Perspektive Deutsches Kino: "Der Lebensversicherer" von Bülent Akinci

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Zuerst erkennt man die Stimme. Sie gehörte schon Amon Göth, dem SS Mann aus "Schindlers Liste" und sie gehörte dem "Englischen Patienten". Jens Harzer leiht seine Stimme immer Ralph Fienes und sie hat diese faszinierende Mischung aus Ruhe und unterdrückter Emotion, die zugleich zärtlich und furchteinflössend ist. Die Stimme eines Menschen, der im nächsten Moment hochgehen könnte wie eine Bombe. So einen spielt er auch in "Der Lebensversicherer", ein Mann, bei dem man nicht weiß, ob er mit jedem Tag mehr kaputt geht oder sich noch mehr Energie aufstaut. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlt, entlädt sie sich, dann hämmert er in der Waschstrasse oder nachts, auf irgendeinem Rastplatz, auf sein Lenkrad und sich selbst ein. Burkhard verkauft Lebensversicherungen, lebt in seinem Auto, ruft nur noch von Telefonzellen zu Hause an, erreicht dort aber immer nur den A.B. und macht dann Versprechungen: "Bald bin ich zu Haus, ich habe heute gut verkauft." Aber er fährt nie nach Haus. Wenn er wie in einem Levis Werbespot in Unterwäsche in der Reinigung auf seinen Anzug wartet, hat das so gar nichts Cooles.

Verzweifelte Menschen sind auch Burkhardts Kunden. Solche, die gerade genug haben, um zu überleben. Ihnen schwatzt er mit allerlei Psychotrick seine Versicherungen auf. Kleine Leute, Blumenfahrer, Gastättenmanagerin, Klomännern - kurz all denen, die ihm entlang der deutschen Autobahn, auf den Rastplätzen oder in den gesichtslosen Tankstellenbistros begegnen. "So eine Versicherung ist gut," sagt Burkhard, "gut, wenn man nicht mehr weiter kann. Man lässt es wie einen Unfall aussehen und weiß, die Liebsten sind dann gut versorgt." Er weiß, wovon er spricht.

Der Großteil der Geschichte spielt Nachts, wenn das dicht besiedelte, enge Deutschland ein wenig von der endlosen Weite der USA, dem Mutterland aller Roadmovies, hat. Besonders entlang der Autobahnen, die sich auf 10.000 Kilomentern durchs Land ziehen, alle 30 Kilometer eine Raststätte, an der Burkhard seine Kunden trifft. Ein großartige Szene, wie er eines Nachts an einer Tankstelle hält und die anderen Männer und Frauen zwischen den Zapfsäulen wie Figuren aus einem Cindy Sherman Foto erstarrt neben ihrem Auto stehen, gespenstisch beleuchtet, bleich, einsam.

Dann trifft Burkhardt eine Frau, die neben der Autobahn eine Pension betreibt. Beide mögen französische Chansons, beide sind sehr einsam, aber es gelingt ihnen nicht, sich zu nähern, ihre Körperpanzer zu öffnen für den Anderen. Überhaupt: Sehr französche Bilder, immer steht diese Frau oder Burkhard irgendwo herum, starrt ins Leere und raucht.
"Woran merkst du, dass du wahnsinnig wirst?", fragt ihn einmal ein anderer reisender Vertreter. "Daran, dass ich meinen Kunden zu französischer Musik vortanze."

Natürlich wird die Liebe zu der Frau in der Pension scheitern, und auch Burkhards Versuch, seinen Liebsten endlich zu geben, wonach er glaubt, dass sie verlangen: finanzielle Sicherheit. Man weiss es von Anfang an, aber ich habe bis zum Ende gern, dieser verätselten, sehr ästhetischen, manchmal humorvoll verzweifelten Geschichte der Autobahnnachtgestalten zugesehen. Bisher der beste deutsche Film des Festivals, den ich gesehen hab.

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