Dokumentarfilmlegende Allan King hat mir schon vor zwei Jahren auf der Berlinale mit "Dying at Grace" einen Film geliefert, der mich noch heute bewegt. Damals ging er in ein Hospiz und filmte ohne Kommentar und Interviews die Leute beim Sterben - bis zum letzen Atemzug. Nicht mehr und nicht weniger. 2 Stunden Rotzundwasserheulen, danach "Totenstille" auch im Kinosaal, keiner stand auf, bevor das Licht anging.
Diesmal mit gleicher Methode ein Altenheim für Demenzkranke, die mehr oder weniger alles vergessen. Nicht so brutal wie der Vorgänger aber ebenso bewegend.
Das Leben beschreibt ja einen Kreis:...
Am Anfang kann man nichts, weiss nichts, muss nichts, wird gefüttert und gewindelt und am Ende ist es für viele wieder so. Dazu scheinen im Alter die dominantesten Charaktereigenschaften - aggressiv, fürsorglich, traurig oder voller Witz und Charme - ganz in den Vordergrund zu treten. Besonders bei Demenzkranken, die ohne jede Scheu und die gesellschaftlichen Konventionen nur noch sie selbst sind. Clair zum Beispiel ist sehr fröhlich und die Seele der Station. Ausserdem ist sie ganz eng mit Max befreundet der im orginalen Charly Chaplin Gang mit Stöckchen lächelnd über die Flure der Station watschelt. Doch Max stirbt plötzlich und jeden Tag wieder muss das Personal Clair von Max Tod berichten, was sie auch jedes Mal wieder in tiefe Trauer stürzt.
Fast wie bei "Täglich grüßt das Murmeltier" fängt bei vielen Bewohnern mit dem Aufwachen jedes Mal der gleiche und doch andere Tag an. Es gibt aber auch sehr viele unglaublich witzige Momente, wie zum Beispiel als eine Gruppe etwa 80 bis 90 jähriger Damen beieinander sitzt und die eine über Übelkeit klagt und dann eine ganz trocken mutmaßt: Wahrscheinlich bist du schwanger!, worauf die ganze Station in schallendes Gelächter ausbricht. Oder wenn die Mutter ihren Sohn fragt: Ich war also mit deinem Vater verheiratet? Ja Mutter, sonst könnte jetzt nicht antworten.
Dann der 90 Jährige Womanizer, der auch in dem Alter noch alle Sprüche auf Lager hat, um das gesamte Personal zu betören und lächeln zu lassen, aber ansonsten nur noch weiß, dass er im zweiten Weltkrieg in Italien war und danach oft Fischen gegangen ist.
Alles in allem zieht man nach diesem Film zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder ein verschrobener Typ werden, dem im Vergessen der Humor nicht abhanden kommt oder rechtzeitig abtreten, weil man sonst jahrzehntelang über Leute schimpft oder weint, die längst tot sind, weil es einem vorkommt, sie seien einem gerade noch über den Weg gelaufen.
Kommentare ( 1 )
Klingt wundervoll... hoffentlich kommt er in die Kinos!
Posted by rene | 14.02.06 12:49