Das Publikum in San Sebastian ist einfach begeisterungsfähig, auch bei Filmen, die quer zu jeder Erwartungshaltung liegen wie THE SUCCESSOR von Xavier Legrand. Wie ein Spalier steht das Publikum nach der Vorstellung in der Eingangshalle des Kursaals und hört nicht auf zu klatschen. Eine Regisseur:in, die hier mit ihrem Film Premiere feiert, fällt in ein Bad von Wohlwollen und offenen Armen. Die malerische Kulisse mit Sonne, Strand und Meer tut ihr übriges. Auch ich kann nicht verhehlen, dass ich sehr erleichtert bin, als ich nach der Vorstellung durch das Fenster des Kursaals die Weite des Meers sehen kann und mich, als ich nach draußen trete, die Sonnenstrahlen treffen. Legrands Film hat den Kinosaal noch dunkler gemacht, als er ohnehin schon ist.
Viel möchte ich über den Film kurz nach seiner Premiere nicht schreiben. Es ist nicht so, dass der Film nichts hergeben würde. Aber er lebt davon, das die Kinozuschauer:in einen ganz anderen Film erwartet und sich dann 15 Minuten nach Start des Filmes, neu zurecht finden muss. Das bringt sie in die gleiche Situation wie die Hauptfigur Ellias Barnes, einen Modeschöpfer aus Paris. Der hat gerade seine neue Modekollektion vorgestellt und alle sind begeistert. Doch plötzlich muss er wegen einer Familienangelegenheit nach Kanada in seine Heimatstadt Quebec. Dort merkt er, dass die Herzschmerzen, die er seit einigen Jahren spürt, nicht sein größtes Problem sind.
Wer (wie ich) naiverweise einen Film über die Modewelt erwartet, der sei gewarnt: damit liegt man komplett falsch. Es geht um Wendepunkte im Leben, die eintreten, wenn man völlig unvorbereitet in eine neue Situation gestellt wird, und vielleicht auch darum, wie wenig man seinem Schicksal, insbesondere seiner Familie, entkommen kann.
Kinozuschauer:innen, die eine gute Portion Suspense vertragen können und sich gerne überraschen lassen, werden sicherlich Gefallen an THE SUCCESSOR finden. Sie sollten bloß vorher keine Filmkritiken wie diese lesen.