SSIFF 2023: Filmgespräch mit Christian Petzold

Christian Petzold und Moderatorin des Filmgesprächs

Ich könnte nur dasitzen und zuhören. Mindestens für die Dauer eines Kinofilms. Wenn Christian Petzold wieder einmal auf einer Berlinale-Pressekonferenz seinen neuesten Film vorstellt und seine Geschichten und Assoziationen Funken schlagen, erliegt man leicht der Faszination dieses "eins sein" zwischen dem, was er sagt, und dem, was er als Filmemacher macht. Es ist ein Strom von Energie, aus dem dann Filme wie UNDINE, YELLA oder ROTER HIMMEL entstehen. Wenn Petzold seine Geschichten dazu auch noch zu Ende erzählen kann, wie beim Filmgespräch vor Filmstudent:innen in San Sebastian, dann ist die Wirkung noch stärker.

Blick aus dem Publikum auf das Filmgespräch mit Christian Petzold

Das Filmgespräch mit dem deutschen Regisseur lief beim diesjährigen San Sebastian Filmfestival im Rahmen der Sektion NEST, ein Wettbewerb mit Kurzfilmen von Student:innen verschiedener Filmhochschulen. Petzold macht gleich zu Beginn klar, was er von Kurzfilmen hält: gar nichts. Er hasst sogar Kurzfilme. In Kurzfilmen gehe es immer darum, einen Clou, einen Witz in eine komprimierte Form zu bringen und dann könne man mit dem Ergebnis um die ganze Welt von Festival zu Festival reisen und Pintxos essen. Dies sei aber nicht der Sinn des Filmemachens.

In seiner Zeit als Student an der DFFB in Berlin galt er lange Zeit als Versager, weil er drei Jahre lang keine Filme gedreht habe. Er wollte einfach keine Kurzfilme machen. Stattdessen habe er sich an der DFFB mit damaligen Kommilitonen wie Thomas Arslan am Schneidetisch durch die Meisterwerke der Filmgeschichte gearbeitet, um Einstellung für Einstellung zu verstehen, wie diese funktionieren.

In der Kürze der Zeit versucht Petzold, den Filmstudent:innen einen Einblick in seinen Schaffensprozess zu geben. Er beginne immer mit einer Kurzgeschichte. Diese sei nur 16-18 Seiten lang. Sie fasse die Filmidee zusammen, so als ob man nach einem Kinobesuch versuche, jemand anderes den Inhalt des Films nachzuerzählen. Diese Geschichte bespreche er dann mit Freunden und Kollegen, oft auch den Schauspieler:innen, die eine Rolle in dem zukünftigen Film übernehmen sollen. Danach gehe es sehr schnell und er schreibe das fertige Drehbuch manchmal in 2-3 Wochen.

Bei den Proben, ist es Petzold auch wichtig, dass er mit den Schauspieler:innen zu den Drehorten fährt, bevor diese von Produktionsteam und Blockern in einem quasi imperialen Akt abgesperrt werden und die Öffentlichkeit draußen bleibe. Die Schauspieler:innen müssten vorher die Geräusche und Gerüche der Orte in sich aufnehmen. In den Wochen bis zu dem Drehbeginn mache dies etwas mit Ihnen.

Sehr kritisch äußert sich Petzold in Bezug auf das Auftreten einiger US-amerikanischer Kollegen. Ein bekannter US-Regisseur sei z.B. neulich bei einer ähnlichen Nachwuchsveranstaltung wie Tom Cruise in MAGNOLIA auf der Bühne auf und ab getigert und habe dann Weisheiten wie "Ihr müsst immer in der Mitte des Flusses schwimmen" von sich gegeben. Solche Plattitüden brauche kein Mensch.

Petzold muss dann schnell weiter. Er ist dieses Jahr Mitglied der Wettbewerbs-Jury von San Sebastian und das nächste Jurorengespräch wartet bereits auf ihn. Vorher gibt er aber noch eine Einschätzung zum derzeitigen Stand des Kinos ab, die ich gut nachvollziehen kann. Er habe in letzter Zeit eine Abneigung gegen das Art-House Kino entwickelt, das derzeit von Problemfilmen dominiert würde. Diese würden dann von Festival zu Festival gereicht, liefen aber nicht mehr im Kino. Was dagegen fehle ist das Genrekino. In welchem Film werde heute noch eine Bank überfallen?

Kommentare ( 1 )

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