Wettbewerb: The Road to Guantanamo von Michael Winterbottom

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Schon Tage vor dem Beginn der Berlinale und, wie wir später erfahren, auch Tage bevor der Film überhaupt fertig geschnitten ist, schwappt “The Road to Guantanamo” bereits eine Welle der Symphatie entgegen. Der Körper von Dieter Kosselick scheint fast vor Emotionalität zu beben, als er auf der Pre-Berlinale-Pressekonferenz sagt: „Und besonders freue ich mich, dass wir den Film von Michael Winterbottom mit im Programm haben, der auf die Situation der Menschen hinweist, die gegen alle Menschenrechte in Guantanamo festgehalten werden.” Ein Film also, den “wir” schon gut finden, bevor wir ihn überhaupt gesehen haben, ein „Fahrenheit 9/11“ für die Berlinale 2006.

Die Frage drängt sich auf: ist Michael Winterbottom ein europäischer Michael Moore? Wer seine vorherigen Filme gesehen hat („Wonderland“, „In this world“, „Nine Songs“) wusste es schon vorher und es bestätigt sich auch mit diesem Film: Nein, ganz sicher nicht.
“The Road to Guantanamo” leistet genau das, was Winterbottom und sein Co-Regisseur Mat Whitecross beabsichtigt haben: er gibt dem Zuschauer eine genaue Vorstellung davon, was in 2,5 Jahren im Leben von vier britischen Jugendlichen passiert ist. Es beginnt im September 2001. Asif (19) reist nach Pakistan. Er soll hier heiraten, seine Mutter hat eine Braut gefunden. Sein Kumpel Ruhel (19) kommt nach, er ist der Trauzeuge. Mitgebracht hat er auch seine Freunde Shafiq (23) und Monir (22). Alle vier kommen aus Tipton, einer Kleinstadt in der Nähe von Birmingham. Die Reise endet aber erst viel später als erwartet: im März 2004, als drei von ihnen nach England wieder zurückkehren, allerdings nicht aus Pakistan, sondern aus den US-Gefangenenlagern in der Guantanamo Bay, Kuba. Der vierte, Monir, ist verschollen. Was passiert ist in diesen zweieinhalb Jahren , erfahren wir zum einen aus Interviews mit Asif, Ruhel und Shafiq und zum anderen aus mit Schauspielern nachgestellten Szenen, die in Pakistan, Afghanistan und dem Iran gedreht wurden.
In ihrer nüchternen Betrachtungsweise zeigen Winterbottom und Whitecross nicht nur die Al-Quaida Paranoia der Amerikaner und die menschenunwürdige Situation in den Lagern der Guantanamo Bay, sondern vor allem auch eine leidgeprägte Initiationsreise der vier „Brits“. Er ist von der Machart kein aussergewöhlicher Film, sondern gleicht vielen anderen TV Features auf BBC. Aber gerade durch seine Nüchternheit und den Verzicht auf Polemik überzeugt dieser Film. Außerhalb Europas wird er heiss diskutiert werden, in Europa, das zeigte sich bereits auf der Pressekonferenz, gefeiert werden, nicht unbedingt aus filmischen Gründen alledings.

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Titel

Orignaltitel

The Road To Guantanamo

Credits

Regisseur

Mat Whitecross

Michael Winterbottom

Schauspieler

Rizwan Ahmed

Farhad Harun

Waqar Siddiqui

Arfan Usman

Land

Flagge Vereinigtes KönigreichVereinigtes Königreich

Jahr

2006

Dauer

95 min.

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