Jessica Chastain und Michel Franco nach der Filmvorführung
In San Sebastian ist man nicht nur dem Meer, sondern auch den Sternen sehr nah. Als einer der wenigen US-Filmstars ist Jessica Chastain zusammen mit dem mexikanischen Regisseur Michel Franco zum Filmfestival an die baskische Atlantikküste gekommen. Zusammen stellten sie ihren Film MEMORY vor, der erst kürzlich in Venedig seine Premiere hatte. Franco und Chastain gaben zwar keine Pressekonferenz.
Dafür suchte Chastain bei der Vorstellung im Teatro Victoria Eugenia die Nähe des Publikums. Sie nahm sich Zeit für Selfies, stellte sich geduldig einem Meer an Smartphonekameras und freute sich gemeinsam mit Franco vor und nach der Vorstellung über Jubelrufe und Applaus der dankbaren Zuschauer:innen im ehrwürdigen Theatersaal.
MEMORY konnte als US-amerikanische Ko-Produktion wegen des gerade erst beendeten „Writer-Strike“ überhaupt erst in das Programm des Festivals aufgenommen werden, weil es eine Independent-Produktion ist. Hier waren die Gewerkschaften nachsichtiger. Sie wissen, wie wichtig Publicity für Filme wie MEMORY ist. Zwar kann Francos Film neben Chastain in der weiteren Hauptrolle mit Peter Saarsgard aufwarten, der in Venedig den Preis für den besten Hauptdarsteller gewonnen hat. Doch der Film ist alles andere als Entertainment. Franco nimmt sich Zeit, nutzt die Dramatik im Leben der Hauptfiguren Sylvia und Saul nicht für packende Spannungsbögen, sondern hält den Film in einer gleichmäßigen Low Profile Stimmung. Dinge werden nicht auf die lange Plot-Bank geschoben, sondern so an- und ausgesprochen, wie sie sind.
Franco behandelt schwere gesellschaftliche Themen: Alkoholismus, Demenz und Inklusion, um nur einige zu nennen. Aber die sich zärtlich entwickelnde Beziehung zwischen Sylvia und Saul sowie die beeindruckende Unmittelbarkeit, mit der Franco getragen von einem wundervollen Cast Situationen zwischenmenschlicher Nähe und teilenden Konfliktes in den Zuschauerraum bringt, binden diese Themen.
Am Ende liefert MEMORY etwas, was wir im Moment glaube ich alle gut gebrauchen können: ein berührend unaufgeregtes Plädoyers für den Anspruch auf ein wenig Glück, egal was für ein Mist in Vergangenheit und Gegenwart passiert ist.