Schon jetzt ist klar, dass dieser Film in der deutschen Medienlandschaft landauf-landab besprochen werden wird. Er greift Themen auf, die Deutschland bewegen: zum einen der katholische Glaube aber noch viel mehr die Sprengkraft der Institution Kleinfamilie. Requiem beobachtet die Ambivalenz dieser sozialen Form, die oft Hort der Liebe und Quell von Psychosen zugleich ist.
70iger Jahre, Süddeutschland. Michaela Klingler, hervorragend gespielt von Sandra Hüller, wächst in der Provinz auf. Ihr Umfeld ist sehr gläubig. Als sie die Zusage für einen Studienplatz in Tübingen bekommt, ist das für sie eine Befreiung. Weit weg vom Dorfleben und außerhalb des Blickfeldes ihrer Mutter, findet sie den ersehnten Freiraum, um ihre Persönlichkeit zu entfalten. Getrübt wird das neu gefundene Glück durch seelisch und körperliche Zusammenbrüche, unter denen sie seit ihrer Jugend leidet. Als sich ihr psychischer Zustand verschlechtert, sie Stimmen hört und das Kruzifix nicht mehr anfassen kann, entsteht eine Tragik, die weniger im Zustand selbst, sondern in seiner Deutung liegt.
Mit Requiem ist Hans Christian Schmidt ein sehr kluger Film gelungen über individuelle Glückssehnsucht sowie innere und äußere Grenzen der Loslösung von Menschen, die uns lieben, aber nicht helfen können. Schmidt beutet die wahre Begebenheit, auf die sein Film beruht, das Schicksal von Anneliese Schmidt, nicht aus. Er diffamiert den Glauben von Michaela und ihren Eltern nicht, sondern untersucht ihn als Träger von innerer und familiärer Sinngebung bis zu dem Punkt, an dem das tragische Ende unabwendbar ist.
Requiem wurde auf der Pressevorführung mit Betroffenheit und viel Sympathie für seine Ernsthaftigkeit aufgenommen.Vielleicht reicht es für einen Bären. Wenn man nach dem Applaus in der Pressekonferenz geht, dann ist Hauptdarstellerin Sandra Hüller sehr nah dran.