Dieser Film ist eine Zumutung. Was nicht heißt, dass es ein schlechter Film ist. Aber der Reihe nach. Der australische Wettbewerbsbeitrag THE SURVIVAL OF KINDNESS ist ein Film über Gewalt, Rassismus, Ausgrenzung und über die Menschlichkeit in all diesem Wahnsinn. Umgesetzt als hochartifizielle filmische Metapher, mit starken Bildern und Tönen, aber ohne verständlich artikulierte Sprache.
Der Plot: Eine schwarze Frau wird mitten in der Wüste in einen Käfig eingesperrt ausgesetzt. Nach drei Tagen und Nächten, in der sengenden Sonne des Tages und der klirrenden Kälte der Nacht, ohne Wasser und Essen schafft sie es, sich aus dem Käfig zu befreien. Sie macht sich auf den Weg durch eine dystopische Welt – offenbar, um in das Zentrum der brutalen Gewaltherrscher vorzudringen, die Mensch und Natur hier drangsalieren.
Was sie dabei erlebt, zieht einen anderthalb Stunden lang in den Bann. In meinem Fall, bestand der bann aus einer Mischung aus Faszination und Ekel. Unklar bleibt, zumindest für die Rezensentin, was sie nach dieser Tour de Force an Erkenntnis gewonnen hat. Außer, dass der Regisseur beeindruckende Bilder für das vom Menschen ausgehende Böse in dieser Welt gefunden hat – und zugleich für die Freundlichkeit, das Mitgefühl und das, was wir, oft genug wider besseren Wissens, als Menschlichkeit bezeichnen.
Gewalt ist hier klar rassistisch konnotiert. Die Machtmenschen sind allesamt weiß, sie tragen Gasmasken, mit denen sie sich gegen ein der Beulenpest ähnliches Virus schützen. Corona lässt grüßen und meets Mittelalter. Schwarze Menschen werden gejagt, verstümmelt, eingesperrt, als Sklaven in Chaingangs gehalten und in düsteren Fabriken ausgebeutet. Wenn sie, ungeschützt gegen das Virus, anfangen Beulen zu entwickeln und zu husten, werden sie einfach abgeknallt. Manchmal auch nur aus Vergnügen. Hier lassen die Bilder des Holocaust grüßen. Obwohl die Gewalt nicht explizit gezeigt wird: ihre Folgend werden es durchaus. Die hier und dort von Brücken baumelnden Leichen, die Spuren von Folter zeigenden Toten, hoffnungslose kranke Menschen im Todeskampf und die explizit gezeigte Panik, der Schmerz und die Todesangst der Gequälten reicht aus, um einem Albträume zu bescheren.
Die Wanderung der Hauptfigur durch verschiedene Landschaften ist filmisch großartig umgesetzt – von der verdorrten Erdwüste über roten Sand, bizarre Felslandschaften hin zu einer Oase aus Grün am Wasser. Die Natur ist schön und grausam zugleich. Wie der Mensch. Hier und da finden sich verlassende Steinhäuser, Geisterstädte, eine Art Steinfestung und eine rostige Industrieruine: Was der Mensch hinterlassen hat, taugt zu weiten Teilen nur noch als Szenerie für Albträume. Einzig ein alter Lokschuppen und eine vergessene Spielzeugeisenbahn deuten an, dass der Mensch auch Sinnvolles schaffen kann.
Die Hautdarstellerin Mwajemi Hussein, die aus der Demokratischen Republik Kongo stammt, trägt den Film schauspielerisch fast komplett allein – mit ihrer Mimik, die unser einziger Spiegel für das Grauen und die Hoffnung, den Durchhaltewillen, das Mitleid und die Verzweiflung ist, die uns der Film nahebringt.
Wie diese Frau mal barfuß, mal in diversen Schuhen von Toten durch die Dystopie läuft, sich als Überlebenskünstlerin ihrer gefährlichen Mission widmet, das ist ungewöhnlich und faszinierend anzuschauen. Die Begegnung mit einem Pärchen, das in dieser Welt der Gewalt helfend im Untergrund agiert, ist ebenso holzschnittartig geraten wie die Darstellung der gesichtslosen, zutiefst bösen Gewaltmenschen. Wenn man sich auf das Gestaltungsprinzip des Films als Metapher einlässt, funktioniert das freilich auch nur so.
Nach der 96-minütigen Tour de Force nimmt der Film eine – vielleicht vorhersehbare – Schlussvolte. Ohne zu viel verraten zu wollen: Das Schlussbild lässt einen den Film nicht wirklich einfacher verdauen. Und die Frage bleibt: Zu welchem Zweck hat man sich das jetzt eigentlich angetan?
Fotos: Triptych Pictures