX-HUSBANDS mussten sich die Schauspieler bei ihren Gewerkschaften erkundigen, ob es OK ist, nach San Sebastian zu kommen. Das erschwert zusätzlich den Kampf eines Filmfestivals wie San Sebastian um Aufmerksamkeit. Doch auch in diesem Jahr finden sich bekannte Namen nicht nur im Programm, sondern auch in der Jury. Den Vorsitz hat Claire Denis und aus Deutschland ist kein Geringerer als Christian Petzold mit dabei.

06.06.23 17:46

Filmfest München 2023: Weltpremieren

Das Filmfest München versteht sich als eines der größten Sommerfilmfestivals Europas und ist sich seiner Verantwortung für die Filmkunst sehr bewußt.

"Independent-Produktionen haben es heute schwerer denn je. Wirtschaftskrise, Kinokrise, Kulturkrise. Da spielen Festivals erneut eine zunehmend zentralere Rolle in der Verwertungskette der Filme.", sagt der künstlerischer Leiter des FILMFEST Christoph Gröner.

Folgenden internationalen Filmen möchte das Filmfest daher eine Startrampe bauen:


  • UKI von Shu Lea Cheang

  • A RESPECTABLE WOMAN von Bernard Émond

  • SWEET SUE von Leo Leigh

  • THE EDGE OF THE BLADE von Vincent Perez

  • THE RETURN FROM THE OTHER PLANET von Assaf Lapid

  • EDGE OF EVERYTHING VON SOPHIA SABELLA und Pablo Feldman

04.06.23 11:59

Filmfest München 2023: CineMerit Award für Barbara Sukowa

Porträt Barbara Sukowa
Paprika Films, CC BY-SA 4.0

Dieses Jahr verleiht das FILMFEST MÜNCHEN den CineMerit Award für Verdienste um die Filmkunst an die Schauspielerin Barbara Sukowa. Im Rahmen der Preisverleihung wird Sukowas neuester Film DALÍLAND gezeigt. Barbara Sukowa verkörpert in dem Film Salvador Dalís Gattin Gala Éluard.

Als Filmschauspielerin ist Barbara Sukowa Anfang der Achtziger durch BERLIN ALEXANDERPLATZ und LOLA von Rainer Werner Fassbinder bekannt geworden. 1986 bekam sie in Cannes die Goldene Palme als Hauptdarstellerin in Margarethe von Trottas ROSA LUXEMBURG.

02.06.23 11:39

THE PERSIAN VERSION eröffnet das Filmfest München 2023

Filmstill
Copyright FILMFEST MÃœNCHEN

Das FILMFEST MÜNCHEN wird heuer mit dem Spielfilm THE PERSIAN VERSION von Maryam Keshavarz eröffnet. Der Auftaktfilm folgt Leila und ihren iranischen Eltern, die in den 1960er Jahren in die USA ausgewandert sind. Dabei sitzt Leila zwischen den Stühlen und versucht, eine Gradwanderung zwischen den gegensätzlichen Kulturen zu meistern. THE PERSIAN VERSION ist der dritte Spielfilm der US-amerikanischen Regisseurin.

30.05.23 18:06

Zuschaueranstieg beim DOK.fest München 2023

Das DOK.fest München Team konnte im Jahr 2023 einen deutlichen Anstieg der Zuschauerzahlen verzeichnen. Die duale Strategie des Festivals hat sich erneut bewährt, da die Festival-Filme nicht nur in den wunderbaren Münchner Kinos, sondern auch online zu sehen waren. Insgesamt haben 21.000 Besucher:innen das Online-Angebot genutzt, während 35.000 Zuschauer:innen das Festival vor Ort besuchten. Dadurch erreichte das Festival eine Gesamtbesucherzahl von 56.000 Besucher:innen, was einem Anstieg von fast 10.000 im Vergleich zu 2022 entspricht.

19.05.23 20:57

PREISE DOK.Fest München 2023

VIKTOR DOK.international Main Competition

THEATRE OF VIOLENCE von Lukasz Konopa & Emil Langballe

Der ehemalige Kindersoldat Dominic Ongwen, der von der Lord's Resistance Army in Uganda entführt wurde, steht vor dem Internationalen Gerichtshof, um sich für seine Gräueltaten als Kommandant zu verantworten.

Begründung der Jury:„In ihrem sorgfältig konstruierten Film schaffen Emil Langballe und Lukasz Konopa mit jeder neuen Szene einen komplexeren Raum, in dem wir uns als Zuschauende immer neue Fragen stellen: nach dem Völkerrecht in einem postkolonialen Gefüge, nach den Herausforderungen, Gerechtigkeit zu üben, und gleichzeitig der Gefahr, alte Wunden wieder aufzureißen, nach Schuld, Vergebung und Aussöhnung."

VIKTOR DOK.deutsch Wettbewerb

GRETAS GEBURT von Katja Baumgarten

Eine Hebamme steht vor Gericht, angeklagt des Totschlags an einem leblos geborenen Mädchen namens Greta. Die ungewöhnlich schwere Anklage führt zu einer sorgfältigen Untersuchung des Falls.

Begründung der Jury:„Aus einer unprätentiösen, feministisch solidarischen Haltung heraus erzählt Katja Baumgarten die Biografie einer progressiven Hebamme und Ärztin, deren Leben durch das Gerichtsverfahren zum Albtraum wird. Mit GRETAS GEBURT gelingt der Filmemacherin ein essentieller Beitrag zu diesem hoch sensiblen Thema, der die gesellschaftliche Relevanz dokumentarischer Filmarbeit eindrucksvoll unter Beweis stellt.“

VIKTOR DOK.horizonte Competition – Cinema of Urgency

LE SPECTRE DE BOKO HARAM von Cyrielle Raingou

Im Norden Kameruns könnte eine unbeschwerte Kindheit aus Schule, Eselreiten und Hausaufgaben bestehen. Doch die Brüder Ibrahim und Mohammed unterhalten sich über das Aussehen über das Aussehen ihrer verstorbenen Mutter und das Mädchen Falta hat ihren Vater bei einem Terroranschlag verloren. Die Schule wird von bewaffneten Soldaten bewacht, da die Bedrohung durch Boko Haram ständig präsent ist.

Aus der Jurybegründung: „Cyrielle Raingou fängt in ihrem Debüt-Werk die verheerenden Auswirkungen des militärischen Konflikts mit der islamistischen Boko Haram in ihrem Heimatland Kamerun ein und verleiht dem Unaussprechlichen einen filmischen Ausdruck. Wir begleiten Raingous’ junge Protagonist*innen, wie sie in einer Welt groß werden, die geprägt ist von ständiger Gefahr – zugleich aber auch von Vertrauen, Zärtlichkeit und Gemeinschaft.“

FFF-Förderpreis Dokumentarfilm

SHE CHEF von Melanie Liebheit & Gereon Wetzel

Die junge Köchin Agnes durchläuft lehrreiche Wanderjahre in Europas Sternerestaurants. Sie überzeugt die Küchenchefs mit ihrem Können, aber der Druck ist enorm. Kann Agnes sich in dieser männerdominierten Branche behaupten und ihr Ziel erreichen, eine Chefin in ihrem eigenen Restaurant zu werden?

Aus der Jurybegründung: „Im Stile des Direct Cinema, immer nah an den Protagonist*innen, mit spannender, kurzweiliger Erzählhaltung und klarer Dramaturgie, führt Ko-Regisseurin Melanie Liebheit das Publikum hinter die Kulissen der ‚Haute Cuisine'.“

kinokino Publikumspreis, gestiftet von BR und 3sat

KRISTOS, THE LAST CHILD von Giulia Amati

Der 10-jährige Kristos ist das jüngste Mitglied einer kleinen Gemeinschaft von 30 Menschen auf der griechischen Insel Arki. Als einziger Grundschüler steht er vor einer wichtigen Entscheidung: Soll er auf ein weiterführendes Internat gehen oder, wie seine Brüder, Schafhirte werden?

VFF Dokumentarfilm-Produktionspreis

FÃœR IMMER von Pia Lenz, Produktion: Carsten Rau und Hauke Wendler (PIER 53 Filmproduktion)

Gibt es im 21. Jahrhundert so etwas wie "ewige Liebe"? Wenn man Eva und Dieter betrachtet, lautet die Antwort: Ja! Seit fast 70 Jahren sind sie ein Paar, haben gemeinsam Höhen und Tiefen durchlebt und dabei stets Respekt und Zuneigung füreinander bewahrt. Nun ist Eva erkrankt und es ist an der Zeit, auf ihre gemeinsame Vergangenheit zurückzublicken und sich gleichzeitig auf den nächsten Schritt vorzubereiten.

12.05.23 16:08

DOK.fest München 2023: Preisträger des DOK.forum

Am 7. Mai hat das DOK.forum seine vier Preise verliehen. Das DOK.forum ist die Branchenplattform des DOK.fest München.

DOK.ARCHIVE AWARD

BERLIN CHIC von Sigal Rosh und Michal Weits

filmstill
Quelle: DOK.fest München

Der DOK.archive Award ist ein Förderpreis für Dokumentarfilmprojekte, die lizensiertes Archivmaterial verwenden. Der Preis, der von British Pathé und DOK.forum gestiftet wird, besteht aus Archivmaterial im Wert von 15.000 Euro oder 2.500 Euro in bar. In diesem Jahr wurde das Projekt BERLIN CHIC von Regisseurin Sigal Rosh und Produzentin Michal Weits mit dem Preis ausgezeichnet. Der Film zeigt bisher ungesehenes Archivmaterial von jüdischen Künstlern und erzählt von ihrer bedeutenden Rolle in der Modewelt des frühen 20. Jahrhunderts sowie von ihrem Verschwinden und ihrer Vernichtung durch die Nationalsozialisten.

Aus der Jurybegründung: Im Jahr 1933 gab es 2.700 Marken in deutsch-jüdischem Besitz, 1939 waren es nur noch 120 in Deutschland. Mit einer Fülle von neuen Informationen und Archivbildern – Filmmaterial, Fotografien, Skizzen, Zeichnungen und Modemagazine – erweckte das Team die bunte Berliner Modeindustrie der 1920er und 30er Jahre zum Leben und zeigte auf, wie aus dem glamourösen "Babylon" Berlin ein modisches Hinterland wurde.

DOK.DIGITAL AWARD

TRUTH DETECTIVES von Anja Reiss und Raphael Perret

Filmstill
Quelle: DOK.fest München

Anja Reiss und Raphael Perret haben den DOK.digital-Preis 2023 gewonnen, der von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gestiftet wird. Der Preis würdigt innovative Projekte, die das dokumentarische Erzählen durch neue Methoden nachhaltig verändern. Reiss und Perret wurden für ihr Videogame TRUTH DETECTIVES ausgezeichnet. Das Spiel nutzt ungefiltertes Video- und Bildmaterial aus realen Kriegsgebieten, um Spielern beizubringen, wie man Wahrheit über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen aufdecken kann. Das Preisgeld beträgt 2.500 Euro und der Preis wurde bereits zum vierten Mal verliehen.

DOK.TALENT AWARD VOM HAUS DES DOKUMENTARFILMS

A SMALL MOMENT Daniela Magnani Hüller

Filmstill
Quelle: DOK.fest München

Studierende der Partnerhochschulen des DOK.fest München haben beim Pitchwettbewerb DOK.talent Award die Möglichkeit, ihre Projekte Branchenexperten vorzustellen und Feedback zu erhalten. Der Preis, der vom Haus des Dokumentarfilms Stuttgart gestiftet wird, ist mit 2.500 Euro Rechercheförderung dotiert und geht an das überzeugendste Projekt. Die elfköpfige Jury wählte in diesem Jahr A SMALL MOMENT von Regisseurin Daniela Magnani Hüller (HFF München) als Gewinner aus. Der autobiografische Film zeigt, wie kleine menschliche Gesten und Momente dabei helfen können, Traumata zu überwinden.

Aus der Jurybegründung: ,A Small Moment' von Daniela Magnani Hüller erzählt aus der Innenperspektive von all den kleinen, aber sehr bedeutsamen Momenten, die der Filmemacherin widerfahren sind, nachdem sie einen Mordversuch überlebt hat. Es gibt viele Filme, die aus der Perspektive des Täters erzählt werden, aber nur wenige, die von Überlebenden stammen. (...) Mutig, unverblümt und mit viel Herz spricht Daniela mit ihrem Film ein wichtiges gesellschaftliches Thema an: In Deutschland geschieht jeden dritten Tag ein Femizid. Vor allem aber beleuchtet der Film, wie das Handeln eines Einzelnen das Leben eines anderen Menschen entscheidend verändern kann.

DOK.COMPOSITION AWARD

HARVEST MOON - Zeina Azouqah

Filmstill
Quelle: DOK.fest München

Der DOK.composition-Förderpreis ehrt die Zusammenarbeit von Dokumentarfilmemachern und Komponisten. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis wird jährlich für das beste musikalische Konzept verliehen und von Sonoton Music gestiftet. Dieses Jahr gewann Zeina Azouqah den Preis für ihr musikalisches Konzept zu HARVEST MOON von Rama Ayasrat, einem Film über Aktivisten, die den Weizenanbau in Jordanien wiederbeleben wollen.

Aus der Jurybegründung:Die Jury findet den Ansatz überzeugend, arabische Tonsysteme mit temperierten, modernen Soundwelten zu kombinieren und authentische Instrumente zu verwenden. Der Filmstoff ist passend arrangiert, der Score passt bestens zum Ort des Geschehens. Die Geräusche des Sähens und Erntens werden stimmig integriert.


10.05.23 18:18

Leitungswechsel beim FILMFEST MÃœNCHEN

Diana Iljine

Diana Iljine gibt zum 1. Oktober 2023 auf eigenen Wunsch die Leitung des FILMFEST MÜNCHEN ab. Christoph Gröner wird voraussichtlich die Leitung für die Filmfeste 2024 und 2025 übernehmen. Für das Filmfest ab 2026 wird ein Findungsprozess gestartet.

06.05.23 23:58

Dok.fest München 2023: FÜR IMMER von Pia Lenz

Zwei Hände die ineinander greifen

"Das ist doch nicht Pistazie! Das schmeckt nach Haselnuss!" Eva nimmt einen weiteren Löffel von ihrem Eis. Nach einer Tretbootfahrt auf dem See, sitzt sie mit ihrem Mann Dieter auf einer Parkbank mit ihren großen Eisen, die unter einer großen Schicht Sahne erst geborgen werden müssen. "Probier doch mal", sagt Eva und schiebt Dieter einen Löffel Eis in den Mund. "Das ist Haselnuss", bestätigt Dieter. "Da muss sich die Verkäuferin wohl vertan haben."

Ein kleiner Moment, in dem sich eine über sieben Jahrzehnte gewachsene Vertrautheit widerspiegelt.

Pia Lenz Film zeigt aber mehr als den Alltag einer Ehe, in der auch das zunehmend aufeinander Angewiesensein die Bindung gestärkt hat. Sie bindet Fotos aus verschiedenen Lebensphasen von Eva und Dieter ein und lässt aus Evas Tagebüchern vorlesen, manchmal von Eva selbst, manchmal aus dem Off von der Schauspielerin Nina Hoss.

Eva und Dieter auf dem Balkon ihres Hauses

Die Rückschau öffnet die Geschichten hinter den Lichtreflexionen der Dinge. Ein Beispiel: das Haus von Eva und Dieter. Es ist ein großzügiges, durchdachtes Haus und liegt auf einem bewaldeten Grundstück in Hamburg Harburg. Durch die großen Fenster wird es mit Licht erfüllt. Was wir nicht sehen: das Haus brauchte 12 Jahre, um fertig gestellt zu werden. Dietmar ist von Beruf Architekt und nimmt alles sehr genau. Eva dagegen hält es nicht aus, wenn sie nicht Ordnung halten kann. Für sie war diese Phase der dauerhaften Unvollendetheit auch eine Leidenszeit.

Eva beim Schreiben

Viel Raum bekommt beim Blick zurück die Unzufriedenheit von Eva mit ihrer Rolle in der Ehe. Im Publikumsgespräch erfahren wir, dass Eva eigentlich Schauspielerin werden wollte. Im Film wird auch Evas Begeisterung für Kunst und Literatur sehr deutlich. Eine der ergreifendsten Szenen ist, wie Eva beim Vorlesen eines Gedichts von Ingeborg Bachmann überwältigt von der Schönheit in Tränen ausbricht. Aber Eva ist nicht Schauspielerin geworden, sondern Lehrerin. Wenn sie nicht gearbeitet hat, musste sie sich um Kinder und Haushalt kümmern. Viele der vorgelesenen Tagebucheinträge zeugen von ihrer Unerfülltheit. Sie verzweifelte an dem ihr zugewiesenen, begrenzten Spielfeld. Dieter nahm sich dagegen seine Freiheiten und gestaltete seine Rolle in der Familie nach seinem Gusto.

Eva und Dieter sind durch einige Stürme gegangen und mussten einen großen
Schicksalsschlag verkraften. Vielleicht gibt es aber genau deshalb diese bezaubernden Momente im Film, z.B. wenn Dieter am Silvesterabend eine Platte auflegt und beide für Ihr Alter sehr ausgelassen im Wohnzimmer tanzen.

Q&A nach dem Film
Moderatorin, Regisseurin Pia Lenz und Editorin Ulrike Tortora

Das Ende ist traurig. Aber es war absehbar und eigentlich auch der Ursprung von FÜR IMMER. Nachdem die Regisseurin Pia Lenz ihre Großeltern im Abschied begleitet hatte, wollte sie einen Film darüber machen. Da sie zunächst kein Ehepaar gefunden hatte, schaltete die Produktionsfirma Zeitungsannoncen. Darauf hatte sich die Tochter von Eva und Dietmar gemeldet. Eva war sofort von dem Filmprojekt begeistert. Ihr war es ein Anliegen, noch einmal Resümee zu ziehen. Lenz hat mit ihrem intimen, feinfühligen und berührenden Dokumentarfilm Eva sozusagen einen letzten Wunsch erfüllt und sie zur Hauptdarstellerin gemacht.

Dok.fest München 2023: BAGHDAD ON FIRE von Karra Al-Azzawi

Filmstill

Nach seinem aufwühlenden Debüt BAGHDAD ON FIRE beantwortete Regisseur Karra Al-Azzawi im Münchner Rio 2 engagiert und ausführlich die Fragen der Moderatorin Silvia Bauer und des Publikums. Sein Film begleitet die 19-jährige Tiba, die zusammen mit anderen jungen Iraker:innen der Gewalt durch Polizei, Militär und Milizen trotzt und auf dem Tahrir-Platz in Baghdad im Jahr 2019 für einen demokratischen Wandel protestierte.

Bild von Q&A
Regisseur Karra Al-Azzawi

Al-Azzawi war selbst Teil der revolutionären Jugendbewegung im Irak, musste jedoch bereits vor 2019 fliehen. Den Film musste er daher von seinem Zufluchtsland Norwegen aus organisieren. Während der Dreharbeiten stand er täglich mit der Film-Crew in Baghdad in Verbindung und besprach mit den Kolleg:innen den anstehenden Drehplan. Das Ergebnis ist ein sehr kraftvoller Film, der jedem, der sich einen unmittelbaren Eindruck von der jungen sozialen Bewegung im Irak verschaffen möchte, nur wärmstens empfohlen werden kann.

Der Film läuft noch:


  • MONTAG, 08.05.2023, 21:00, CITY 3 (In Anwesenheit des Regisseurs)

  • DONNERSTAG, 11.05.2023, 16:00, HFF - KINO 2

  • SAMSTAG, 13.05.2023, 20:30, GASTEIG HP8

Vom 8. - 21.5. ist der Film auch Online verfügbar.

05.05.23 18:53

Dok.Fest München 2023: PLAY WITH THE DEVIL – BECOMING ZEAL & ARDOR von Olivier Joliat und Matthias Will

Zeal and Ardor on Stage

Heute hatte im Münchner City 3 der unbedingt empfehlenswerte Film PLAY WITH THE DEVIL – BECOMING ZEAL & ARDOR seine Premiere. Der kraftvolle Musikfilm reißt einen derart mit, dass man gleich nach der Vorstellung eine Konzertkarte kaufen möchte. Zeal & Ardor wurde vom Schweizer Musiker Manuel Gagneux gegründet und verbindet in bisher nicht dagewesener Form Sklavengesänge, Blues, Gospel und Black Metal. Gagneux hat seine Songs zunächst komplett alleine in seinem Homestudio abgemischt und für seine Musik viel Aufmerksamkeit auf Social Media bekommen. Inzwischen hat Zeal & Ardor auf vielen bekannten Musikfestivals wie dem Montreux Jazz Festival, Wacken und Primavera Sounds gespielt.

Matthias Will und Olivier Joliat auf bei der Q&A nach dem Film
Matthias Will und Olivier Joliat

Zwei sehr glückliche Regisseure waren aus Basel nach München angereist. Olivier Joliat ist eigentlich Musikjournalist und Matthias Willi Fotograf. Der Film war ihr erstes gemeinsames Filmprojekt.

Der Film läuft noch:

  • MITTWOCH, 10.05.2023, 17:30, HFF - KINO 2
  • DONNERSTAG 11.05.2023, 21:00 NEUES ROTTMANN

Vom 8. bis zum 21.05. kann der Film auch online angeschaut werden (5 Euro!!).

04.05.23 8:37

DOK.fest München 2023: Eröffnung

logo_dokfest_2023.jpg

Gestern feierte das 38. DOK.fest München im Deutschen Theater mit dem Film ETILAAT ROZ seine Eröffnung. Der Film handelt von der auflagenstärksten Tageszeitung Kabuls in den Tagen vor, während und nach dem überstürzten Abzug der alliierten Streitkräfte im Sommer 2021. "Etilaat Roz"-Redakteur Abbas Rezaie drehte während dieser Wochen in den Redaktionsräumen.

Insgesamt sind 130 Filme aus 55 Ländern zu sehen. Davon laufen 28 Filme in Weltpremiere und 58 weitere Filme in Deutschlandpremiere. Zu sehen sind sie vor Ort vom 3. bis 14. Mai in den Münchner Kinos und an Sonderspielorten des Festivals.

Kaum ein anderes Filmfestival in Deutschland hat so konsequent wie das Dok.fest die Herausforderung des Streaming angenommen. 90 Prozent der Filme sind vom 8. bis 21. Mai online unter www.dokfest-muenchen.de abrufbar. In der Not während der Pandemie eingeführt, zeigt die Etablierung des DOK.fest als Hybrid Event, wie aus dem Ausnahmezustand auch etwas Positives in den "normalen" Festivalalltag übernommen werden kann.

Zum Dok.fest werden u.a. erwartet: Rennfahrerin Sophia Flörsch zur Weltpremiere von #RACEGIRL – DAS COMEBACK DER SOPHIA FLÖRSCH im Deutschen Theater (6. Mai), Regisseur Toby Amies und Produzent Ben Bassauer von IN THE COURT OF THE CRIMSON KING über die legendäre Rockband King Crimson (4. Mai) sowie die New Yorker Dokumentarfilmerin Pola Rapaport, die ihren Film ADDICTED TO LIFE über die belgische Rollstuhlleichtathletin und Paralympics-Teilnehmerin Marieke Vervoort vorstellt.

30.04.23 21:06

CROSSING EUROPE 2023: Die Preise

CROSSING EUROPE Award - Best Fiction Film

CHLEB I SÓL (Bread And Salt) von Damian Kocur

Preisträger Damian Kocur Links: Preisträger Damian Kocur

CROSSING EUROPE Audience Award - Best Fiction Film

SIGURNO MJESTO (Safe Place) von Juraj Lerotić

Juraj Lerotić bei der Preisverleihung Regisseur Juraj Lerotić

CROSSING EUROPE Social Awareness Award - Best Documentary Film

SILENT LOVE von Marek Kozakiewicz

Marek Kozakiewicz Preisträger Marek Kozakiewicz

MY NE ZGASNEMO (We Will Not Fade Away) von Alisa Kovalenko

CROSSING EUROPE Award – YAAAS! Jugendjury

PETITES (Little Ones) von Julie Lerat-Gersant

MIOB New Vision Aw[ard

BERDREYMI (Beautiful Beings) von Arnar Guðmundsson

Arnar Guðmundsson Arnar Guðmundsson

CROSSING EUROPE 2023: ÃœBER EINE STRASSE von Michaela Mair und Edith Stauber

Regisseurinnen bei der Q&A nach dem Film
Von links: Moderator, Michaela Mair und Edith Strauber

Vor 20 Jahren war ÜBER EINE STRASSE der Eröffnungsfilm des ersten CROSSING EUROPE Filmfestivals. Zum Jubiläum wurde der Film im Linzer Central erneut präsentiert. Nach der Vorstellung war nicht nur der Moderator des Filmgesprächs, der selbst lange Zeit in der porträtierten Linzer Humboldtstraße gewohnt hat, beeindruckt. Auch das Publikum, darunter Protagonisten aus dem Dokumentarfilm, bestätigten, dass der Film nichts an Aktualität eingebüßt hätte. Mair und Strauber kommen in ihrer Langzeitbeobachtung den Menschen sehr nahe und haben zweifellos ein zeitgeschichtliches Dokument geschaffen.

Die Regisseurinnen versammeln in ÜBER EINE STRASSE die erstaunliche Vielfalt der Linzer Gesellschaft. Alle finden im Film ihren Platz: Der Kirchenchor, ausgelassene türkische Fußballfans, ein Mann, der sich Kleider näht, sowie die Besitzer eines griechischen Restaurants, eines Telefon-Shops und einer Tankstelle. Im einen Moment preist eine Sexshop-Verkäuferin ihre Produkte an, und bald darauf sinnieren Männer in einer Moschee darüber, warum Frauen fremden Männern nicht in die Augen schauen dürfen.

Auch für auswärtige Festivalbesucher:innen ist es spannend, ÜBER EINE STRASSE mit dem heutigen Stadtbild abzugleichen. Viele der im Film gezeigten Orte gibt es nicht mehr, aber einige Perspektiven im Film kann man auch heute noch nachstellen (siehe unten).

Die Humboldtstr. von 2003
Filmstill aus dem Film, wahrscheinlich aus dem Jahre 2003 (Quelle: CROSSING EUROPE)

Photo der Humboldtstr.
Die Humboldtstr. im April 2023

29.04.23 15:35

CROSSING EUROPE 2023: LES INSULAIRES von Adam W. Pugliese und Maxime Faure

les_insulaires_still_klein.jpg
Quelle: CROSSING EUROPE

Hochhauskomplexe des sozialen Wohnungsbaus haben wenig Anziehendes. In Frankreich bringt man sie sofort mit dem Begriff "Banlieue" in Verbindung, den Randzonen der Großstadt. Als Unorte stehen sie in der öffentlichen Wahrnehmung für Entwurzelung und soziale Konflikte.

Die Regisseure Maxime Faure und Adam W. Pugliese kehren die Sichtweise um. Die Hochhäuser von Les Îles zeigen sie nur als ein 3-D Modell, das von einer virtuellen Kamera umrundet wird. Die Virtualisierung der Gebäude verdeutlicht die Entwurzelung der Architektur, eine Trennung von den Menschen, die in ihnen leben. Als Computermodell können Hochhäuser einfach gelöscht und dann durch neue ersetzt werden.

les_insulaires_directors_still.jpg
Die Regisseure Maxime Faure und Adam W. Pugliese bei der Q&A nach dem Film

Dieser entfremdete Umgang mit Wohnungsbauten ist ein Blickwinkel von LES INSULAIRES. Die Hochhauskomplexe, gelegen in einer malerischen Fluss-Landschaft, sollen abgerissen werden. Profitablere Gebäude sollen entstehen.

AI generiertes Bild, das Menschen zeigt, die vor einen Baum sitzen und stehen, der vor einem Hochhaus Wurzeln schlägt
Copyright: Andreas Tai


Doch was macht man mit den Menschen, die in den Gebäuden wohnen. Sie haben im Beton Wurzeln geschlagen. Sie wohnen bereits seit Generationen in Les Îles. Viele haben hier aus der Fremde kommend eine neue Heimat gefunden. Es gibt eine Gemeinschaft über alle Altersgrenzen hinweg. Die Familien sollen nun umgesiedelt werden. Bande werden durchschnitten, Erinnerungen der letzten Jahrzehnte wird der Ort genommen, an denen sie zurückkehren können

Faure und Pugliese widmen sich behutsam der Innensicht aus Les Îles, lassen viele der Bewohner:innen zu Wort kommen und zeigen mit ihrem Film, das auch der Abriss von Hochhäusern eine gut geplante Umweltzerstörung sein kann.

CROSSING EUROPE 2023: RETREAT von Anabela Angelovska

Filmstill, Außenfassade eines Hauses mit einer noch unverputzten Mauer
Quelle: CROSSING EUROPE

Auf ihren Spaziergängen durch die Straßen der nordmazedonischen Stadt Kumanova fielen der Hamburger Regisseurin Anabela Angelovska ungewöhnlich viele Neubauten auf. Als sie nachforschte, kam heraus, dass die Häuser von nordmazedonischen Arbeitsmigranten gebaut werden, die ihr Geld als Hilfsarbeiter der amerikanischen Truppen in Krisengebieten wie dem Irak, Mali oder Afghanistan verdienen.

Aus diesem Zusammenhang hat Angelovska den 30-minütigen Dokumentarfilm RETREAT gemacht. Aus dem Off berichten die Arbeitsmigranten über ihre traumatischen Erfahrungen in den Krisengebieten. Gezeigt werden dazu die opulenten Bauten in Kumanova, die in ihrer Abwesenheit gebaut werden. Die großzügigen, glatten und makellosen Fassaden tragen den Wunsch nach Kompensation für die inneren Schäden nach außen.

Bild von Regisseurin und Moderatorin
Anabela Angelovska (links) und Lotte Schreiber

Im Gespräch nach dem Film mit der Kuratorin Lotte Schreiber erzählt die Regisseurin, dass es sehr schwierig war, den Kontakt zu den Arbeitsmigranten zu halten. Sie hatten verschiedene Ängste: Angst, die Vertraulichkeitserklärungen mit den Amerikanern zu brechen, Angst vor verdrängten Erinnerungen, aber auch Angst vor dem Neid der eigenen Landsleute. Schließlich verdienen sie teilweise 30-mal so viel wie ihre Landsleute vor Ort.

Anabela Angelovska gelingt es gekonnt mit RETREAT verborgene gesellschaftliche Zusammenhänge aufzudecken und liefert einen starken Beitrag in der Sektion "ARCHITEKTUR UND GESELLSCHAFT" von Crossing Europe in Linz.

28.04.23 22:04

CROSSING EUROPE 2023: APOLONIA, APOLONIA von Lea Glob

Apolonia bei der Q&A nach dem Film

Da die Regisseurin Lea Glob verhindert war, stand die Protagonistin des Künstlerporträts APOLONIA, APOLONIA dem Publikum nach der Vorführung im Linzer City Kino selbst Rede und Antwort. Es sei nicht immer einfach gewesen, die Kamera über 13 Jahre auf sich gerichtet zu haben. Im Film würden nicht nur ihre guten Seiten gezeigt. Dabei kann man ihr und der Lea Glob nur dankbar sein. Nur durch ihre Offenheit bekommen wir einen Einblick in die Mechanismen der Kunstwelt und den beeindruckenden Überlebenskampf einer Ausnahmekünstlerin.

CROSSING EUROPE 2023: ELAHA von Milena Aboyan

elaha_1_klein.jpg

Nach der Vorführung ihres Spielfilmdebüts ELAHA im fast ausverkauften Central Kino in Linz beantwortete Regisseurin Milena Aboyan die Fragen der Yaas! Programmerin Charlotte Fiedermutz (Yaas! ist die Jugendschiene von Crossing Europe). ELAHA handelt von einer jungen Frau, die kurz vor ihrer Hochzeit am Zwang ihrer kurdischen Gemeinschaft verzweifelt, dass eine Frau vor der Heirat noch Jungfrau sein muss. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihrer Familie und ihren eigenen Bedürfnissen versucht sie, einen Ausweg zu finden.

elaha_filmstill_klein.jpg
Quelle: CROSSING EUROPE

Bayan Layla spielt überzeugend Elaha und vermittelt eindringlich die verzweifelte Lage der Hauptfigur. Dabei macht es sich Regisseurin Milena Aboyan nicht einfach und vermeidet eine klare Lagerbildung. Sie beleuchtet unterschiedlicher Sackgassen, wo am Ende nur zaghaft Hoffnungsschimmer von der anderen Seite durchdringen.

Bild vom Publikumsgespräch in Central Kino

Im Gespräch betont Aboyan, dass der Film kein rein kurdisches Problem thematisiert, sondern auch Männer und Frauen aus anderen Kulturkreisen in patriarchalen Denkmustern fest stecken. Dies gelte insbesondere für die Fremdbestimmung und Objektivierung des weiblichen Körpers. Sie könne keine fertigen Antworten liefern, wolle aber mit ihrem Film eine dringend notwendige Diskussion anstoßen.

CROSSING EUROPE 2023: METRONOM von Alexandru Belc

Filmstill Metronom
Quelle: CROSSING EUROPE

Alexandru Belc nutzt mit METRONOM den zeitgeschichtlichen Rahmen der Ceaușescu Diktatur für eine Coming-of-Age Story, in der sich grundlegende Fragen zur Vereinbarkeit von privatem Glück, Integrität und staatlicher Kontrolle stellen.

Rumänien 1972. Die 17-jährigen Ana muss bald ihre große Liebe Sorin verabschieden. Seine Familie darf in den Westen ausreisen. Auf der Suche nach Trost geht Ana auf eine Privat-Party. Gemeinsam mit ihren Freund:innen hört sie den verbotenen Sender Radio Free Europe und tanzt ausgelassen zur Musik von The Doors und Janis Joplin. Doch die Zusammenkunft wird an die Geheimdienstpolizei Securitate verraten. Von einem Augenblick auf den anderen befinden sich Ana und ihre Freund:innen in einer bedrohlichen, repressiven Parallelwelt.

Belc, der 2022 für METRONOM auf den Filmfestspielen von Cannes in der Sektion UN CERTAIN REGARD den Regiepreis gewonnen hat, fängt auf einfühlsame Weise die tastenden Schritte von Ana ins Erwachsenenleben ein. Überzeugend zeigt er, wie Ana versucht, ihre sich gerade entwickelnde Persönlichkeit gegen äußere Zwänge zu behaupten. Dabei vermeidet er es, aus Ana eine Heldin zu machen. Am Ende lässt der Film viele Fragen und der Alltag hat sich wieder wie ein Schleier über den Abgrund des Staatsterror gelegt.

27.04.23 22:16

CROSSING EUROPE Filmfestival 2023: Ankunft

Ursulinneninnenhof


Film-Festivals haben durch ihren jährlichen Turnus eine Struktur, die eine gewisse Vertrautheit schafft. So geht es mir auch mit dem CROSSING EUROPE FESTIVAL in Linz. Schon zum vierten Mal gehe ich den immer gleichen Weg vom Hauptbahnhof in die Innenstadt. Auf dem Ursulinenhof angekommen, spüre ich sofort, was das Festival besonders macht: Filmprofis und Publikum treffen sich in einer entspannten und familiären Atmosphäre, die von Neugier und Zuneigung zum Film geprägt ist. Nachdem ich bei dem wie immer einnehmend freundlichen und fürsorglichen Presseteam meine Akkreditierung abgeholt habe, mache ich wie die Jahre zuvor fast identische Fotos. Danach können es nur noch tolle Festivaltage werden.

26.04.23 19:01

Crossing Europe 2023

Sujet Bild crossing_europe_linz

Heute, am 26.04., beginnt das CROSSING EUROPE Filmfestival Linz. Nach 20 erfolgreichen Ausgaben hat es sich längst als spannendes, abwechslungsreiches und familiäres Filmfest mit unverwechselbarem Linzer Flair etabliert. Noch bis zum 1. Mai widmet es sich dem zeitgenössischen Autor*innenkino aus Europa.

Insgesamt werden 139 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 45 Ländern gezeigt, darunter zahlreiche Uraufführungen und international ausgezeichnete Filme. Zusätzlich werden rund 120 Filmgäste aus dem In- und Ausland erwartet, die in Filmgesprächen und Talk-Veranstaltungen Einblicke in ihre Arbeit geben werden.

05.03.23 20:53

Berlinale 2023: Rückschau und Vorschau

Die Berlinale schaut mit Stolz auf die Besucherzahlen in der vergangenen Ausgabe. Auf der Berlinale 2023 wurden 320.000 Tickets verkauft - nur eine geringe Abweichung von 10.000 im Vergleich zur letzten Berlinale vor der Corona-Pandemie im Jahr 2020, als 330.000 Tickets verkauft wurden.

Auch das Interesse der Fachbesucher war ungebrochen hoch, mit einer Anzahl von 20.000 - lediglich 2.000 weniger als vor Corona.

Neben diesen Zahlen gab die Berlinale auch die Daten für die nächste Ausgabe bekannt. Es wird 2024 vom 15. bis zum 25. Februar 2024 stattfinden.

25.02.23 23:17

Berlinale 2023: Die Bären

GOLDENER BÄR FÜR DEN BESTEN FILM

SUR L’ADAMANT von Nicolas Philibert

Filmstill von SUR L’ADAMANT

© TS Production / Longride

SILBERNER BÄR GROSSER PREIS DER JURY

ROTER HIMMEL von Christian Petzold

Filmstill von ROTER HIMMEL

© Christian Schulz / Schramm Film

SILBERNER BÄR PREIS DER JURY

MAL VIVER von João Canijo

Filmstill von MAL VIVER

© Midas Films

SILBERNER BÄR FÜR DIE BESTE SCHAUSPIELERISCHE LEISTUNG IN EINER HAUPTROLLE

Sofía Otero für ihre Rolle in 20.000 ESPECIES DE ABEJAS (20.000 SPECIES OF BEES) von Estibaliz Urresola Solaguren

Filmstill von 20.000 ESPECIES DE ABEJAS)

© Gariza Films, Inicia Films

SILBERNER BÄR FÜR DIE BESTE SCHAUSPIELERISCHE LEISTUNG IN EINER NEBENROLLE

Thea Ehre für die Rolle in BIS ANS ENDE DER NACHT von Christoph Hochhäusler

Filmstill von BIS ANS ENDE DER NACHT

© Heimatfilm

SILBERNER BÄR FÜR DAS BESTE DREHBUCH

Angela Schanelec für MUSIC

Filmstill MUSIC)

Copyright: faktura film / Shellac

SILBERNER BÄR FÜR EINE HERAUSRAGENDE KÜNSTLERISCHE LEISTUNG

Hélène Louvart für die Kamera in Disco Boy

Filmstill von DISCO BOY

© Films Grand Huit

Berlinale 2023: Preise von unabhängigen Jurys

Estibaliz Urresola Solaguren mit Jury

Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren mit der Leser:innen-Jury der Berliner Morgenpost.

Die Preise der unabhängigen Jurys haben bei der Berlinale vielleicht nicht die Außenwirkung wie die Silbernen und Goldenen Bären. Für viele Filmemacher sind sie aber dennoch wichtig, denn sie werden häufig von ganzem Herzen vergeben und zeigen, dass ihr Film bei wichtigen Gruppen wie Kinobetreibern und nicht zuletzt dem Kinopublikum angekommen sind.

Eine der Jurys, die sehr nah an dem "normalen Publikum" dran sind, ist zum Beispiel die Leser:innen-Jury der Berliner Morgenpost. Sie vergab ihren Preis an den Wettbewerbsfilm 20.000 ESPECIES DE ABEJAS (20,000 Species of Bees) vom Estibaliz Urresola Solaguren.


Weitere Preise:

Regisseur Paul B. Preciado
Regisseur Paul B. Preciado

Überrascht und gleichzeitig bescheiden zeigte sich Paul B. Preciado über den Preis der Leserjury des Tagesspiegel, der in der Sektion Encounters für seinen Film ORLANDO, MA BIOGRAPHIE POLITIQUE vergeben wurde. Er beendete seine Dankesrede mit den Worten: "Ich glaube ehrlicherweise nicht, dass ich den Preis verdient habe, aber egal, ihr habt es so entschieden".

Estibaliz Urresola Solaguren
Estibaliz Urresola Solaguren

Estibaliz Urresola Solaguren hat nicht nur von einer Publikums-Jury einen Preis für 20.000 ESPECIES DE ABEJAS bekommen, sondern auch den "Gilde Filmpreis" von den Kinobetreibern. Das könnte schon als ein kleines Vorzeichen für die Bärenvergabe am heutigen Abend gedeutet werden.

Ebenfalls von Kinobetreibern wird der CICAE Art Cinema Award vergeben. CICAE ist ein internationaler Zusammenschluss von Arthouse-Kinos.

Foto von Preisgewinner
Regisseur İlker Çatak und Hauptdarstellerin Leonie Benesch

In der Sektion Panorama wurde der CICAE Preis an DAS LEHRERZIMMER von İlker Çatak vergeben.

Preisträger:innen
rechts: Regisseurin Melisa Liebenthal

In der Sektion Forum wurde vom CICAE der Beitrag EL ROSTRO DE LA MEDUSA (The face of Jellyfish) von Melisa Liebenthal ausgezeichnet.

Auch die Kirche vergibt Preise. Die Ökumenische Jury wird von den internationalen Filmorganisationen der evangelischen und der katholischen Kirchen gestellt und ehrt Filmschaffende, "die in ihren Filmen ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die es in ihren Filmen schaffen, das Publikum für spirituelle, menschliche und soziale Werte zu sensibilisieren."

Foto Preisträger und Jury
Regisseurin Lila Avilés und Mitglieder der Ökumenischen Jury

Im Wettbewerb hat sich die Jury für TÓTEM von Lila Avilés ausgezeichnet. Die mexikanische Filmregisseurin sprühte nur so von Freude und Energie, als sie den Preis entgegenahm.

In der Sektion Panorama bekam den Preis SAGES-FEMMES (Midwives) von Lea Fehner und in der Sektion Forum JAII KEH KHODA NIST (Where God is Not) von Mehran Tamadon.

Preisträger
Regisseur Nicolas Philibert

Über die lobende Erwähnung freute sich besonders der Regisseur Nicolas Philibert. Er war mit seinem Dokumentarfilm SUR L'ADAMANT (On the Adamant) im Wettbewerb vertreten.

Nicht alle Preise der unabhängigen Jurys wurden bei der offiziellen Verleihung vergeben. Die Anzahl ist anscheinend einfach zu groß geworden. Noch vor einigen Jahren ging die Verleihung über mehrere Stunden.

In Folge eine Listung weiterer Preise der Berlinale 2023:

  • Kompass-Perspektive-Preis (Perspektive Deutsches Kino)
  • FIPRESCI (Fédération Internationale de la Presse Cinématographique)
    • Wettbewerb: THE SURVIVAL OF KINDNESS (Das Ãœberleben der Freundlichkeit) von Rolf de Heer
    • Encounters: HERE von Bas Devos
    • Panorama: STILLE LIV (The Quiet Migration) von Malene Choi
    • Forum: ÃŽNTRE REVOLUÈšII (Between Revolutions) von Vlad Petri
  • Amnesty International Filmpreis
    • AL MURHAQOON (The Burdened) von Amr Gamal
  • Teddy Awards
    • Bester Spielfilm: ALL THE COLOURS OF THE WORLD ARE BETWEEN BLACK AND WHITE von Babatunde Apalowo
    • Bester Dokumentar-/Essayfilm: ORLANDO, MA BIOGRAPHIE POLITIQUE (Orlando, My Political Biography) von Paul B. Preciado
    • Bester Kurzfilm: MARUNGKA TJALATJUNU (Dipped in Black) von Matthew Thorne und Derik Lynch
    • Jury Award: Vicky Knight für ihre Performance in SILVER HAZE von Sacha Polak
    • Special Teddy Award: SUNNY BUNNY, der Queere Filmpreis des Molodist Film Festivals in Kyiv
  • Caligari-Filmpreis
    • DE FACTO von Selma Doborac
  • Heiner-Carow-Preis
    • Fabian Stumm für das Drehbuch zum Film KNOCHEN UND NAMEN

Berlnale 2023: Die Bärentipps

Gummibärchen

Traditionell stellt sich die festivalblog Redaktion am Tag der Preisvergabe der immer wieder schwierigen Aufgabe der Bärentipps.

24.02.23 14:46

Berlinale 2023: PK zu BIS ANS ENDE DER NACHT

Schauspieler und Regisseur auf der Pressekonferenz
von links nach rechts: die Schauspieler:innen Timocin Ziegler und Thea Ehre mit Regisseur Christoph Hochhäusler

Als letzter Wettbewerbsfilm der Berlinale 2023 hat heute Abend BIS ANS ENDE DER NACHT von Christoph Hochhäusler seine Premiere. Hochhäusler wird wie Christian Petzold und Angela Schanelec, die ebenfalls im Wettbewerb der Berlinale vertreten sind, der nur sehr lose definierten Filmrichtung der "Berliner Schule" zugerechnet.

Vor der Premiere stellte sich Hochhäusler zusammen mit seinem Team den Fragen der Journalist:innen. Obwohl viele den Film als Genremix betrachteten, ordnete Hochhäusler den Film klar dem Film noir zu. Dabei zitierte er Rainer Kleppekes, der einst schrieb: "Film noir ist ein Genre, das Mitleid mit Männern hat, die ihre Seele verloren haben." Dieses Zitat treffe auch sehr gut auf seinen Film zu, so Hochhäusler.

23.02.23 16:31

Berlinale 2023: SUZUME von Makato Shinkai

Produzent Genki Kawamura, Regisseur Makato Shinkai und die Stimme von Suzume, Nanoka Hara
Produzent Genki Kawamura, Regisseur Makato Shinkai und die Stimme von Suzume, Nanoka Hara
© 2022 "Suzume" Film Partners

Regisseur Makoto Shinkai weiß, welche Linie er fortsetzt. Der letzte Anime-Film im Wettbewerb der Berlinale war vor 21 Jahren SPIRITED AWAY (Chihiros Reise ins Zauberland) von Hayao Miyazaki. Miyazaki gewann damals den Goldenen Bären und SPIRITED AWAY wurde danach zum weltweit erfolgreichsten Animationsfilm aus Japan, bis er 2017 von YOUR NAME abgelöst wurde. Regisseur von YOUR NAME war: Makato Shinkai.

Filmstill Mann
© 2022 "Suzume" Film Partners

Die 16-jährige Suzume trifft einen geheimnisvollen (und schönen) Fremden. Doch ihr bleibt nicht viel Zeit, sich an seiner Anmut zu erfreuen, denn schon bald wird der junge Mann -zwar nicht in einen Frosch, aber immerhin in einen Kinderstuhl verzaubert.

Stuhl
© 2022 "Suzume" Film Partners

Zuvor hatte Suzume dummerweise aus jugendlicher Neugier in einem verlassenen Geisterdorf einen Türstopper aus dem Boden gezogen. Nun ist für einen bösen Wurm aus der Zwischenwelt der Weg frei, um durch viele nun ungeschützten Türen in ganz Japan die Menschheit mit Erdbeben zu überziehen. Zusammen mit dem verzauberten Kinderstuhl, der in seinem Vor-Stuhl-Leben einer Familiendynastie an Türschließern angehörte, begibt sich Suzume auf einem Roadtrip, um größeres Unheil zu verhindern. Dabei folgen sie einer mega-süßen Katze, die eigentlich ein Gott ist.

Filmstill Suzume mit Stuhl
© 2022 "Suzume" Film Partners

Shinkai hatte kein Interesse einen Arthouse Film für internationale Filmfestivals zu machen. Ihm war es wichtig, alle Altersgruppen in Japan zu unterhalten. Gleichzeitig wollten er und sein Produzent den internationalen Markt nicht aus den Augen verlieren und haben Themen und Figuren so gestaltet, dass sie auch außerhalb Japans funktionieren. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass Katzen im Film eine wichtige Rolle spielen.

Katze
© 2022 "Suzume" Film Partners

SUZUME ist ein Gewinn für den Wettbewerb der Berlinale, denn auch gut gemachtes Unterhaltungskino sollte hier seinen Platz haben. Der Film spricht auch ein junges Kinopublikum an und bringt eine lebendige wie traditionsreiche Form von Storytelling, Ästhetik und Poesie nach Berlin, die sich wohltuend von der Mehrzahl an politisch aufgeladenen und problembehafteten Intellektuellen-Filmen abhebt.

Zunächst muss ich mich wieder an die spezifische Bildsprache von Animes gewöhnen.
Sie unterscheidet sich stark von Animationsfilmen des US-amerikanischen Kinos, wo die Figuren immer realistischer und detailreicher dargestellt werden. Als Anime-Film ist SUZUME Zeichenstil unverwechselbar von Manga Comics inspiriert. Die Gesichter und Körper entsprechen holzschnittartigen Ideal-Typen aus der Mangawelt. Die Bewegungen sind eher abgehakt als flüssig. Vieles erinnert mich noch immer an die Anime-Serie Heidi aus den 70er Jahren. Doch dann besticht der Film durch seine atemberaubende, farbenfrohe Ästhetik und die absurden Einfälle und Wendungen.

SUZUME greift gesellschaftliche Ereignisse auf, mit denen sich viele Japaner:innen identifizieren können. Insbesondere ein Tsunami, der Suzumes Mutter zum Opfer fiel, als diese vier Jahre alt war, bildet ein zentrales Thema. Hierbei verweist Shinkai auf den Tsunami von 2011, der unter anderem den Reaktorunfall von Fukushima verursachte. Dabei verfolgt Shinkai jedoch keine explizit gesellschaftspolitische Agenda, sondern verwebt geschickt die Auswirkungen der Katastrophe in die Biografie der Hauptfigur, die nach einer Auflösung verlangt.

Obwohl SUZUME nicht so bahnbrechend ist wie SPIRITED AWAY im Jahr 2002 und ich keinen "Überraschungs-Bären" erwarte, bin ich mir sicher, dass der Film dennoch erfolgreich in den europäischen Kinos laufen wird. Auf der Pressekonferenz wurde der Film jedenfalls bereits sehr wohlwollend aufgenommen.

22.02.23 14:14

Berlinale 2023: MUSIC von Angela Schanelec

Filmstill von MUSIC
Copyright: faktura film / Shellac

Das Offensichtliche ist an MUSIC das Besondere: es ist eine Geschichte in Bildern. Ein Film, der als Kunst die Grenzen des Films durchbricht. MUSIC würde als Ausstellung, Graphic Novel oder immersives Virtual Reality Erlebnis genauso seinen Zauber entfalten wie als Film.

Die Einstellungen sind lang und ein Genuss für die Augen. Gesprochen wird wenig. Plötzlich hat man viel Luft zum Durchatmen und Zeit, sich in Ruhe in den durchkomponierten Bildern umzuschauen. Es ist eine Justierung der Filmsinne, ein Entzug von abrupten Schnitten und rasanter Plot-Entwicklung.

Es gilt Leerstellen in der Geschichte zu überbrücken. Sie entstehen u.a. durch große Zeitsprünge in der Geschichte. Der Regisseur Christian Petzold sagte heute in einer Pressekonferenz zu ROTER HIMMEL, dass die Bilder im Kopf der Zuschauer gerade durch die Auslassungen entstehen. Das trifft sehr gut Angela Schanelecs neuen Film.

Worum es geht? Um die großen Themen Geburt, Liebe, Tod, Schuld und Schicksal. Zu der Handlung und den Referenzen des Films möchte ich nicht mehr sagen. Das kann überall nachgelesen werden. Außerdem lohnt es, sich MUSIC ohne Vorkenntnisse zu erschließen.

Die ersten Filme von Angela Schanelec liefen in der Berlinale Sektion Forum. Ihr Berlinale Debüt feierte Schanelec vor über 20 Jahren mit dem Film MEIN LANGSAMES LEBEN (2001), der mich sehr beeindruckt hat. Es folgten NACHMITTAG (2007) und ORLY (2010). ICH WAR ZUHAUSE, ABER… war 2019 Schanelecs erster Film, der im Wettbewerb der Berlinale lief, und wurde gleich mit dem Regiepreis ausgezeichnet.

21.02.23 19:18

Berlinale 2023: PK mit Steven Spielberg

Spielberg und Moderator
Steven Spielberg und Rainer Rother

Die Berlinale ist immer ein Highlight des Jahres. Dass es über zwei Jahre keine "richtige Berlinale" gab, hinterließ bei mir eine Lücke, die nicht zu füllen war.

Auf jeder Berlinale gibt es die Momente, die noch besonderer sind als die Berlinale ohnehin schon ist. Die Begegnung mit Steven Spielberg auf einer Pressekonferenz der Berlinale 2023 war einer dieser Momente.

Die Pressekonferenzen zu den mit einem Ehrenbären ausgezeichneten Filmgrößen heben sich immer stark von anderen Pressekonferenzen ab. Hier steht nicht die Werbung zu einem Film im Vordergrund, sondern es geht um die Person. Unvergessen ist beispielsweise die Pressekonferenz zur Ehrung des Kameramanns Michael Ballhaus.

Steven Spielberg zählt zu den bekanntesten und bedeutendsten Filmregisseur:innen unserer Zeit. Es gibt wohl kaum jemand, der keinen Film von Spielberg gesehen hat, sei es E.T., JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES oder DER WEISSE HAI. Besonders beeindruckt hat mich auf der Pressekonferenz, wie bescheiden und zugewandt Spielberg trotzdem war. Er beantwortete alle Fragen geduldig und fand stets einen Twist, aus dem sich eine interessante Geschichte entwickelte.

Natürlich spielte auch sein neuester Film THE FABELMANS eine zentrale Rolle auf der Pressekonferenz. Es ist die Geschichte von Spielbergs eigener Familie und zweifellos einer seiner persönlichsten Filme. Spielberg machte deutlich, dass die Entstehung des Films auch stark von der Pandemie beeinflusst wurde.

"It gave me the time to take a big deep breath and determine: If it was one movie I haven't made yet and I would now have the time to make, what would that be? The answer has always been with me. I've always wanted to tell the story of my mother, my father, my sisters and this amazing struggle between art and family."

In einer anderen Antwort ging er auf sein Verhältnis zu Stanley Kubrik ein:

"I met him when he was preparing THE SHINING and I was preparing RAIDERS OF THE LOST ARK. In November 1979 he invited me to his house for supper and we remained close friends until the day he died.[...] The only thing we ever discussed doing together was AI - ARTIFICIAL INTELLIGENCE. But we are mounting a big production with the cooperation of Christian Kubrick and Jan Harlan, a large production for HBO based on Stanley's original script NAPOLEON. We are working on it as seven-part limited series."

Interessant war auch, welcher Regisseur ihn motivierte, E.T. zu machen:

"Some of the reasons for making E.T. came from (François) Truffaut. Truffaut had just made a film called SMALL CHANGE and had the best time working with children. He said to me: You have the heart of a child, you need to make a movie with kids. I never forgot that. When I came up with the story for E.T. I always remembered that Truffaut was the one that said you got to make a picture with kids."

Obwohl Spielbergs Zeitplan eng getaktet war und die Pressekonferenz nach nur 20 Minuten offiziell endete, bestand er darauf, noch ein paar weitere Fragen zu beantworten. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits die Herzen der anwesenden Filmjournalist:innen erobert.

Berlinale 2023: PK zu MUSIC von Angela Schanelec

Angela Schanelec und Hauptdarsteller Aliocha Schneider
Hauptdarsteller Aliocha Schneider und Regisseurin Angela Schanelec

Angela Schanelec ist eine der profiliertesten deutschen Regisseurinnen. Im Jahr 2019 gewann sie mit "ICH WAR ZUHAUSE, ABER..." den Regiepreis bei der Berlinale. Heute stellte sie in einer Pressekonferenz ihren neuesten Film "MUSIC" vor, der im Wettbewerb seine Premiere hatte.

Berlinale 2023: MANODROME von John Trengrove

Filmstill mit Ralphie, der sich vor einem Spiegel betrachtet
Copyright: Wyatt Garfield

Männer haben es nicht leicht, auch Ralphie nicht. Er arbeitet als Uber-Fahrer, seine schwangere Freundin im Supermarkt. Das Geld reicht gerade so. Auch mit Ralphies Innenleben ist es nicht zum Besten gestellt. Der Versuch, durch Bodybuilding sein fehlendes Selbstvertrauen auszugleichen, wird gleich zu Beginn in seiner Absurdität als hilfloser Versuch entlarvt.

Ein Freund bringt ihn schließlich in Kontakt mit einem Zusammenschluss von Männern, die sich anscheinend fürsorglich umeinander kümmern und in einem gediegenen Landhaus-Setting eine Kommune bilden. Was sie zusammenführt, ist die Absage an Weiblichkeit, die sie als dunkle Macht betrachten, die ihnen ihre Männlichkeit raubt. Der Ober-Guru der Gemeinschaft ist "Dad Dan", fulminant gespielt von Adrien Brody. Er bemerkt schnell, dass in Ralphie etwas schlummert. Wir zweifeln jedoch schnell daran, dass es sich dabei, wie Dad Dan meint, um eine "staggering beauty" handelt.

2017 war der südafrikanische Regisseur John Trengove mit THE WOUND in der Berlinale-Sektion Panorama vertreten. Wie in THE WOUND widmet er sich auch in seinem Wettbewerbsfilm mit Starbesetzung Männlichkeitsbildern und -ritualen. In MANODROME kombiniert er das Phänomen von Männersphären mit dem immer wiederkehrenden Topos von "Ein Mann sieht rot". Jesse Eisenberg verkörpert glaubhaft den gebrochenen Charakter von Ralphie, der zwischen Fürsorglichkeit, verängstigter Orientierungslosigkeit und komplettem Wahnsinn hin- und herschwankt. Die Unberechenbarkeit seines Spiels und die verschiedenen Wendungen des Plots erzeugen eine treibende Kraft, von der man mitgerissen wird. Jede Situation trägt den Keim einer Katastrophe in sich. Man ist in ständiger Sorge, was als nächstes passieren wird.

Tengrove zeichnet mit MANODROME ein erschreckendes Bild von innerer und äußerer Entwurzelung, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint.

20.02.23 11:15

Berlinale 2023: PAST LIVES von Celine Song

past_lives.png
Copyright: Jon Pack

Es ist immer wieder beeindruckend, wie das amerikanische Kino es schafft, Geschichten zu verdichten und zu ihrem Kern zu führen. Dies lässt sich wunderbar an Celine Songs Debütfilm PAST LIVES erleben.

Nora verlässt mit ihren Eltern als Kind Korea und wandert nach Kanada ein. Damit lässt sie auch ihre Kindheitsliebe Hae Song zurück. 12 Jahre hören sie nichts voneinander, dann beginnen sie wieder intensiv über Skype auszutauschen. Nora ist inzwischen in New York. Doch Nora beendet den Fernaustausch. Wieder viele Jahre später treffen sich Nora und Hae Song in New York. Nora schreibt erfolgreich Theaterstücke und ist mit einem amerikanischen Schriftsteller verheiratet.

Song erzählt mit großer Leichtigkeit. Es wird kein Ballast mitgeschleppt, alles wird so zusammengetragen, dass es die Story trägt. So kommen die Eltern von Nora nach der Einwanderung nur noch in Gesprächen vor und die schwierige Anfangsphase von Nora in Toronto wird nur angedeutet.

Es wird nicht viel psychologisiert und doch ist der Film emotional sehr ergreifend. Das liegt, wie so oft, natürlich auch an hervorragenden Schauspieler:innen. Greta Lee bringt ihr Innerstes nach außen, wenn wir in ihrem Gesicht sehen, wie sie selbst von ihren Gefühlen überrascht ist, wenn sie Hae Song das erste Mal wieder auf dem Bildschirm sieht.

Wie gut sich die Plotentwicklung zusammenfügt, wird besonders am Schluss deutlich. In einer zentralen Barszene stellen sich alle Beteiligten den Wahrheiten. Im Nachhinein erscheint es dann fast so, als ob alle Szenen sich selbstlos in den Dienst dieser Schlussszene stellen.

PAST LIVES ist ein starker Berlinale-Wettbewerbsbeitrag, der bereits auf dem Sundance Filmfest im Januar gefeiert wurde.

19.02.23 14:06

Berlinale 2023: Pressekonferenz PAST LIVES

past_lives_pk_fb.jpg

von links nach rechts: Greta Lee, John Magaro und Celine Song

Das vielleicht Schönste an einem Filmfestival ist die Möglichkeit, in einer Pressekonferenz direkt nach dem Film mit den Regisseur:innen und Schauspieler:innen ins Gespräch zu kommen.Gerade bei einem sehr emotionalen Film spendet dies fast so etwas wie Trost und kann ein wichtiger Teil für die Verabeitung des Films werden. Im Fall von PAST LIVES war in jedem Fall zu spüren, wie sich eine Energie von der Leinwand in den Kinosaal und dann weiter in den gemeinsamen Raum der Berlinale Pressekonferenz übertragen hat.

18.02.23 17:48

Berlinale 2023: PK zu MANODROME von John Trengove

Bild mit drei Personen des Filmteams bei der PK
von links nach rechts: Adrien Brody, John Trengove und Jesse Eisenberg

MANODROME ist einer der wenigen Wettbewerbsbeiträge, der eine gewisse Star-Aura ausstrahlt und dementsprechend groß war das Interesse der Pressekonferenz mit Regisseur Jon Trengove und den Schauspieler:innen Adrien Brody, Jesse Eisenberg, Odessa Young, Sallieu Sesay und Philip Ettinger. Obwohl nicht alle Fragen beantwortet werden konnten, wurden die Referenzen zum Waffenkult in den USA und den Manosphere-Kreisen im Internet sehr deutlich

17.02.23 22:58

Berlinale 2023: BLACKBERRY von Matt Johnson*

Eine Gruppe von männlichen Nerds posiert
Copyright: Budgie Films Inc.

Regisseur Matt Johnson zeigt in BLACKBERRY eindrucksvoll, wie sich eine Ansammlung an chaotischen, aber brillanten Nerds mit einem knallharten Geschäftsmann verbunden hat, um die Mobilwelt zu revolutionieren und mit ihrer genialen Idee für Furore zu sorgen.

Eine Besonderheit des BlackBerry Telefons war seine Fähigkeit, E-Mails in Echtzeit zu empfangen und zu senden, was es von anderen Geräten seiner Zeit unterschied. Es war Ende der neunziger Jahre das erste Gerät, das sowohl E-Mail- als auch Telefonfunktionen in einem kompakten Paket vereinte. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des BlackBerry war seine physische Tastatur, die es den Benutzern ermöglichte, schnell und präzise zu tippen.

Darsteller und Regisseur Matt Johnson steht mit Stirnband auf einem Schreibtisch mit Spielzeug
Darsteller und Regisseur Matt Johnson

Der Film vermittelt einen authentischen Einblick in eine Techkultur, in der das Coden, Maken und Hacken in der Gruppe weniger Arbeit ist, als vielmehr ein Lebensstil mit einer Insider-Nerdsprache, Netzspielen und Kultfilmabenden. Diese Welt erhält Brüche, als sie beginnt, sich eng mit einer Geschäftswelt zu verbinden, in der Skrupellosigkeit die Norm ist.

Man sieht auf der einen Seite, wie eine geniale Idee und hartnäckige Arbeit zu einem beispiellosen Erfolg führen. Gleichzeitig zeigt der Film auch, wie schnell Erfolg vergehen kann, wenn man sich auf den Lorbeeren ausruht und die Konkurrenz unterschätzt.

In gewisser Weise ist der Film ein Lehrstück über Subkultur als Brutzelle für Innovationszyklen im kapitalistischen Markt und darüber, wie schwierig es ist, den Staffelstab in der Hand zu behalten.

"BlackBerry" ist über 120 Minuten ein lustiger, schockierender und fesselnder Film, der es schafft, das Publikum auf eine Reise durch eine entscheidende Phase der Technologie- und Geschäftswelt mitzunehmen. Ein Muss für alle, die wissen wollen, was zur Entstehung und zum Fall eines technologischen Pioniers geführt hat.

* Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit ChatGPT geschrieben.

Berlinale 2023: PK zu BLACKBERRY

Matt Johnson und Jay Baruchel auf der Pressekonferenz
Matt Johnson und Jay Baruchel

Eine äußerst lebendige Pressekonferenz wurde anlässlich der Weltpremiere von BLACKBERRY von Regisseur Matt Johnson, Jay Baruchel, Glenn Howerton und Cary Elwes abgehalten. Man konnte bei Regisseur Matt Johnson eine enorme Begeisterung für die Filmkunst spüren, und er betonte mehrmals die Bedeutung einer eigenen Handschrift auch für den englischsprachigen Teil Kanadas. Es sei wichtig, sich vom US-amerikanischen Kino abzusetzen, anstatt es bloß zu imitieren.

Berlinale 2023: Essen

Wan Tan Suppe auf einem Tisch


Das Essen auf der Berlinale ist immer ein großes Thema. Insbesondere die Verpflegung am Potsdamer Platz hat jedoch selten Lob erhalten.

Doch jetzt, da immer weniger Filme am Potsdamer Platz gezeigt werden, entwickelt sich die Potse zum Food-Heaven. In den ehemaligen Potsdamer Arkaden findet man mit dem Manifesto den "größten Foodcourt Europas", so die Eigenwerbung.

Ich muss sagen, die Auswahl an asiatischen Essensständen ist fantastisch. Von chinesischer Wan-Tan-Suppe über koreanischen Bibimbap bis hin zu japanischen Ramen bleiben kaum Wünsche offen.

Neben der großartigen Auswahl ist das Manifesto auch innenarchitektonisch beeindruckend: es ist nicht nur stilvoll und geräumig, sondern auch gemütlich. Allerdings sind die Preise eher am oberen Ende angesiedelt. Ab 10 Euro aufwärts ist für Berlin nicht unbedingt günstig.

Insgesamt ist das Manifesto aber ein wirklicher Gewinn, besonders für Berlinale-Profis, die zunächst einmal weiter am Potsdamer Platz bleiben.

16.02.23 18:21

Berlinale 2023: Das erste Mal

Mikrofon in einer Hand


Ich brauche schon einen inneren Schups. In einer mit 300 Journalist:innen gut besuchten Berlinale-Pressekonferenz und vor gestandenen Filmgrößen aus Übersee meine erste Frage zu stellen, ist einfach nicht alltäglich. Die Messlatte bei Fragen auf Berlinale Pressekonferenzen liegt zwar nicht allzu hoch (man erinnere sich an Fragen bei einer George Clooney PK, wo man gerne in den Boden gesunken wäre). Wenn man dann das Mikrofon in der Hand hält, pokert das Herz aber doch recht deutlich.

Vorher gilt es allerdings ein festgelegtes Protokoll zu durchlaufen. Erst muss ich wie in der Schule hübsch meinen Arm heben, und zwar so lange bis sich mein Blick mit dem Blick des Moderators kreuzt, der während der Fragestunde aufmerksam, wie ein Adler beständig den Saal von links nach rechts abscannt. Wenn er mir dann mit ernster, aber bestimmter Mine zugenickt hat, ist die erste Hürde schon einmal überwunden: ich bin auf seiner imaginären Liste. Das heißt aber noch nichts und meistens muss ich noch einmal die Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Wenn der Moderator aber eine der Saalmikrofon-Träger:innen zugenickt hat und in meine Richtung zeigt, dann bin ich schon kurz vor dem Ziel: ich bekomme das Mikro. Wenn die PK nicht wegen überlanger Fragen oder Antworten beendet wird bevor ich dran bin, kann kaum noch was schief gehen.

Jetzt heißt es in den aktiven Standby-Modus schalten. Natürlich darf ich jetzt nicht in die Antworten der Filmkünstler:innen (in diesem Fall z.B. Anne Hathaway oder Rebecca Miller ) hinein platzen. Wenn aber eine Pause eintritt und der Moderator mir noch einmal deutlich zugenickt hat, geht es los. Ich stehe auf, sage brav meinen Namen und dass ich für festivalblog schreibe. Ich versuche meine Frage so knapp wie möglich zu halten, keine persönlichen Befindlichkeiten einzubauen und das Filmteam weder mit Lob zu überhäufen noch zu dizzen, kurzum, ich versuche es einigermaßen peinlichkeitsfrei über die Bühne zu bekommen. In diesem Fall scheint das Minimalziel erreicht worden zu sein (für diejenigen, die es interessiert: es ging über die wiederkehrenden Wechsel des Bildformats im Film).

Anne Hathaway, Rebecca Miller und der Moderator
Darstellerin und Co-Produzentin Anne Hathaway, Regisseurin Rebecca Miller und PK Moderator Sergio Fant


Ein Problem ist dann allerdings doch noch aufgetaucht. Von ihrem erhöhtem Sitz aus muss der Regisseurin Rebecca Miller der Saal wie ein Wimmelbild mit Journalist:innen vorgekommen sein. Sie kann mich nicht so richtig ausmachen und antwortet von mir aus gesehen in die komplett andere Richtung. Aber ich kann es verschmerzen, die erste Berlinale Prüfung ist bestanden und ich bin mit "ganzem Herzen" bei der Berlinale 2023.

In der Zwischenzeit habe ich die Frage natürlich schon zig-mal im Geiste hin und her gepuzzelt, bis nichts mehr schief gehen kann

Berlinale 2023: Pressekonferenz von SHE CAME TO ME

Foto von Peter Dinklage und Anne Hathaway
Anscheinend auch im richtigen Leben recht unterschiedliche Charaktere: Peter Dinklage und Anne Hathaway

Mit sehr positiven, aber doch noch schüchternen Applaus wurde das Ensemble von SHE CAME TO ME begrüßt. Die Klatscharme und Juhu-Stimmen müssen sich anscheinend noch ein wenig warmlaufen.

Der neue Film von Rebecca Miller wird heute die Berlinale 2023 eröffnen. Das Lineup ist in jedem Fall schon beeindruckend: neben der Regisseurin sind u.a. auch Schauspieler:innen Peter Dinklage, Marisa Tomei und Anne Hathaway nach Berlin gekommen.

Berlinale 2023: Jury Vorstellung

Bild der Jury auf einer Pressekonferenz der Berlinale 2023

Mit der US-amerikanischen Star-Schauspielerin Kristen Stewart, dem Gesicht des HK Kinos Johnnie To und der deutschen Autorenfilmerin Valeska Grisebach hat die diesjährige Berlinale eine ausgesprochen große Bandbreite des Weltkinos in der diesjährigen Jury versammelt. Ob aber auch eine Chemie zwischen den Jury-Mitgliedern entwickeln wird, war bei der Vorstellung auf der Pressenkonferenz noch nicht auszumachen. Noch wirkten alle noch wie zusammen gewürfelter Haufen und jede sprach noch sehr für sich. Aber zehn Tage gemeinsam in abgedunkelten Sälen zu verbringen und bei jeder Gelegenheit über über die gesehenen Filme zu diskutieren, soll ja eine besondere Magie entfalten.

Berlinale 2023: 1,2,3 und los

Fotograf:innen auf Stühlen während einer Pressekonferenz der erten Berlinale

Es ist die erste Pressekonferenz, traditionell die Vorstellung der Jurymitglieder des Wettbewerbs. Fotograf:innen auf Stühlen, Kameras ausgerichtet, alle wollen das beste Bild der Filmprofessionals um Jurypräsidentin Kristen Stewart. Durch die wuselige, aufgescheuchte Atmosphäre wird man unaufhaltsam in den Sog der ersten richtigen Berlinale seit 3 Jahren gezogen.

23.01.23 20:54

Berlinale 2023: Wettbewerbsfilme bekanntgegeben

Filmstill Petzold
Christian Petzold zeigt nach UNDINE mit ROTER HIMMEL den zweiten Film seiner geplanten Filmtriologie. Wie in UNDINE übernimmt Paula Beer eine der Hauptrollen.

Heute haben Mariëtte Rissenbeek und Carlo Chatrian die 18 Filme im Wettbewerb der Berlinale 2023 bekannt gegeben. Fast 1/4 der Filme kommen aus Deutschland. Neben der Grand Dame des Deutschen Films Margarethe von Trotta sind mit Angela Schanelec, Christian Petzold und Christoph Hochhäusler gleich 3 Regisseur:innen der sogenannten Berliner Schule mit dabei. Alle Filme des Wettbewerbs finden sich hier.

15.01.23 15:25

Berlinale 2023: Spielstätten

Foto vom CinemaxX Kino am Potsdamer Platz
Dieses Jahr wird es keine Berlinale-Publikumsveranstaltungen im CinemaxX geben

Die Berlinale franst aus. 2023 gibt es faktisch kein wirkliches Berlinale Zentrum mehr. Zwar bleibt der Berlinale Palast Spielort für Premieren von Filmen aus den Sektionen Wettbewerb und Berlinale Special. Nachdem der Berlinale aber bereits das Cinestar im Sony Center abhandengekommen ist, kann 2023 nun auch das CinemaxX am Potsdamer Platz nicht mehr für Publikumsvorführungen genutzt werden. Aufgrund einer „Neugestaltung“ des Kinos stehen nur 50% der Sitzplätze zur Verfügung. Hier werden nur Market Screenings und Pressevorführungen laufen.

Eine neue Spielstätte, die bei der Berlinale 2023 aushelfen soll, liegt Luftlinie fast 6km entfernt vom Potsdamer Platz in Friedrichshain. In der Verti Music Hall mit fast 2000 Sitzplätzen werden Wiederholungen aus dem Wettbewerb und Premieren aus der Sektion Berlinale Special gezeigt. Außerdem sind zwei alte Bekannte dieses Jahr wieder mit dabei. Die Urania wird Austragungsort für die Sektion Generations und das Colloseum im Prenzlauer Berg zeigt Wiederholungen aus verschiedenen Sektionen.

Mit dem Cineplex Titania ist wie letztes Jahr auch Steglitz Austragungsbezirk der Berlinale.

Eine sehr positive Interpretation dieser Entwicklung als eine Art Verkiezung kommt von der Berlinale Leitung: "Wir haben die dezentrale Verortung des Festivals weiterentwickelt, damit die Kinofans ‚ihre‘ Berlinale direkt in ihrer Nachbarschaft erleben können".

Für professionale Berlinale-Teilnehmer und Berlinale-Vielgeher bedeutet es aber mitunter, dass sich die eine oder andere Veranstaltung nicht mehr miteinander kombinieren lässt.

04.01.23 8:02

Berlinale 2022: Kristen Stewart wird Jurypräsidentin

Foto von Kristen Stewart


Ob die Berlinale jemals eine jüngere Jurypräsident:in gehabt hat? Das bisherige Filmwerk und die gewonnenen Auszeichnungen von Kristen Stewart sind in jedem Fall beeindruckend. Entsprechend begeistert klingt dann auch das Berlinale-Duo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian:

"Wir freuen uns Kristen Stewart für diese herausragende Aufgabe gewonnen zu haben. Sie gehört zu den talentiertesten und vielseitigsten Schauspieler:innen ihrer Generation. Von Bella Swan bis zur Prinzessin von Wales hat sie unvergesslichen Charakteren Leben eingehaucht."

03.01.23 9:06

Berlinale 2023: Das Plakat

Eine Collage der Berlinale Plakate mit Zeichnungen von Kinogänger:innen jeden Alters

© Internationale Filmfestspiele Berlin / Claudia Schramke, Berlin

Ein wichtiges Element eines jedes Berlinale Jahrgangs ist das Berlinale Plakat. Schon Wochen vor dem Festival sind sie in der ganzen Stadt allgegenwärtig.

In Puncto Plakat steht das Berlinale Duo Mariëtte Rissenbeek und Carlo Chatrian für Kontinuität. Auch 2023 vertrauen sie auf die freie Grafikerin Claudia Schramke. Die gebürtige Berlinerin hatte bereits 2021 und 2022 die Berlinale-Plakate gestaltet.

Dieses Jahr soll das Publikum in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Idee und die Umsetzung sind sehr sympathisch, allerdings macht die ausschließliche Abbildung von gezeichneten Personen das Plakat auch beliebig. Erst auf den zweiten Blick lassen sich die roten Silhouetten hinter den Personen als Kinosessel erkennen. Bären oder andere Hinweise auf Berlin oder die Berlinale fehlen. Wie die Plakate angenommen werden, wird man sehen, wenn sie im Februar mit dem Berliner Stadtbild verschmelzen.

Berlinale 2023: Goldener Ehrenbär und Hommage für Steven Spielberg

steven-spielberg-berlinale_hommage-2023.jpg
© Brian Bowen Smith. Courtesy Amblin Partners.

Die 73. Internationalen Filmfestspiele Berlin verleihen dem US-amerikanischen Regisseur, Produzenten und Drehbuchautoren Steven Spielberg den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk und widmen ihm die Hommage. Im Rahmen der Preisverleihung wird am 21. Februar 2023 sein jüngstes Werk THE FABELMANS gezeigt. Steven Spielberg wird anwesend sein.

Im Rahmen der Hommage werden folgende Filme Spielbergs gezeigt:

  • DUELL (1972)
  • JAWS (1975)
  • RAIDERS OF THE LOST ARK (1981)
  • E.T.: The Extra-Terrestrial (1982)
  • SCHINDLER'S LIST (1993)
  • MUNICH (2005)
  • BRIDGE OF SPIES (2015)

30.12.22 16:00

Berlinale 2023: Retrospektive - YOUNG AT HEART – COMING OF AGE AT THE MOVIES

Filmstill from Rebel without a cause
Natalie Wood, James Dean in Rebel Without a Cause. Quelle: Deutsche Kinemathek © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved.

Die von Dr. Rainer Rother, Leiter der Retrospektive, und seinem Team kuratierte Berlinale Sektion beschreitet 2023 neue Wege. Circa 30 Filmschaffende werden ihren persönlichen Filmfavoriten zum Thema COMING-OF-AGE für das Programm der Retrospektive auswählen. Die folgenden Regisseur:innen, Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen haben bislang zugesagt, die Filmreihe mitzugestalten:

Maren Ade, Pedro Almodóvar, Wes Anderson, Juliette Binoche, Lav Diaz, Alice Diop, Ava DuVernay, Nora Fingscheidt, Luca Guadagnino, Ryūsuke Hamaguchi, Ethan Hawke, Karoline Herfurth, Nadine Labaki, Nadav Lapid, Sergei Loznitsa, Mohammad Rasoulof, Céline Sciamma, Martin Scorsese, Aparna Sen, M. Night Shyamalan, Carla Simón, Abderrahmane Sissako, Tilda Swinton, Wim Wenders, Jasmila Žbanić.

Die vollständige Liste des Programms und der an der Filmauswahl teilnehmenden Filmschaffenden wird im Januar 2023 bekannt gegeben.

Bevorstehende Festivals

Berlinale - Internationale Filmfestspiele Berlin

15.02.2024 - 25.02.2024

Berlin, Deutschland

Festival-Website
Impressum