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Februar 2006

Eine Bärennachlese

Berlinale vorbei. Ein wenig auch Erleichterung, denn für wie lange kann man unter Licht - und Schlafentzug ein für die Umwelt vorzeigbares Gesicht wahren? Wie diese Berlinale war, darüber gibt es kein allgemeingültiges Urteil. Es hängt einfach zu sehr an den Filmen, die man unter den 400 gesehen hat. Jeder hat so seine eigene Berlinale gehabt. Christian hat sich z.B. während der Preisverleihung fast bis zum Schluss geärgert, er habe keinen der auserwählten Filme gesehen...und er hat schon viel geschaut. Zum Schluss hat er aber doch zwei prämierte Filme gesehen.

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Jafar Panahi

Einer davon war “Offside”, der iranische “Fussballfilm”. “Offside” wurde sowohl von Chistian und Tiziana als auch von Rene sehr gelobt. Er steht für die Filme des Festivals, die um der Zensur zu entgehen, Kritik auf subtile Art und Weise ausdrücken und so zu einer eigenen Filmsprache finden. Ein anderes Beispiel hierfür war “Little Red Flowers”, der als Panorama Film aber für einen Bären nicht in Frage kam.

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Pat Garrett & Billy the Kid von Sam Peckinpah

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Pat Garrett hat drei Wünsche: Er will alt und grau und reich werden. Dafür ist er zur falschen Zeit am falschen Ort. Das New Mexico Territory um 1880 bietet sich nicht für eine beschauliche Verrentung an. Außerdem hat Pat Garrett ein Problem: Er hat die Seiten gewechselt und ist vom Outlaw zum Sheriff geworden. Dafür verachtet ihn nicht nur sein alter Freund Billy the Kid, sondern sogar seine eigene Frau. Im Auftrag des Gouverneurs macht sich und der Großgrundbesitzer macht sich Garrett (James Coburn zeigt, dass auch der Vollstrecker des Systems cool aussehen kann) auf die Suche nach Billy the Kid (Kris Kristofferson mit Babyspeck). Am Ende hat sich der Outlaw quasi-selbstmörderisch in die Kugeln des Gesetzeshüters gestürzt. Garrett verzweifelt trotzdem an dem erfolgreich ausgeführten Auftrag und reitet allein in den Sonnenaufgang.

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Am Ende

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Ort, Zeit und Bild fließen zusammen. Filme, Leute und Momente schieben sich übereinander. Berlinale 2006 thanks, merci, danke, gracias, 謝謝, ありがとう شكرا usw...(Fortsetzung folgt)

Kinderfilmfest: Doodh aur Apheem (Milk an Opium) von Joel Palombo

Sufi-Country-Roadtrip-Musical

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Zum Abschluss der Berlinale mal was anderes: Kinderfilmfest im Zoopalast. Achthundert Kids und ich, zum ersten Mal deutsches Einsprechen über Hindi mit englischen Untertiteln und dann dieser total merkwürdige Roadtrip eines jungen Sufi-Musikers durch Indien.

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Wettbewerb: Candy von Neil Armfield

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Die Intensität meiner Eindrücke ist noch nicht diskursivierbar...

Wow! Heath Ledger, einer der Cowboys aus Brokeback Mountain, und Abbie Cornish haben es wirklich geschafft. Candy ist eine Liebesgeschichte, in der auch Drogen eine Rolle spielen. Kein Drogenfilm, kein Klischeefilm, einfach nur gut. Kein leichter Film, kein schöner Film, aber ein bewegender. Mein persönliches Berlinale-Highlight! Ansonsten: siehe Überschrift.
Ansehen!

Offside von Jafar Panahi (III)

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Zwei Kritiken zu Offside gibt es schon, warum noch eine? Weil es der beste Film war, den ich bei dieser Berlinale gesehen habe. Es gab komplexere, ambitioniertere, aufwendigere und schwierigere Filme bei diesem Festival. Aber es gab keinen Film, der mir soviel Spaß gemacht hat, bei dem ich so viel und so laut gelacht habe.

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Das große Festival der kleinen Filme - die Bären

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Die Gewinner des Abends: Jasmila Zbanic, Pernille Fischer Christensen, Moritz Bleibtreu und Sandra Hüller

Während einige heiße Favoriten wie Sandra Hüller ihren Bären bekommen haben, sorgten zwei kleine Produktionen für Überraschungen:. die bosnische-östereichische Ko-Porduktion „Grbavica“ gewann den einzigen Goldenen Bären für den besten Film. „En Soap“ , der dänische Film über die Hindernisse einer Liebe zwischen einer Frau und einem Transsexuellen gewann gleich zwei Preise: den Jurypreis für das beste Erstlingswerk und einen Silbernen Bären für den großen Preis der Jury.


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Preise der unabhängigen Jurys

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Bären gibt es keine in der saarländischen Landesvertretung. Dafür aber “wunderschöne” Hundeporträts an den Wänden. Allein deshalb lohnt es schon hierhin zukommen. Für das leibliche Wohl ist auch gesorgt. Im Foyer wartet ein leckeres Buffet. Ein angenehmer Rahmen für die Verleihung der Preise der unabhängigen Jurys.

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German Cinema: "Im Schwitzkasten" von Eoin Moore

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Alle reden von Elementarteilchen, weil da angeblich alle wichtigen deutschen Schauspieler mitspielen. Nein sage ich da - allerhöchstens die Hälfte. Denn die andere Hälfte finden wir "Im Schwitzkasten": Edgar Selge, Christiane Paul, Laura Tonke, Andreas Schmidt (gerade als LKW Fahrer in Sommer vom Balkon zu bewundern), Esther Zimmering, Steffi Kühnert und Charly Hübner.
Für den neben mir sitzenden Drehbuchautor war das Qualtitätskriterium des Films, dass viel gelacht wird während der Vorführungen. Recht hat er. Und das ist die Berliner Sommergeschichte:

Jeden Donnerstag, auch wenn die Leute draussen Shorts und T-Shirt tragen, wird in der Sauna "SCHWITZKASTEN" gemeinsam beim Latschenkieferaufguß gelitten und geächzt. Die Geschwister Nadine und Jost betreiben die Sauna, hier trifft sich regelmässig ein illustres Grüppchen: Der Langzeitarbeitslose Toni, die Ex-Stewardess Dani, die Vertreterin und Versicherungsmaklerin Karin, die turbantragende Afrikafreundin Monika sowie Norbert, Literaturprofessor und Redenschreiber für seine Frau, eine Bundestagsabgeordnete. So nackt und schwitzend lernt man Leute ganz gut kennen, aber...

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Forum: "La Prisionera" von A. Moguillansky & F. Villanueva

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Meisterleistung!
Ein Film, der es schafft, 75 Minuten von Nichts zu handeln. Gar nichts. Als nach der Hälfte nicht klar war, um wen es geht, was die Figuren wollen, wer eigentlich beim wem wohnt und mit wem zusammen ist oder war oder sein will und wo eigentlich das Problem ist, dachte ich: Klasse, die machen es spannend, am Ende werden die Fäden zusammengeflochten. Falsch gedacht. Es waren schöne Bilder aus Buenos Aires, hübsche junge Menschen, die alle irgendwie mit Musik zu tun hatten und in grandiosen Altbauapartements wohnen. Zwei Frauen, ein Mann laufen rum, reden über ein Beethoven Thema und eine gestohlene Uhr. Tja. Das ganze wird in zwei Teilen erzählt, von denen man nicht sagen kann, warum der Erste, der Erste ist und nicht einfach der Zweite. Ist nämlich egal.

Ein echter Debutfilm von der Filmhochschule, bei dem die Regisseure sicher was gelernt haben. Nur dass wir daraus nichts lernen. Und auch nichts mitnehmen. Aber möglicherweise war das auch nicht der Anspruch.

Retrospektive: Letjat schurawli (Wenn die Kraniche ziehen) von Michail Kalatosow

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Ein russischer Film aus den Fünfziger Jahren bei der Berlinale: Ist das nicht ein bisschen trist als Freitagabendgestaltung? Könnte man meinen, aber wie so oft folgt eine Überraschung: Der Film „wenn die Kraniche ziehen“ ist ein sowjetisches Drama vom 1958, dass vor allem durch eine unglaublich variable Kameraführung – schnelle Schwenke, Vogelperspektive , Handkamera inklusive – besticht. Der Film wirkt so modern, als sei er seiner Zeit locker um 20 Jahre voraus.

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Schlachtfeld Berlinale

Die Deutschen sind im Ausland besonders dafür bekannt, dass sie noch vor dem Frühstück im Hotel mit einem Handtuch Strandliegen reservieren. Heute morgen gab es keine Liegen, keinen Strand, nur einen Sitz in der zweiten Stuhlreiche auf der PK von “Requiem”. Auf diesem Sitz lag ein Blatt Papier. Nachdem ich mich nett erkundigt hatte, setzte ich mich, um aber bald darauf aber fauchend von einer Dame des Platzes verwiesen zu werden: “Das geht ja wohl so nicht. Sie sehen doch, dass der Platz besetzt ist”. Oh je, gefährliche Presse.
Was für Reservierungsstrategien in den Berlinale Kinos herschen, kann übrigens auf dem filmtagebuch nachgelesen werden.

Perspektive Deutsches Kino: "Schöner Leben" von Markus Herling

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Es ist mein dritter Film heute, draußen hat der Nieselregen den Schneematsch abgelöst und etwas naiv warte ich darauf, dass bald Frühling wird. Ein Film über den heiligen Abend hat es bei mir also nicht leicht, das gebe ich zu.

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Wettbewerb: Requiem von Hans-Christian Schmid (II)

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Schon jetzt ist klar, dass dieser Film in der deutschen Medienlandschaft landauf-landab besprochen werden wird. Er greift Themen auf, die Deutschland bewegen: zum einen der katholische Glaube aber noch viel mehr die Sprengkraft der Institution Kleinfamilie. Requiem beobachtet die Ambivalenz dieser sozialen Form, die oft Hort der Liebe und Quell von Psychosen zugleich ist.

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Wettbewerb: Isabella von Pang Ho-Cheung

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Der frustrierte und wegen Korruption suspendierte Polizist Shing, gespielt von Chapman To, stürzt sich von einem Frauenabenteuer ins nächste. Dabei macht er eines Nachts in einer Bar ein junges Mädchen an. Yan sitzt in seinem Wohnzimmer am nächsten Morgen und schlürft Nudeln. Sie verfolgt Shing, bis er sie entnervt zur Rede stellt. Sie behauptet, seine Tochter zu sein. Yans Mutter war seine erste Freundin, ist kurz zuvor gestorben. Und Isabella? Das ist ein kleiner Streuner, den Yans Mutter ihr geschenkt hatte. Der ist verschwunden, und Yan ist verzweifelt. Die Suche nach Isabella bringt die beiden näher zusammen. Nach und nach findet Yan einen Platz in Shings Leben, zieht bei ihm ein und stellt seinen bisherigen Lebenswandel auf den Kopf, während Shing sich immer mehr mit seiner neuen Rolle anfreundet. Die Geschichte spielt kurz vor der Übergabe Macaos an die Volksrepublik China Ende 1999. Pang Ho-Cheung versucht dem Film etwas Künstlerisches zu geben, wird auch mit Wong Kar-wai verglichen, doch davon ist er noch einige Längen entfernt.

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Wettbewerb: Offside von Jafar Panahi (II)

"Was ist bloß los mit euch Teheraner Mädchen?"

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Iran gegen Bahrain. Qualifikationsspiel für die WM in Deutschland. Die fußballbegeisterte Stadt Teheran ist in heller Aufregung. Fahnen, bemalte Gesichter, Sprechchöre – junge und ältere Männer strömen ins Stadion. Und wenn man genau hinschaut, steckt unter dem einen oder anderen Basecap auch ein Mädchengesicht. Weibliche Fußballfans gibt es auch im Iran. Allerdings müssen sie sich als Jungs tarnen, um ins Stadion zu gelangen. Was passiert, wenn die Verkleidung dieser Mädchen auffliegt? In Jafar Panahis "Offside" nichts wirklich Schlimmes – denn die erwischten Mädchen sind erfrischend selbstbewusst, bringen die Ordnung der Dinge ins Wanken, und entlarven mit Witz und Raffinesse die Absurdität des Stadionverbots.

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Wettbewerb: Requiem von Hans-Christian Schmid (I)

Von der Ohrfeige zur Stillen Nacht

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Beeindruckend, beklemmend und großartig gespielt: Hans-Christian Schmid hat mit "Requiem" den mit Abstand besten deutschen Wettbewerbsbeitrag vorgelegt. Das Thema: Ein Fall von Exorzismus mit tödlichem Ausgang, der sich in der süddeutschen Provinz in den 70er Jahren mehr oder weniger tatsächlich so zugetragen hat. Aber vor allem geht es um Michaela: Eine empfindsame junge Frau, gespielt von der großartigen Sandra Hüller, die mit ausgeprägt starkem Willen versucht, ihren eigenen Weg zu finden: Zwischen tief empfundenem Glauben, erzkatholischer Familie und der ersehnten Befreiung aus dem kleinbürgerlichen Milieu durch das Studentenleben. Aber epileptische Anfälle und Wahnvorstellungen treiben Michaela zur Verzweiflung. Bald ist sie fest davon überzeugt, von Dämonen besessen zu sein.

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Wettbewerb: "Offside" von Jafar Panahi (I)

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Männerfussball ist Frauenfussball ist Völkerball

Dann bin ich ihn doch noch losgeworden: Den schwarz rot goldenen Kugleschreiber mit dem einem Fussball als Druckknopf, den wir letztes Jahr im Iran mithatten (dazu Mützen, Magneten, den ganz Fanquatsch). Als Gastgeschenke und Propagandamaßnahme für die WM. Denn die Iraner lieben Fussball, lieben Deutschland (Ja! Wirklich!) schauen via Satelit sogar Bundesliga (obwohl ihnen die 1 Liga in Italien, England und Spanien besser gefällt). Überreicht bekam diesen dollen Kugelschreiber der Tonmeister des Films "Offside", weil ich außer einem "Danke für den Film" gerade nichts parat hatte.

Das Setting von "Offside" ist das Spiel Iran gegen Bahrain, bei dem sich die Iraner im letzen Jahr für die WM bei uns qualifiziert haben. Vom Spiel selbst sieht man aber nur einige Sekunden, einmal kurz in Stadion und einmal auf einem Fernseher. Der Rest dreht sich um eine handvoll Frauen, die als Männer verkleidet ins Stadion wollten und dort aufgegriffen werden. Von 3 Soldaten bewacht, können das Spiel nur noch hören oder lassen es sich von einem der Soldaten beschreiben. In der Zwischenzeit diskutieren sie mit den Soldaten über den Irrsinn der Trennung der Geschlechter im Iran...

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Wettbewerb: Invisible Waves von Pen-ek Ratanaruang

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Im Auftrag seines Chefs Wiwat muß der japanische Koch Kyoji dessen Frau umbringen, die zufällig auch seine Geliebte ist. Er bekommt von Eric Tsang als mysteriöser bandagierter Mönch einen Umschlag mit Geld und einer Überfahrt nach Phuket. Er steigt also in Hongkong auf ein lautes, ungemütliches Schiff ein, versucht in der fensterlosen, donnernden Kabine die Zeit zu verdrücken. Es sind zwar kaum Menschen auf dem Schiff zu sehen – leere Gänge, leere Bar, leerer Pool -, doch zufällig ist an Deck eine wunderschöne junge Frau namens Noi mit einem kleinen Baby. Irgendwie kommt Zuneigung bei ihm auf, obwohl er von Schuldgefühlen und Übelkeitsanfällen geplagt ist. Gleichzeitig folgt ihm ein anderer Mann und sehr viel Pech, denn was er noch nicht ahnen kann, Noi ist die Freundin vom Chef. Klingt ganz nett – aber auch nur wenn der Film 15 Minuten statt quälende 115 Minuten gedauert hätte. Achtung: hier ist die eigentliche Rezension zu Ende. Weiterlesen auf eigene Gefahr.

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Wettbewerb: "Find me guilty" von Sidney Lumet

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Einer für alle und alle für Einen

Nach eine wahren Geschichte. Diese Einblendung gab es bei auffallend vielen Filmen in diesem Jahr. Es ist Lumets dritter Gerichtsfilm in seinem über 50 jährigen Filmeschaffen. Unfassbar, was der Mann alles gemacht hat (Filmographie). Diesmal geht es um einen gigantischen Prozess gegen die Mafia, der mit hunderten Zeugen über zwei Jahre gegen 20 Angeklagte gleichzeitig geführt wurde. Vin Diesel spielt Jackie DiNorscio, der sich als Einziger der Angeklagten selbst verteidigt hat. Jackie ist ein sehr einfacher Typ, der die meiste Zeit seines Leben im Gefängnis verbracht hat, zu Wutausbrüchen und einer unflätigen Sprache neigt - alles Eigenschaften, die vor Gericht nicht unbedingt weiterhelfen. Weil das Ganze ein Gruppenprozess ist, fürchten seine Kumpanen, dass Jackie sie durch seine zunächst hahnebüchene Verteidigungsmethode mit runterzieht. Deshalb steht er bald völlig allein da, von seinen Buddies geschnitten, als Einziger im Knast, von Staatsanwalt und Richter mißtrauisch beäugt. Aber er läßt sich trotzdem nicht unterkriegen.

Ein sehr amerikanischer Stoff, einer gegen Alle, und dazu der vermeintliche Looser, der sich am Ende als die entscheidende Figur herausstellt.

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Wettbewerb: Livresse du pouvoir (Geheime Staatsaffären) von Claude Chabrol (2)

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Drehbuchautorin Odile Barski, Claude Chabrol und Isabelle Huppert auf der Pressekonferenz

Viel hat sich in den letzten Jahren bewegt: Irak-Krieg, Tsunami, Merkel. Nur sehr dunkel kann ich mich an einen Skandal erinnern um einen französischen Öl Konzern, um Bestechungen von Politikern und um die "Ikone" Helmut Kohl. Mehr bekomme ich nicht mehr zusammen über die sog. "elf Affäre". Hinein also in den neuen Chabrol Film "Livresse du pouvoir", der sich dieses Themas angenommen hat, natürlich nicht ohne sich bereits zu Beginn des Films abzusichern, dass Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und Geschehnissen völlig unbeabsichtigt sind.

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Bring mir ma ne Flasche Bier, sonst streik ich hier...

Eine Flasche Bier hab ich dem Film gegeben. "El Cielo Divido" Wieder ein Film über schwule Liebe im Panorma. Ist ja auch 20 Jahre Teddy Award - na gut. Aber nach 30 Minuten ohne Worte, dafür mit ganzganz viel verliebten Blicken und Leibern von zwei jungen Hüpfern in Buenos Aires, bin ich ausgestiegen, als der Dritte dazu kam, der noch weniger sagte (kann man das, weniger als Nichts sagen?) und das Ganze zur schweigenden, argentinischen Menage a Trois wurde. Dit is Kunstkino. Vielleicht bin ich auch einfach nur ignorant und übersättigt.

Hab dann mein Bier in einen deutschen Film getragen (ein Schluck war noch drin). "Vier Fenster" heißt er. Ausverkauft, musste auf die Treppe, aber man kann da auch liegen und Wohnzimmer simulieren. Der Film von C.M. Müller: Nette Idee eigentlich, aus der Perspektive von jedem Mitglied einer Familie (Mama, Papa, Sohn & Tochter) einen Tag zu zeigen. Es ging dann vor allem um unterdrücktes Verlangen und sexuelle Frustration, um Inzucht, schwanger vom Papa, schwule Klappe im Sexkino, Gewaltgelüste und wie das sich auf die Familie auswirkt. Das tut es nämlich. Ach?
Die Schauspieler gut, aber too much Probleme für eine Familie und einen Tag. Das Bier war dann alle, die Probleme blieben auch im Film unlösbar. Bin ich halt nach Hause. Und dann fiel mir dann die schöne Textzeile vom gestrigen Sterne Konzert ein: "Was weiß der Grashalm, was ihn knickt." Genau meine Meinung.

Wettbewerb: „L’Ivresse Du Pouvoir“ (Geheime Staatsaffären) von Claude Chabrol

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Sie ist natürlich toll: Isabelle Huppert als kaltschnäuzige Staatsanwältin, die die korrupten, verweichlichten Männerbünde das Fürchten lehrt, welche sich auf Kosten des französischen Steuerzahlers bereichern. Aber so nach einer dreiviertel Stunde wird man ihrer überdrüssig, weil sie nur das ist, Anwältin, die sich in die Staatsaffäre verbissen hat und darüber auch ihre Ehe scheitern lässt. Weil ihr Mann mit der starken Frau nicht klarkommt, weil eigentlich kein Mann mit ihr klar kommt, am wenigsten die Mächtigen. Sie haben Angst. Gut, das ist der Einbruch der Frauen in den Herrenclub - und weiter? Das Problem ist: Sobald man der Hauptfigur überdrüssig ist, wird auch der Film nur noch lang, sehr lang, weil soooo viel geredet wird und so viele Namen und Leute auftauchen, die irgendwie verwickelt sind. Alles feingewandete Herren, viele Verhöre, ein paar entspannte Gespräche unter Frauen, eine sprachlose Ehe.

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Panorama: Kann Shang Qu Hen Mei (Little Red Flowers) von Zhang Yuan

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Der vierjährige Qiang kommt in ein (Elite)Kindergarten und soll auf Kommando mit allen anderen kleinen Zöglingen Pippi machen, in Reih und Glied spazieren und zur befohlenen Zeit schlafen. Wenige Jahre sind vergangen seit der Gründung der Volksrepublik 1949. Anfangs lacht man über seine Ungeschicktheit, seine frechen Witze, seine kleinen Versehen. Rote Papierblumen bekommen die Kinder, wenn sie artig allen Anweisungen folgen und so pflegeleichte, funktionierende Mitglieder der Gesellschaft werden. Eine große Tafel prangt im Klassenzimmer mit allen Kindernamen, daneben die roten Blumen, die die einzelnen Kinder sich verdient haben, und Qiang starrt heimlich mit sehnsüchtigen Augen diese Tafel an, denn er wünscht sich auch eine rote Blume. Dong Bowen spielt die Figur so gut, dass jeder Zuschauer sich sofort in diese großen runden Augen verlieben muss. Er ist aufgeweckt und schlau, das passt nicht in Lehrerin Lis Welt, in die der Direktorin, in die einer konformistischen Gesellschaft.

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Forum: Lucy von Henner Winckler

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“Lucy” ist kein deutscher Film wie Elementarteilchen, dessen Staraufgebot Medien und Berlinale Publikum bereits im Vorfeld paralysiert. Nicht einer der Schauspieler in “Lucy” dürfte dem durschnittlichen Kinogänger bekannt sein. Auch das Thema, eine
Milleustudie über die Lebensstrategien einer jungen, ostberliner Teenagermutter, taugt weder für Schlagzeilen noch für das Herbeireden der x-ten Wiederauferstehung des deutschen Films. Trotzdem sind um 10 Uhr morgens Sitze und Gänge im CinemaxX 3 am Potsdamer Platz voll besetzt. Das freut nicht nur Forums Mitarbeiter Ansgar Vogt, den ich später am Nachmittag zwischen Tür und Angel bei Starbucks treffe, sondern auch mich. Es zeigt, dass es ein Publikum gibt, welches nicht nur Unterhaltung und Entspannung erwartet, sondern auf der Suche ist nach Filmen, die sie angehen, die sich mit ihrer Welt und ihren Problemen beschäftigen.

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Wettbewerb: "Sehnsucht" von Valeska Grisebach (2)

Ein kleines deutsches Weltwunder, was Valeska Grisebach da geschaffen hat. Immerhin hat sie es geschafft, mich morgens gegen Viertel vor zehn zum Weinen zu bringen. Eine Szene, die - und nicht nur die - Szeneapplaus bekommen hat. Szenenapplaus in Deutschland, also bitte! ...

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Die Liste - Teil zwei

Popjournalisten müssen Listen schreiben. Das habe ich mal irgend wo gehört. Kann aber auch schon ein paar Jahre her sein. Egal. Hier ist meine, Teil zwei. Thema diesmal: Die Liebe. Denn auf der Berlinale gibt es auch wichtige Dinge darüber zu lernen:

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Berlinale 2007

Noch ohne Kaffee stolpere ich morgens aus der Haustür und falle fast über die Kabel. Ein kleine Menschentraube hat sich versammelt...egal ich muss jetzt zum Potsdamer Platz. Als ich mich kurz umdrehe, schaue ich in das entsetzte Gesicht einer jungen Frau mit Block und Pudelmütze...oh..bin ich etwa im Bild....ja, ja hier wird gedreht, also nutze ich die andere Strassenseite. Kurz darauf erklingt: “Wir können jetzt drehen. MAZ ab” und schon machen Statisten genau das, was mir verboten wurde und laufen als Passanten verkleidet über den Bürgesteig.

Perspektive Deutsches Kino: "Der Lebensversicherer" von Bülent Akinci

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Zuerst erkennt man die Stimme. Sie gehörte schon Amon Göth, dem SS Mann aus "Schindlers Liste" und sie gehörte dem "Englischen Patienten". Jens Harzer leiht seine Stimme immer Ralph Fienes und sie hat diese faszinierende Mischung aus Ruhe und unterdrückter Emotion, die zugleich zärtlich und furchteinflössend ist. Die Stimme eines Menschen, der im nächsten Moment hochgehen könnte wie eine Bombe. So einen spielt er auch in "Der Lebensversicherer", ein Mann, bei dem man nicht weiß, ob er mit jedem Tag mehr kaputt geht oder sich noch mehr Energie aufstaut. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlt, entlädt sie sich, dann hämmert er in der Waschstrasse oder nachts, auf irgendeinem Rastplatz, auf sein Lenkrad und sich selbst ein. Burkhard verkauft Lebensversicherungen, lebt in seinem Auto, ruft nur noch von Telefonzellen zu Hause an, erreicht dort aber immer nur den A.B. und macht dann Versprechungen: "Bald bin ich zu Haus, ich habe heute gut verkauft." Aber er fährt nie nach Haus. Wenn er wie in einem Levis Werbespot in Unterwäsche in der Reinigung auf seinen Anzug wartet, hat das so gar nichts Cooles.

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Forum: "37 Uses for a Dead Sheep" von ben Hopkins

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Ich liebe Geschichten am Lagerfeuer. Wenn wir uns die Hände wärmen, während die Alten von früher erzählen. So möchte ich es auch im Film haben, nicht reisserisch aber zumindest mit einem dramaturgischen Faden.

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Forum: "Bokura wa mo kaerenai" (We Can’t Go Home Again) von Fujiwara Toshi

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Fünf junge Menschen sind in Tokio auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Mao ist Redakteurin in einem Verlag für Filmbücher und hat Komplexe, sie wisse zu wenig für diesen Job (stimmt auch). Yushin arbeitet dort als Praktikant, ist Filmfreak und ungerecht zu seiner Freundin. Kurumi nennt sich Lady Satori, verdient Geld als Domina und ist unerfüllt in ihrer Liebe zu Masato, platonisch. Atsushi macht immer Fotos von verschiedenen Orten oder Motiven, doch im Vordergrund ist immer sein Gesicht. Dann gibt es noch einen mysteriösen jungen Mann mit grimmigem Gesichtsausdruck, der Mao immerzu verfolgt. Der Regisseur meinte: „Dieser Film entstand als `kollektive Improvisation´ von Laiendarstellern.“ Genauso muss man sich die Geschichte dann vorstellen – wie eine Abschlussarbeit der Filmhochschule.

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Panorama: Shisso (Dead Run) von Sabu

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Der junge Mann Shuji erlebt den Verfall seiner Umgebung. Als erstes sollen Familien vom aufgeschütteten Land an der Küste einem Luxushotel Platz machen, den als Baulöwen getarnte Gangster geplant haben. Dann wird sein älterer Bruder von der Schule suspendiert, weil er seine guten Noten erschummelt hatte und verraten wurde. Einzelne Wohnhäuser brennen nach Brandstiftung nieder, Shujis Bruder kommt ins Gefängnis, sein Vater verschwindet, irgendwann auch die Mutter. Währenddessen hat er seine erste Liebe gefunden, die auch schon wieder wegziehen muss. Ihre Begegnungen sind immer mit dem Laufen verbunden. Und dabei sucht er Trost bei einem christlichen Priester, der ihm die Bibel nahe bringt. Klingt ganz gut, ist aber eine dead end Geschichte.

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Wettbewerb: "Sehnsucht" von Valeska Grisebach

Epische Liebe in Brandenburg

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Die Geschichte ist bekannt: Ein Mann und eine Frau lieben sich seit langem. Dann verliebt sich der Mann in eine andere. Die Filmemacherin Valeska Grisebach hat ihren Hauptdarsteller irgendwo im Brandenburgischen "beim Schuhe zubinden" gecastet. Schauspielerfahrung hatte er vorher keine. Das ganze Ensemble von "Sehnsucht" besteht aus Menschen, die keine Profis sind. Die Idee ist klar: Große Gefühle passen eigentlich nicht zum wortkargen, nüchternen Menschenschlag in Brandenburg. Oder doch?

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Forum: "Aus der Ferne" von Thomas Arslan

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„Aus der Ferne“ ist ein fast kommentarloses Bilderbuch der Reise des Berliner Regisseurs Thomas Arslan durch die Türkei. Sie beginnt in Istanbul und Ankara und endet in den kurdischen Gebieten des Ostens. Nur wenn Arslan eine neue Reisestation erreicht, hören wir zur Einführung ein paar Sätze aus dem Off. Ansonsten wird uns die Aufgabe überlassen, in den langen Einstellungen den richtigen Bildausschnitt auf das türkische Strassen- und Alltagsleben zu suchen.

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Memory for Max, Claire, Ida and Company von Allen King (2)

Vier Monate lang hat der Dokumentarfilmer Allen King alte Menschen in einem Pflegheim gefilmt, sehr alte Menschen: Und weil sehr alte Menschen auf uns oft faszinierend, rührend und abschreckend wirken, ist es ein sehr bewegender Film geworden. Ein halbes Jahr hat Allen King gebraucht, um überhaupt die Drehgenehmigung für das Altenheim zu bekommen...

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Wettbewerb: Zemestan (It's Winter) von Rafi Pitts

Ein Mann geht, ein anderer kommt

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Es schneit. Es ist kalt. Es ist Winter. Die einzigen schwarzen Punkte im Schnee sind die Gleise und ein hagerer Mann, der langsam an ihnen entlang geht. Aus dem Off erklingt ein Gedicht von Mehdi Akhavan Saless. Es erzählt davon, wie im Winter die Menschen den Gruß nicht erwidern, weil sie den Kopf zwischen den Schultern und den Kragen hochgeklappt haben.

Rafi Pitts Film "Zemestan" erzählt von Arbeit und Arbeitssuche, vom Weggehen und Bleiben, von Traum und Realität, und auch vom Winter: nicht nur vom tatsächlichen, sondern auch vom metaphorischen in der Gesellschaft. Und es geht um lebensnotwendige Farbtupfer.

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Forum: Men at Work (Kargaran mashghool-e karand) von Mani Haghighi

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Große Allegorie oder einfach ein Film über Buddies?

Vier Männer kommen vom Skifahren und auf der Passtrasse entdecken sie einen phallusartigen Felsen. Sie beschließen: Dit Ding muss wech! Warum auch immer, völlig sinnlos, aber egal. Als Reißen und Ziehen nicht dazu führt, den verdammeleiten Stein in die Schlucht zu stoßen, sind sie bald Besitzer eines Esels, der helfen soll, sie fällen einen Baum, um den Fels umzuhebeln, reißen Strassenschilder heraus, ziehen mit der Seilwinde des Jeeps und der Methoden mehr. Es gesellen sich andere Leute dazu, einige Bekannte, die kurz ihre Ideen einbringen, wie man den Stein wegbekommen könnte, aber dann schnell wieder aufgeben, ein paar Frauen tauchen auf, die sich eher um den armen Esel und ihre manischen Freunde kümmern, den Felsen aber links liegen lassen. Das ist die Arbeit der Männer, denn sie scheinen auch dafür verantwortlich....

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Panorama: Knallhart von Detlef Buck

Überleben in Neukölln

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Der neue Film von Detlef Buck ist alles andere als eine Komödie. „Knallhart“ ist eine Mischung aus Mafiafilm und realistischer Milieustudie. Erzählt wird die Geschichte des 15jährigen Michael, der mit seiner Mutter aus einer noblen Villa in Zehlendorf nach Neukölln umziehen muss und dort mit einer ihm feindlich gesinnten Welt konfrontiert wird. In seiner neuen Schule haben sich die herkömmlichen Autoritätsstrukturen schon längst aufgelöst und der Alltag wird von rivalisierenden Jugendgangs bestimmt. Eine besonders brutale Gang sucht sich Michael als neues Opfer aus und macht ihm fortan durch Erpressung und Gewalt das Leben zur Hölle.

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Wettbewerb: "The Road to Guantanamo" von Michael Winterbottom & Matt Whitecross

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Das Absurdeste zuerst: Die Szenen, die im Gefangenenlager Guantanamo auf Cuba spielen, wurden in Teheran gedreht. Am ganz anderen Ende auf Bushs Achse der Guten und Bösen. Und gerade in den dort gedrehten Szenen zeigt Winterbottom, wie die USA ihre ureigensten Werte verraten haben, um sich der Illusion von Sicherheit und eines Krieges alter Machart (Die gegen uns) hingeben zu können. Mit schrecklichen Folgen für diejenigen, die dabei ins Fadenkreuz der Terroristenjäger geraten.

Man hat sich an die Existenz von Guantanamo gewöhnt, obwohl wir wissen, was dort vor sich geht: Etwa 300 Menschen werden ohne Anklage, ohne die Möglichkeit ihre Familie oder Anwälte zu sprechen, in Käfigen wie im Tierheim gehalten. Sie werden gefoltert und bei kleinsten Vergehen in Einzelhaft gesteckt, manchmal wochenlang, sie werden ständig befragt, verhört, beschimpft und damit gebrochen. Man will von den wahllos eingekerkerten Männern erfahren: Wo ist Bin Laden. Die Frage ist so verrückt, dass die Zuschauer im Kino nur noch lachen konnten, als der CIA Mann sie einem der Jungen schließlich stellt. Aber zum Lachen gab es sonst wenig in dem Film...

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Wettbewerb: The Road to Guantanamo von Michael Winterbottom

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Schon Tage vor dem Beginn der Berlinale und, wie wir später erfahren, auch Tage bevor der Film überhaupt fertig geschnitten ist, schwappt “The Road to Guantanamo” bereits eine Welle der Symphatie entgegen. Der Körper von Dieter Kosselick scheint fast vor Emotionalität zu beben, als er auf der Pre-Berlinale-Pressekonferenz sagt: „Und besonders freue ich mich, dass wir den Film von Michael Winterbottom mit im Programm haben, der auf die Situation der Menschen hinweist, die gegen alle Menschenrechte in Guantanamo festgehalten werden.” Ein Film also, den “wir” schon gut finden, bevor wir ihn überhaupt gesehen haben, ein „Fahrenheit 9/11“ für die Berlinale 2006.

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Panorama: Strákanir Okkar (Eleven Men Out) von Róbert I. Douglas

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Schwule Fussballer spielen Fussball

Wie der Regisseur vor dem Film richtig anmerkte: Es gibt wenig Fussball, dafür um so mehr Duschszenen in „Eleven Men Out“ zu sehen: Óttar ist Stürmer beim 1. Ligaklub KR. Am Ende eines großen Spiels verkündet er in der Kabine während die halbe Mannschaft nackig vor ihm steht: Ich bin schwul.
Weil es in der Vorstellung der meisten Leute in etwa so viele schwule Fussballer gibt, wie heterosexuelle Modemacher, folgen dem Outing natürlich Probleme.

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Tschingerassabumm beim jungen deutschen Film

Einmal im Jahr trifft sich der junge deutsche Film (ab 19, bis ca. 50) zum Kindergeburtstag. Auf Einladung und Deckel des "ZDF Kleines Fernsehspiel" (dem – Taschengeldgeber des jungen deutschen Films)gings dieses Jahr in den Sage-Club – 2 Stunden hatte der junge deutsche Film Zeit, ...

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"Im Schwitzkasten" - junger deutscher Film von Eoin Moore

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Panorama: The Proposition von John Hillcoat

“The sudden burst of violence

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...followed by long sequences full of silence and beauty” so charakterisierten Regisseur John Hillcoat und Drehbuchautor Nick Cave den Einsatz der Gewaltscenen in ihrem australischen Western “The Proposition”. Und diese Gewaltausbrüche haben es dann auch wirklich in sich und gehören zu den brutalsten Scenen, die ich seit langem gesehen habe. Aber sie haben tatsächlich ihre Berechtigung innerhalb der Geschichte, die erzählt wird. Eine blutige, alttestamentarisch anmutende Geschichte um Brudermord, Rache und Gewalt, angesiedelt in den australischen Outbacks.

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The Golden Dung-beetle

"Berliner" sind "glazed donuts"? "Berliner" sind "doughnuts"??? Wieder einmal etwas dazu gelernt (das steht sogar im Wörterbuch). Ihr habt sicher noch mehr Untertitelerleuchtungen zu bieten. Wir sollten einen Preis für die beste Übersetzung bei Untertitel einführen (wie "blueberry muffin" - Himbeerküchlein, "schleich di!" - fuck off), einen goldenen Mistkäfer?

Die Liste - Teil eins

Popjournalisten müssen Listen schreiben. Das habe ich mal irgend wo gehört. Kann aber auch schon ein paar Jahre her sein. Egal. Hier ist meine. Die persönlichen Tops (+) und Flopps (-) der Berlinale. Nichtfachlich, völlig koffeinabhängig und parteiisch.

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(Egyptian) Celebrity I saw you (5)

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In Ägypten ist er berühmter als ein gewisser Schorsch Kluni: Adil Imam. Spielt in Filmen wie "Al-Irhab wa-l-Kebab" (Der Terror und das Kebab).

Panorama: Omaret Yacoubian (The Yacoubian Building) von Maravan Hamed

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Dieser Film ist ein Furor, eine nicht enden wollende Erregung: In knapp drei Stunden erzählt Regisseur Marawan Hamed die Geschichte der Bewohner eines Hauses in Kairo – des Yacoubian Buildings. Und bricht dabei so ziemlich alle Tabus, die in der ägyptischen Gesellschaft existieren. So viel Sex, Gewalt, Alkohol war nie in einem arabischen Film. Omaret Yacoubian ist nicht nur der kontroverseste und unterhaltsamste arabische Film seit langem, sondern auch die teuerste ägyptische Filmproduktion aller Zeiten.

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Panorama: "The Proposition" von John Hillcoat

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Ein Aussie-Western. Das klingt erst Mal seltsam. Wenn man dann noch erfährt, dass das Drehbuch von Nick Cave stammt, erwartet man etwas ganz Düsteres. Das ist "The Proposition" auch, aber düster im gleißenden Sonnenlicht. Brutal, heiß, laut, voller Blut, Fliegen, kaputten Zähnen und Dreck, ganz viel Dreck. Das sind die Bilder. Bei den Landschaftsaufnahmen, der flimmernden Hitze und totalen Leere, da erhebt sich ganz leise die Stimme von Nick Cave im Hintergrund, der auch die Filmmusik gemacht hat (natürlich!). Das ist einfach grandios. Wer Dead Man, auch Apokalypse Now und dazu ein bischen Antiwestern a la Peckinpah mag, der MUSS hier rein. Allerdings sollte der- oder diejenige auch Blut sehen können: davon gibt's ordentlich, inklusive zerschossener Schädel und zerschlagener Gesichter...

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Panorama: Leonhard Cohen - I'm your Man von Lian Lunson

In seiner Begrüßung vor dem Film bezeichnete Wim Wenders das Projekt, eine Doku über Leonard Cohen zu drehen, als „toughest assignment in Rock n Roll“. Seiner Kollegin Lian Lunson, die sich an das Wagnis machte, hat eine Mischung aus Konzertfilm – Ausschnitte eines Cohen-Tribute Concert aus Sydney 2005 – und Interviews mit Kanadas Songwriter No 1 und anderen Musikern gedreht. Die Gespräche mit Cohen sind originell und machen neugierig auf mehr, was man von einigen Coverversionen und insbesondere Bono-Monologen nicht behaupten kann. Trotzdem sehenswert, weil das Charisma vom Leonard Cohen die Schwächen wettmacht. Hört Euch seine Musik an (and listen to the words).

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Forum: "Big River" von Funahashi Atsushi

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Der bekannte Drehbuchautor J.K. aus Berlin hat mal gesagt, wenn einem gar nichts zu seinen Figuren einfällt, dann schickt man sie einfach mal auf einen Roadtrip. Am Besten in Amerika. Das passiert auch in "Big River" Ein Japan-Punk, ein Pakistani und eine Blondine aus einem Trailerpark geraten zusammen, sitzen irgendwan in einem alten Dodge und fahren durch Arizona, rauchen ganz viel, reden ganz wenig und die Landschaft zieht sehr schön vorbei. 2 der 3 verlieben sich, dann gibt's ein paar interkulturelle und zwischenmenschliche Probleme. The End.
Ein nettes kleines Werk, aber etwas belanglos. Die Bilder, die Typen und auch die Geschichte hat man irgendwo schon besser gesehen. Bei mir hat der Film allerding die Lust geweckt, mal selbst in so einer ollen Mühle durch Amerika zu schippern. Vielleicht hat er ja damit sein Ziel erreicht. Mehr aber auch nicht.

Wettbewerb: "A Prairie Home Companion" von Robert Altman

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Eine Reise in die Good Old Times

Steht ein Nackter neben einem Elefanten, sagt der Elefant: Sieht ja ganz nett aus, aber kann man damit atmen? Oder der hier: Warum hat man PMS eben PMS genannt? Naja, Rinderwahnsinn war schon vergeben. Oh yes! Schlechte Witze, aber das Kino lag am Boden. Sie werden in "A Prairie Home Companion" von Woody Harrelson erzählt, der mit Cowboyhut und Staubmantel, neben seinem Bruder in ähnlicher Aufmachung auf der Bühne der legendären Radioshow steht und ansonsten vor allem von, ja was wohl, Cowboys singt und zwischendurch ein paar schlechte Witze zum Besten gibt.

Radioshows, so was gibt es heute gar nicht mehr. Oder doch? Ein kleines Dorf im Mittleren Westen der USA strotzt der Moderne: Ein Theater, Publikum und auf der Bühne eine feste Band und dazu verschiedene Künstler, in diesem Fall Country und Westermusikanten. Dann wird live Musik gemacht und gesendet.

Altman hat diesmal nicht auf ein riesen Ensemble gesetzt, sondern sich ganz dem Mythos dieser wirklich existierenden Show und ihrer Geschichte anvertraut....

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Forum: Kimyo na sakasu (Strange Circus) von Sono Sion

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Enthüllung einer inzestuösen Familiengeschichte, verworren und kompliziert durch die Verwischung der Grenzen zwischen Opfer und Täter. Es sind drei parallel erzählte Stränge, aus der Sicht einer erfolgreichen erotischen Schriftstellerin mit geheimnisvoller Vergangenheit, ihre Traumsequenzen aus der Sicht eines missbrauchten Mädchens und mit einem immer wiederkehrenden Motiv, dem Strange Circus. Der Film ist very strange, indeed.

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Wettbewerb: Grbavica von Jasmila Žbanić

Die Vergangenheit ist noch lange nicht vorbei

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Sarajewo, in der Gegenwart. Esma hat gerade ihren Job verloren und arbeitet nun nachts als Bedienung in einer Disko, um sich und ihre 12-jährige Tochter Sara über die Runden zu bringen. Das Verhältnis der beiden ist eng, fast kumpelhaft – und doch spürt man immer wieder seltsame Irritationen. Mutter und Tochter balgen wie junge Katzen auf dem Boden, Sara wirft sich auf Esma und hält ihre Arme fest. Da versteinert das Gesicht der Mutter: "Hör auf, hör auf!" ruft sie. Das Spiel ist abrupt zuende. Sara ist in dem Glauben aufgewachsen, ihr Vater sei als Held im Krieg gegen die Tschetniks gestorben. Doch die Wahrheit ist sehr viel schmerzhafter.

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Panorama: Camping Sauvage von Christophe Ali & Nicolas Bonilauri

Shakespeare revistited oder: Holiday in Hell.

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Einen kurzen Moment sieht es so aus, als ob Camille (pubertierende Jugendliche) und Blaise (Mittvierziger in Geldnöten, der vorübergehend als Segellehrer auf dem Campingplatz seines Schwagers arbeitet) ein wie auch immer geartetes Glück finden. So Romeo-meets-Julia-mäßig, nur anders herum. Aber natürlich ist das im klaustrophobisch-kleinbürgerlichen Mikrokosmos Campingplatz nicht möglich. Erzählt wird in beklemmenden Close-Ups, blassen Farben und ohne viel Erklärungen zur Psychologie der Figuren. Nicht schön anzusehen, aber ein guter Film. Der entstand übrigens nach einer Zeitungsmeldung, die näher zu erklären das Ende des Films vorweg nehmen würde. Ist aber trotzdem gut zu wissen, weil das Drama mit dem Wissen, dass sich wirklich etwas in dieser Art ereignet hat, noch eine Spur tiefer beeindruckt. Lohnt sich.

My own privat Berlinale (5)

Liegt's am Rindenmulch? Vorm Hintereingang des Hyatt, eingeklemmt zwischen Straße, Absperrgitter und Hauswand harren ca. 20 Leute verloren in der Kälte auf den nächsten Star. Ganz schön wenig für die angeblich von Promis so gut besuchte Berlinale. Bei Jessica Simpson (wer das ist steht hier) war am Flughafen Tegel neulich mehr los.

My own private Berlinale (4)

Rindenmulch

heißt das Zeug, das rechtzeitig vor der Berlinale auf den Mittelstreifen zwischen Sony-Center und Cinemaxx geschüttet wurde und dafür sorgt, dass die Stars und Promis in einen süß-säuerlichen Fäkalgeruch gastieren dürfen. Warum das Ganze? Um den Mittelstreifen schöner zu machen. Aha.
Aber keine Angst, der Mulch beliebt nur kurz (ich hatte mich wegen der Kälte schon über eine paar Tage ohne den Gestank von Hundescheiße gefreut), bis zur WM wird der Mittelstreifen nämlich aufgehübscht. Mit Parkbänken und so. Warum? Weil das Geld da ist. Aha. Ein Molch, wer böses dabei denkt. Bin gespannt, ob man bis zur nächsten Berlinale wirklich jemanden auf den Parkbänken mitten in einer der am meisten befahrenen Straßen Berlins entdecken kann.

Nick Cave Pressekonferenz

Nick Cave war da und ich durfte dabei sein.
Abgesehen von solchen etwas verklärenden Emotionsschüben eines langjährigen Fans war die Pressekonfernez auch inhaltlich eine duchaus interessante Veranstaltung, die mich noch gepannter auf den Film "The Proposition" gemacht hat.

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Nach "Ghosts...of the civil dead" (immerhin schon aus dem Jahr 1988) ist der Western "The Proposition" die zweite Kooperation zwischen Nick Cave als Drehbuchautor und John Hillcoat als Regisseur. Beide äußerten sich ausführlich zu den bereits im Vorfeld viel diskutierten Gewaltscenen ihres neuen Films...

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Wettbewerb: Elementarteilchen von Oskar Roehler (2)

Ein Herz für die Elementarteilchen

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Regisseur Oskar Roehler sagt, er habe es nicht übers Herz gebracht, die Figuren in seinem Film "Elementarteilchen" im Stich zu lassen. Produzent Bernd Eichinger ergänzt, man habe bei der Verfilmung des Romans von Michel Houellebecq "einen ganz anderen Spirit" erzeugen wollen. Leider ist diese humanistische Anwandlung, die wohl auch mit Blick auf die Kinokassen enstand, in die Hose gegangen: Das Konzept, die "Elementarteilchen" zu domestizieren, geht nicht auf. Wo bei Houellebecq, seines Zeichens Berufszyniker und Moralist (doch, das kann man kombinieren), die Unmöglichkeit menschlicher Beziehungen die totale Isolation bedeutet, wo Porno und Asexualität irgendwann auf denselben Punkt zulaufen, zaubert Roehler schwuppdiwupp wie ein Kaninchen aus dem Hut die Liebe als heilende Kraft. Das passt leider hinten und vorne nicht zur Geschichte. Der Rest des Films ist über weite Strecken flacher Klamauk und Psychologie für Anfänger.

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Wettbewerb: "Wu Ji" (The Promise) von Chen Kaige

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Klar muss er sich messen. Schliesslich schwimmt „Wu Ji“ (The Promise) auf der Welle, die Zhang Yimou mit „Hero“ und Ang Lee mit „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ losgeschlagen haben. Seitdem gibt es für historische Mystik-Filme aus dem alten China mit einer kräftigen Brise Martial Arts auch in Europa und den USA ein breites Publikum.
Also sehen wir in „Wu Ji“ alles wieder: fliegende Helden, eine Schönheit a la Zhang Zi Yi, colorierte Landschaftaufnahmen, die unscharfe Line zwischen Gut und Böse.

Es beginnt mit einer scheinbar poetischen Ausgangsgeschichte: das Mädchen Qingcheng gibt einer Fee das Versprechen (ja, sehr gut aufgepasst...“The Promise“) auf ihr Glück in der Liebe zu verzichten, wenn es Ihr ansonsten an nichts fehlt. Soweit, so gut.

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Panorama: Nachbeben von Stina Werenfels

Im Glashaus

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Wie bereits der Titel "Nachbeben" vermuten lässt, setzt die Regisseurin Stina Werenfels mit der Handlung ihres Films an einem Zeitpunkt ein, an dem die ganz grossen Katastrophen im Leben der Hauptfiguren bereits passiert sind: Der Investment Banker HP hat durch riskante Transaktionen sein gesamtes Vermögen verloren. Seine Luxusvilla am Züricher See steht bereits im Internet zum Verkauf. Er selbst kann die Fassade des coolen, alles kontrollierenden Machers nur noch mit Hilfe von Psychopharmaka aufrecht erhalten. Seine Frau ahnt zwar vieles, sie tut aber ihrerseits alles, um den schönen Schein nach aussen hin zu wahren. Ansonsten hilft ihr im hier und jetzt der Alkohol und der Traum von einer späten Karriere als Innenarchitektin. Es ist ja auch noch alles da: das Traumhaus mit Traumgarten, die Designermöbel und sogar ein hübsches, blondes Au-Pair Mädchen aus Schweden.

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Panorama: Absolute Wilson von Katharina Otto-Bernstein

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Wenn Ihr immer das Ende einer Kritik lest, erspart euch das Scrollen: Ihr müsst den Film unbedingt sehen. Sicherlich steht das in jedem zweiten Artikel über dem Film: „Absolute Wilson“ ist ein faszinierendes Porträt über einen faszinierenden Künstler. Ihr kennt Robert Wilson nur vom Hören und Sagen? Um so besser. Eine bessere biographische Einführung in das Leben von „Bob“ Wilson kann ich mir nicht vorstellen.

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Berlinale-Gedicht Wettberwerb (1)

Einmal im Jahr ist der
Potsdamer Platz,
den man sonst mit gutem Recht
auch Kotzdamer Platz...

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Panorama: Quatre Etoiles von Christian Vincent

Keine vier Sterne

Unerwartet erbt Franssou, eine junge Studentin, 50.000 Euro. Also, was tun? Das Geld auf den Kopf hauen, das Leben genießen oder es vernünftig anlegen, wozu ihr etwas überalterter Freund rät. Kurz entschlossen bricht sie auf, läßt alles hinter sich und reist an die Côte-d’Azur. In Cannes mietet sie sich im schicken Vier-Sterne-Hotel ein und trifft dort auf den Hochstapler Stéphane, dem sie fortan nicht mehr von der Seite weicht...

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Forum: Karov la Bayit (Close to Home) von Dalia Hager und Vid Bilu

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Es stimmt, Filme, die in Israel spielen, müssen sich nicht unbedingt mit „dem Konflikt“ beschäftigen, dass heißt mit der Besatzung. Filme, die in Jerusalem spielen, einer geteilten Stadt, schon eher. Und Filme, in deren Mittelpunkt israelische Soldatinnen stehen, werden wohl kaum darum herumkommen. Dennoch, der Film von Dalia Hager und Vid Bilu stellt seine durchweg weiblichen Protagonisten in den Vordergrund und nicht die fast schon obligatorische Kritik an der unerfreulichen Realität der – so eine der beiden Regisseurinnen – „Militärdemokratie“ Israel.

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Forum: "Memory for Max, Claire, Ida & Company" von Allan King

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Dokumentarfilmlegende Allan King hat mir schon vor zwei Jahren auf der Berlinale mit "Dying at Grace" einen Film geliefert, der mich noch heute bewegt. Damals ging er in ein Hospiz und filmte ohne Kommentar und Interviews die Leute beim Sterben - bis zum letzen Atemzug. Nicht mehr und nicht weniger. 2 Stunden Rotzundwasserheulen, danach "Totenstille" auch im Kinosaal, keiner stand auf, bevor das Licht anging.
Diesmal mit gleicher Methode ein Altenheim für Demenzkranke, die mehr oder weniger alles vergessen. Nicht so brutal wie der Vorgänger aber ebenso bewegend.
Das Leben beschreibt ja einen Kreis:...

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Pauschalurteile & Beschimpfungen

Beobachtungen nach 4 Tagen Berlinale: Italienische Filmschaffende wie auch Journalisten tragen häufiger Vollbart, als alle anderen nationalen Gruppen. Und die mitgereisten Damen eilen auch morgens um 8 Uhr 15, wenn der übernächtigte, miefende Teutone auf den 15 Stufen ins Pressecenter außer Atem gerät, mit High Heels, perfektem Makeup und permanent in ihr Händi plappernd an einem vorbei.
Der Engländer droht auch auf einem Filmfest...

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Forum: "De Particulier a Particulier" von Brice Cauvin

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Es fängt an, wie in einem Paul Auster Roman: Ein junges Paar findet eine Tasche, bringt sie nicht zum Fundbüro, sondern öffnet sie und findet viel Geld in einer unbekannten Währung und an der Tasche ein Schildchen mit dem Namen "Hotel Harabati". Eigentlich wollen sie gerade zum Flughafen, um nach Venedig zu fliegen. Das tun Philippe und Marion aber nicht, erzählen aber allen Leuten als Ausrede für versäumte oder lästige Pflichten, sie seien dort gewesen. Dann wird diese Lüge plötzlich Auslöser für seltsame Vorkommnisse...

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Gossip: Wim Wenders Schwiegervater heißt Helmut Schmidt

Endlich mal Insider-Infos: Wim Wenders Schwiegervater, der Erzeuger von Donata, heißt Helmut Schmidt. Bis 1980 war er Medizinaldirektor bei der Gesundheitsbehörde (Besoldung A15!). Dann schmiss er hin und lebt nunmehr als Bildhauer in Frankreich. Finanziert hat er den Ausstieg, indem er die Villa seines Opas in Dahlem verkloppte. Seine Alabasterköpfe werden momentan im Küchendesigncenter "Art linea", Uhlandstr. 101A, ausgestellt. All dies blies er vor Aufführung von "Leonhard Cohen - I'm your Man" in meine vor ihm plazierten Ohren und die seines nicht weniger verblüfften Nachbarn. Ich könnte Euch jetzt auch noch seine Telefonnummer nennen. ("Rufen Sie mich an an, wenn Sie wirklich interessiert sind.") Dies aber verbietet das journalistische Ethos.

Gossip: Bargeld auf den billigen Plätzen

Bei der Vorführung von „Leonhard Cohen – I’m your Man“ im Babylon quetschte sich Blixa Bargeld auf die miesen Nackenkrampf-Plätze in Reihe 2. Eine ganze Promireihe war dagegen für Wim Wenders und Anhang genau eine Reihe hinter dem eifrigen Blog-Schreiber Töffe reserviert.

Panorama: "Nachbeben" von Stina Werenfels

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Nacheben spielt an der "Goldküste" Zürichs, die deswegen so heißt, weil dort die Sonne den ganzen Tag scheint und die Villen so ab 5 Millionen Franken aufwärts kosten. In solch einer Villa treffen sich zwei Paare und ein Arbeitskollege der Herren zum sommerlichen Grillfest. Die Männer sind Investmentbanker, die Frauen vor allem teuer gekleidet und goldbehängt. Alle wirken dennoch seltsam locker, gar nicht steif vor Reichtum. Perfektes Setting, perfekte Möbel, HP (Michael Neuenschwander) hat gerade noch für seine Frau 1600 Franken Kunstbücher gekauft, die dann auf dem Tisch verteilt werden. Aber etwas stimmt nicht...

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Forum: "Wide Awake" von Alan Berliner

Bilder, Bilder, Bilder! Alan Berliner, Regisseur, Autor, Editor, Produzent und Hauptdarsteller des Dokumentarfilms „Wide Awake“, ist ein Bilderjunkie. Kein Problem, wenn man im Filmbusiness ist, oder? „Oh doch“, versichert Berliner, der „Hellwach“ persönlich vorstellt und nach dem Screening ausführlich kommentiert, denn die Bilder halten ihn rund um die Uhr wach, weil sein nachtaktives Hirn ihn auch im Bett völlig unkontrolliert weiter mit Bildern befeuert. In „Wide Awake“ dokumentiert er seinen Kampf gegen die Schlaflosigkeit, den 24stündigen Wahnsinn von Kreativität und wie man trotzdem oder gerade deswegen einen interessanten und vor allem witzigen Film macht.
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Celebrity I saw you! (4)

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80 Jahre und 40 Filme auf dem Buckel. Ein grandioser Old Gentleman: Robert Altman (M.A.S.H., Short Cuts, A Prarie Home Companion + 37 weitere)

Panorama: "Bubot Niyar" (Paper Dolls) von Tomer Heymann

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Wenn wir über Israel reden, einen Bericht sehen, uns einen Film anschauen, dann geht es um den Palästina Konflikt, eine extreme Verengung des Blickwinkels. „Paper Dolls“ ist deshalb auch eine Erleichterung: es gibt andere Fascetten der israelischen Gesellschaft, faszinierende und absurde, die nur am Rande etwas mit dem Palästina Konflikt zu tun haben.
Die „Paper Dolls“ sind eine Gruppe philipinischer Transvestiten/Transsexueller. Gekommen sind sie aufgrund des Bedarfs nach Arbeitskräften, nachdem Israel die Grenzen zu Palästina und damit für die palästinensischen Hilfsarbeiter geschlossen hat. Tagsüber arbeiten sie als Altenpfleger. Nachts treten sie mit ihrer Gruppe als die glamorösen „Paper Dolls“ in Nachtclubs auf. Tomer Heymann hat ein intimes Porträt geschaffen. Sein filmischer Blick ist der eines Freundes.

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Wettbewerb: Elementarteilchen von Oskar Roehler (1)

"Der Mann am Ende des 20. Jahrhunderts

mit seinem Leiden und seinen männlichen Minderwertigkeitskomplexen", so konkretisierte Regisseur Oskar Roehler in einem Interview selbst das zentrale Thema seiner Verfilmung des Romans "Elementarteilchen" von Michel Houellebecq. Und was es dann während immerhin 105 Minuten zu sehen gibt, ist wahrlich grausam und mitleidserregend: Im Zentrum der Handlung stehen die Halbbrüder Bruno und Michel, die jeweils exemplarisch diametral entgegengesetzte männliche Lebensmodelle verkörpern.

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Während der erfolgreiche Wissenschaftler Michel ein asexuelles, isoliertes Leben im Dienste der Molekularbiologie führt und die Forschung an ungeschlechtlicher Fortpflanzung seinen einzigen Lebensinhalt bildet, steht sein Halbbruder Bruno vollkommen unter dem Diktat seines schier übermächtigen Sexualtriebes. Auf der Suche nach immer neuen sexuellen Reizen pendelt er als zutiefst unglücklicher Mensch ruhelos zwischen Swingerclubs und Psychatrie hin und her. Wie sich alsbald herausgestellt, ist an all dem Elend letztlich die böse Mutti der beiden Halbbrüder schuld, die sich in deren Kindheit nicht etwa mütterlich um ihre Söhne gekümmert hat, sondern statt dessen lieber in einer Hippiekommune in Indien nach sexueller Selbstverwirklichung suchte.

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Forum: Sobhi Digar (Another Morning) von Nasser Refaie

Traurig in Teheran

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Der Berlinale-Moderator ist irritiert: Was? Keine Iran-Kritik? Der ganze Film kein einziger Aufschrei des Protests gegen ein Unterdrückungsregime, den „Gottesstaat“? Am Ende vielleicht sogar Kunst? Skandalös! Dreimal formuliert der Moderator nach der Vorstellung die Frage um, aber Regisseur Refaie beharrt auf seiner Antwort. Ein universal gültiger Film solle es sein, einer der eigentlich überall auf der Welt spielen könnte: Herr Kamali ist Mitte vierzig und gerade Witwer geworden. Die Trauer beherrscht ihn so sehr, dass er wie ferngesteuert durch Teheran stolpert...

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Panorama: Derecho de Familia (Family Law) von Daniel Burman

Nichts Halbes und nichts Ganzes.

Wer Daniel Burmans sympathischen Film „El abrazo partido“ vor zwei Jahren auf der Berlinale gesehen hat, freut sich auf „Derecho de Familia“, seinen dritten Film, der ganz ungeplant eine Trilogie abschließt. Wieder die gleichen Schauspieler, wieder das selbe Thema: der Vater-Sohn-Konflikt. Aber an „El abrazo“ kann „Derecho de Familia“ leider nicht anschließen, denn Burmann konnte sich wohl nicht entscheiden. Er wollte sich ganz auf den Konflikt zwischen Vater (Rechtsanwalt) und Sohn (Juradozent) konzentrieren, sagte Burman nach dem Film. Leider ist ihm das nicht gelungen, der Film verliert sich zwischen Liebesgeschichte, Vater-Sohn-Konflikt und der Geschichte eines Erwachsen-Werdens. Weniger wäre mehr gewesen und hätte dafür gesorgt, dass sich der sympathische Film, der mit witzigen Dialogen, schönen Figuren und wunderbar absurden kleinen Details zu glänzen vermag, nicht ganz so verzettelt.

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Forum: Conversations on a Sunday Afternoon von Khalo Matabane

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Gut drauf ist er nicht. Der Mann, der immer eine Bank mit sich in den Park schleppt, um darauf zu lesen. Er schaut betont grimmig. Eigentlich auch kein Wunder: „Ich kann keinen Sinn aus dieser Welt machen. Ich komme nicht zurück nach Hause.“ So sagt er es zu einer Bekannten, Schwester oder Freundin. Dann trifft er im Park Fatima, einen somalischen Flüchtling.

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Retrospektive: To catch a thief von Alfred Hitchcock

Über den Dächern von Nizza

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Wer kennt sie nicht, die wunderbare Kriminalkomödie von Alfred Hitchcock. In unzähligen Wiederholungen konnte auf dem Fernsehbildschirm verfolgt werden, wie die kühle, zugleich sinnliche und stets so elegante Millionärstochter Frances Stevens (Grace Kelly) den ehemaligen Juwelendieb John Robie (Cary Grant), berühmt als „die Katze“, umwirbt und verführt. Doch steht dies in keinem Vergleich zur Wirkung der wunderbaren Bilder und dem immensen Vergnügen, „Über den Dächern von Nizza“ auf der großen Kinoleinwand zu sehen. Angekündigt durch eine lange Einstellung auf das Schaufenster eines Reisebüros, in dem Plakate zu einer Reise nach Frankreich animieren, entführt uns Hitchcock in die prächtige, glamouröse Welt der Côte-d’Azur. Dort beginnt die Katzenjagd...

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Panorama: "Bye, bye Berlusconi" von Henrik Stahlberg

Man könnte ihm ewig zu schauen: Maurizio Antonini alias Silvio Berlusconi alias „Mickey Louse” (aus rechtlichen Gründen, dazu unten mehr). Wie er ihn parodiert oder einfach nur nachspielt. Wobei sich der selbstkritische Rezensent spätestens...

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Celebrity I saw you! (3)

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Pacahontas (Q'Orianka Kilcher) zugegeben ein sonniges Lächeln, aber das konnte "A New World" auch nicht retten.

Auf's Maul... Berlinale-Dialog I

Sonnabend gegen 12:15 Uhr.
Zwei Frauen - etwa Mitte 40 und Mitte 60 -
kommen durch den Seiteneingang in die "Arkaden" am Potsdamer Platz.

Jüngere Frau (glotzt auf Berlinale-Pavillon):
Berlinale? Was'n det?

Ältere Frau: Weeß nich'. Das mit die Skifahrer?

Wettbewerb (außer Konkurrenz): „A new World“ von Terrence Malick

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Ein Bioapfel ersäuft in zuckersüßer, roter Bonbon-Sauce

Ok, er lässt sich Zeit zwischen seinen Filmen. Malick hat in 35 Jahren nur 5 Filme gemacht. Jeder trug ganz seine Handschrift, wie man bei der Länge der Zeit auch erwarten konnte. „Badlands“ mit Martin Sheen von 1973 ist eins der besten Road Movies ever made und „A Thin Red Line“ ein grandioser Kriegsfilm, der 1999 auf der Berlinale auch den Goldenen Bären gewann.
Und nun also „A New World“, die Pacahontas Geschichte als große Allegorie auf den amerikanischen Traum und durchaus auch auf seine Umsetzung im Heute. Der Film trägt Malicks Handschrift: einige grandiose Bilder, ist aber ansonsten zu einer gefühlsduseligen, neohippy Anklage gegen die Moderne geworden. Story: Anfang des 17. Jahrhunderts, englische Siedler gründen in Virginia Jamestown. In der Nähe...

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Cool Charlotte - die diesjährige Präsidentin der Jury

Eine Britin, geliebt im französischen Film? Unerhört! Aber es handelt sich um Charlotte Rampling.


Charlotte Rampling ist der Beweis dafür, dass man ohne jegliche chirurgische oder sonstigen Eingriffe mit 61 noch fantastisch und sexy aussehen kann. Sie macht gerne einen großen Bogen um Hollywood, wobei sie aber eine Rolle im kommenden Basic Instict 2 angenommen hat. Dem Drehbuch konnte sie einfach nicht widerstehen, außerdem sei ja der Regisseur ein Schotte, Michael Caton-Jones, wie sie in einem Interview mit der Londoner Times anmerkte. Wer ihre bisherige Filmografie kennt, wird sich nun am Kinn reiben – sollte man nicht vielleicht doch diesen Film ansehen?

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Perspektive Deutsches Kino: "Esperanza" von Zcolt Bács

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Boa, watn Scheiß! Ein oller Kutter fährt in der Sylvesternacht mit 11 Bekloppten nach Dänemark und als sie schliesslich anlegen, sind alle zu besseren Menschen geworden. Das ganze atmosphärisch so eine Mischung aus Agatha Christi Setting (auch die Kostüme) und KlimBim Witzchen und total überdrehten Charakteren. Rene und ich wollten eigentlich einen Dialog zu diesem Schrottfilm schreiben, aber eigentlich ist jedes Wort zuviel darüber wirklich ein Wort zuviel. Ende.

Forum: „Babooska“ von Tizza Covi

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Man sagt das ja so: Der ist zum Zirkus gegangen. Synonym für abgehauen oder der hat schon immer ein Rad abgehabt. Hier lernt man: Der Zirkusmensch ist mentalitätsmässig nah dran am Kleingartenbesitzer oder Dauercamper. Dieser italienische Dokumentarfilm zeigt das Leben von Babooska, einer 20 jährigen Artistin, die mit einem kleinen Zirkus und ihrer ganzen Familie, Papa ist der Clown, durch italienische Käffer zieht. Das ganze Jahr lang. Da ist immer was los könnt man denken, gerade in Italien. Weit gefehlt. Wie eng, spießig, grau und verschlossen die vermeintlich lebenslustigen Italiener sind, wenn sie auf Zirkusleute treffen und wie laaaaaaaangweilig so ein Zirkusleben ist, wo man aufbaut, auf Gäste wartet, die oft gar nicht kommen, in Schummelbars irgendwelcher Kleinstädte rumhängt (die nur für den Touristen romantisch und „so italienisch“ sind), abbaut und weiterfährt. Skurrile Typen gibt’s natürlich auch ein paar. Und als der Sommer kommt sieht es auch ein bisschen nach Italien aus, wie das für einen Deutschen auszusehen hat. Ansonsten Tristesse Acrobatale...

Wettbewerb: Slumming von Michael Glawogger

Herr Kallmann geht über den See

Einem wie Kallmann geht man auf der Straße oder in der U-Bahn lieber aus dem Weg. Verlottert, schwankend, irrer Blick. In einem fort rezitiert er seltsame Monologe, die sich bei näherem Hinhören als Mischung aus derben Beschimpfungen und großer Dichtung offenbaren, sich aber unvermittelt zu einem wüsten Brüllen steigern können. Und das alles auf wienerisch – der Sprache der eleganten Gehässigkeit. Als Sebastian, Typ gelangweilter reicher Junge, und sein Adlatus Alex den Kallmann im Vollrausch auf einer Parkbank finden, ist nix mehr mit Reden, und mit Brüllen sowieso nicht. Und so wird das wehrlose Opfer kurzerhand ins Luxusauto geladen und auf einer Parkbank im tschechischen Nirgendwo abgelegt. Nur so aus Spaß, Langeweile und Bosheit. Michael Glawoggers "Slumming" ist ein wunderbarer, schräger Wettbewerbsbeitrag – ihn doppelbödig zu nennen wäre eine Untertreibung.

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Wettbewerb (außer Konkurrenz): „Syriana“ von Stephen Gaghan

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Alles hängt mit allem zusammen

Was "Syriana" (auch) erzählt, wird schon in den ersten Sekunden, nachdem das Licht ausgegangen ist, angedeutet: Als das Warner Brothers Logo anstatt wie üblich mit Fanfaren den Film ankündigt, sondern man zwar das Logo sieht, dazu aber ein Muezzin „Alahu akkbar“ ruft. Grandios! (Der Regisseur wird später sagen, dass damit der ewige Kampf zwischen Ökonomie und Spiritualität, die wechselseitige Verstärkung oder Abschwächung der beiden Kräfte sofort klar werden sollten.)
Wie auch schon in „Traffic“, zu dem Gaghan das Drehbuch schrieb, werden kunstvoll verschiedene Orte, Personen und Konflikte miteinander verwoben:...

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Wie fandest Du den Film?

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Deike Stagge, Redakteurin von filmstarts.de:

"Syriana war ein starker Film, sehr komplex. Dass er gerade jetzt läuft, wo Iran, der Nahe Osten wieder im Focus ist, kann man nur perfektes Timing nennen."

Es waren viele weibliche Fans da, eine wollte wissen, wie Clooney für Syriana wieder schnell abgenommen hat (nachdem er für die Rolle in 30 Tagen 30 Pfund zugenommen hatte), eine andere wollte ihm gerne ihre CD geben und sah aus wie ein rausgeschmissenes "Talent" aus Deutschland sucht den Superstar. Eine rief auf die Bühne: "George, you should be sexiest man of the year!" Surreale Veranstaltung so eine Pressekonferenz.

Celebrity I saw you! (2)

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Der doppelte George Clooney, Pressekonferenz voller Fans: Mit "A question for Mr. Clooney.." fing fast jede Frage an, obwohl da fünf sehr interessante Leute saßen. Das Schwarze Loch des Starkults hat sie alle verschwinden lassen...

My own private Berlinale (3)

Auf dem Hinweg in der S-Bahn und auf dem Rückweg in der U-Bahn jeweils nach Fahrscheinen kontrolliert worden. Ich war gesetzeskonform ausgestattet. Trotzdem: was will mir das sagen?

My own private Berlinale (2)

Vor dem Cinemaxx wird kostenlos die „Tageszeitung“ für alle Besucher verteilt. In der Cinemaxx-Movie-Lounge Christian getroffen. Drumherum die schreibende Journalie. Wurden noch was vor der Tür verteilt? Von allen Seiten leuchtet weiß das Apple-Logo. I-Books und Power-Books auf allen Knien und Tischen. Technisch ist die individuelle Movie-Crowd ziemlich gleichgeschaltet.

My own private Berlinale (1)

Auf dem Weg zum Potsdamer Platz, in der U-Bahn ein Verkäufer des Obdachlosenmagazins. Sauber, nett, freundlich, blaue Regenjacke. Irgendwas in seiner Stimme bewegt mich. Als er zu mir kommt, drücke ich ihm 50 Cent in die Hand. „Du hast mir geholfen, jetzt helfe ich dir“, sagt er freundlich und gibt mir ungefähr in Lichtgeschwindigkeit folgende Weisheit mit auf den Weg: „Jeden Morgen nach dem Aufstehen zwei Minuten lächeln. Konzentriere dich darauf, nimm es als Bild mit durch den Tag. Und wenn dir jemand aggressiv kommt, besinne dich auf dein Lächeln. Springe nicht auf die Aggressivität auf. Aggressivität ist destruktiv und läuft sich von selbst tot. Immer ans Lächeln denken. Morgens ganz früh, dann setzt es sich im Unterbewusstsein fest.“ Ich muss tatsächlich erstaunt lächeln, bedanke mich und bevor ich mehr erwidern kann, verabschiedet er sich mit den Worten: „Ich muss weiter, hab noch zu tun.“ Dann huscht er raus und in den nächsten Wagen. An der folgenden Station die „wichtig-wichtig-crowd“ der Berlinale. Ich laufe zu den Kinos. Die beste Szene des Tages, habe ich soeben live erlebt.

Forum: John und Jane von Ashim Ahluwalia

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Callcenter sind wie Gefängnisse. Nein, eigentlich sind sie schlimmer als Gefängnisse. In einem „normalen“ Gefängnis hat man noch die Illusion von Freiheit, der Welt draussen. Das Callcenter konstruiert eine virtuelle Welt, der man nirgendswo entfliehen kann. Für die sechs Agents ist diese Welt „Amerika“. In Seminaren wird ihr amerikanischer Akzent getrimmt. Sie werden davon überzeugt, dass in Amerika alles viel besser ist als in Indien. Dann werden sie losgelassen auf das „auserwählte Volk“, z.B. auf amerikanische Rentner.

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Panorama: Brothers of the Head von Keith Fulton und Louis Pepe

Sex & Drugs und Rebellion

"Sie rocken einfach total!" O-Ton eines hysterischen Teenagers, schweißüberströmt und glücklich, nach einem ekstatischen Auftritt von "The Bang Bang". Die Band, das sind in erster Linie Tom und Barry Howe, selber noch Teenager und vor allem siamesische Zwillinge. Man schreibt die 70er Jahre in England, Punk ist noch lange nicht tot und ein cleverer Musik-Manager hat erkannt, dass die Zeit reif ist für eine Freak-Show. "Brothers of the Head" ist der erste Spielfilm von Keith Fulton und Louis Pepe, und sie haben ihn als Mischung aus fiktionaler Dokumentation und Roadmovie inszeniert, basierend auf einem Roman des Sci-Fi-Autors Brian Aldiss. Dass die Zuschauer bisweilen die verschiedenen Realitäts- und Zeitebenen durcheinander bringen mögen, ist nicht weiter schlimm. Faszinierend ist der Sog, den die Geschichte entwickelt – durch die Erzählstruktur und durch die Musik, die aus allen Poren das, nun ja, Underground-Gefühl verströmt: Sex & Drugs und Rebellion.

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Panorama: „Brothers of the Head“ von Keith Fulton & Louis Pepe

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Dokumentarfilm, über einen Dokumentarfilm, über eine Band, deren Geschichte auf einem Roman basiert. Klingt komisch. Dann packt einen die Musik, laut, schmutzig und hart: Punk! Man sieht viele Beine im Kinosessel wippen. Die Story: Die beiden Brüder Barry und Tom Howe, der eine introvertiert und scheu, der andere voller Wut und immer „direkt ins Gesicht“ kommen von einem einsamen Ort mitten im Nirgendwo von Südengland. Sie werden entdeckt und erhalten von einem findigen Produzenten Musikunterricht, sie bekommen eine Band erste Auftritte, sie sind jung, sie wollen es alles, sie trinken, koksen, schwitzen, vögeln und erobern allmählich die kleinen Kneipenbühnen. Dann...

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Celebrity I saw you!

was ein Auflauf: Alan Rickman, bekannt aus Harry Potter, Robin Hood, Per Anhalter durch die Galaxis und auf der Berlinale mit Snow Cake.

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Wettbewerb: Snow Cake von Marc Evans (1)

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Scrabble für Fortgeschrittene

Britischer Humor trifft auf Autistin. Das klingt nach absurden und komischen Momenten, vielleicht sogar nach Klamauk. Gleichzeitig hat "Snow Cake", der Eröffnungsfilm der Berlinale, ein ernstes Thema – es geht um Schuld und Erlösung, um das Wahren und Einreißen zwischenmenschlicher Grenzen. Doch der Film des walisischen Regisseurs Marc Evans hält gekonnt die Balance. Abgesehen von einigen Längen und einigen allzu gewollt wirkenden Wendungen des Plots, ist "Snow Cake" ein schöner Eröffnungsfilm für die Berlinale. Einen gehörigen Anteil daran haben die beiden Hauptdarsteller: Sigourney Weaver (als Autistin fast so gut wie Dustin Hoffman) und Alan Rickman (jaja, der fiese Snape aus Harry Potter diesmal sehr traurig) sind ein großartiges Duo.

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Forum: "Montags kommen die Fenster" von Ulrich Köhler

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Die Thirtysomethings spielen erwachsen

Das Ehepaar Nina und Frieder renovieren ihr neu erworbenes Haus. Er kriegt die Fliesen nicht zusammen, die Tapete klebt zu fest an der Wand, dazu Dudelmusik aus dem Radio. Montag werden die Fenster geliefert, das soll der Schlussstein der Renovierung werden.
Es ist keine feindselige, sondern eine vom Alltag eingeschläferte Stimmung in diesem Film. Zwei Mittdreißiger versuchen sich festzulegen: Häuschen, Beruf, Familie. Aber irgendwie scheinen sie nur zu spielen, was erwartet wird. Dann haut Nina plötzlich ab.

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Aldi und Berlinale haben eines gemeinsam...

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...Schlange stehen. Wer sich sonst die Zeit nicht nimmt (zum Meditieren, zum Buch durchlesen, Mutti anrufen...), der kommt einfach in die Arkarden am Potsdamer Platz, um Berlinale Karten zu kaufen. Hier bleibt man mindestens eine Stunde lang unbelästigt. Das einzige was verlangt wird: ab und zu ein Trippelschritt in Richtung Kartenhäusschen. Bitte nicht den Kopf zermatern, welche Karten man denn nun nehmen soll. Nein: relaxen!
Für den, der schon voll entspannt ist, gibt es eine Alternative:

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Es gibt noch keinen Film zu sehen...

...aber der Sprachenmix wird jede Stunde bunter rund um den Potsdamer Platz. Es rennen immer mehr uffjeregte Typen mit komischen Brillen, baumelnde Festival-Pässe am Hals durch den strömenden Regen. An einigen Ecken wird noch gebaut.

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Morgen schalten Organisatoren, Besucher und der festivalblog von Testbetrieb auf Ernstfall. We are ready!

Wieder diese Frage ....

... warum noch Weihnachtslichterketten in den Bäumen am Potsdamer Platz hängen.
Wird wohl bald Berlinale sein...

Ich freu mich auf euch und die nächsten zwei Wochen. See you there, somewhere.

Wettbewerb: Snow Cake von Mark Evans (2)

Ein netter Film

Snow Cake macht es uns gemütlich: Gute Schauspieler, hübsche pointierte Dialoge, keine Szene ohne einen Schuss Humor und ein Setting, das genug dramatisches Potential bietet, damit auch die Tränendrüne gedrückt werden kann. Trotzdem tut hier nichts weh. Es ist ein angenehmer Film, in den man entspannt mit einem Arbeitskollegen oder mit seiner Großmutter gehen kann.

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Fünf Filme gegen Dr. Seltsam - Iranische Filme auf der Berlinale

Insgesamt fünf iranische Filme laufen auf der Berlinale: Offside von Jafar Panahi und Zemestan von Rafi Pitts im Wettbewerb; Be Ahestegi von Maziar Miri im Panorama; Another Morning von Nasser Refaie und Men at Work von Mani Haghighi im Forum. Fünf Filme - ein guter Schnitt für ein Land, dass zwar für sein Kino mehr oder weniger berühmt ist, aber selten so üppig von europäischen Festivalchefs bedacht wird.

Überhaupt ist der Iran derzeit, genau genommen schon seit einer ganzen Weile, sonst eher für die dunklen Seiten der Nachrichten zuständig: Holocaustleugnung, Pressezensur, Schleierzwang: Alles unerfreuliches Schmuddelzeug. Nicht jeder weiß aber, dass im Iran eine Gesellschaft existiert, die in vielerlei Hinsicht sehr offen und heterogen ist.

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