Wettbewerb

METÉORA von Spiros Stathoulopoulos

meteora_1.jpg

Zwei Klöster mitten in der Einsamkeit, hoch oben auf gegenüberliegenden Felsgipfeln, tief verhüllt im Nebel, das eine von griechischen Mönchen bewohnt, das andere von russisch- orthodoxen Nonnen. Während die Mönche von ihrem Kloster aus zumindest über eine lange Treppe ins Tal gelangen können, sind die Nonnen völlig von der Außenwelt abgeschottet. Ihre einzige Verbindung nach außen ist eine handbetriebene Seilwinde mit einem großen Netz, in dem sie Lebensmittel nach oben befördern können und auch selbst ins Tal herunter gelassen werden können. Inmitten dieser streng reglementierten Abgeschiedenheit begegnen sich der Mönch Theodorus und die Nonne Urania und trotz aller Verbote verlieben sich die beiden heftig ineinander.

Mehr: " METÉORA von Spiros Stathoulopoulos " »

Das Leben ist ein Kitschroman

Angel.jpg

„Angel“ von François Ozon (Wettbewerb)

Angel Deverell schreibt mit echter Leidenschaft inbrünstige Liebesromane – und trifft damit in England in den Jahren vor den Ersten Weltkrieg den Geschmack der Leser, wenn auch nicht den der Kritiker. Mit dem eisernen Willen versehen, die Welt ihren Träumen anzupassen, schafft Angel den Aufstieg aus der Backsteinsiedlung ins herrschaftliche Anwesen, und holt sich schließlich ihren Traumprinzen ins Haus. Doch dann beginnt ihr Stern zu sinken, der Traum zerbricht Stück um Stück. Hört sich nach einem Melodrama aus den 50er Jahren an? Richtig. François Ozon hat seinen Wettbewerbsbeitrag „Angel“ an genau diesem Genre ausgerichtet – und es gleichzeitig weiter entwickelt. Angel ist grotesk und anrührend, manipulativ und naiv zugleich, und vor allem ist sie – das wird schon in den ersten zwanzig Minuten des Films klar – eine ganz furchtbar schlechte Schriftstellerin.

Mehr: " Das Leben ist ein Kitschroman " »

Ein Sommer in den achtziger Jahren

les_temois_1.jpg

"Les Temoins" von André Téchiné (Wettbewerb)

Während eines Sommers in Frankreich treffen sich mehr oder weniger zufällig vier Menschen. Es entspinnt sich zwischen ihnen ein Beziehungsgeflecht um Liebe, Sex und Eifersucht. Was zunächst wie eine leichte Sommerromanze beginnt, wandelt sich unter dem Einfluss der tödlichen Aids-Erkrankung einer der Protagonisten zu einem ernsten Beziehungsdrama. Téchiné schildert, wie sexuelle Experimentierfreudigkeit und daraus resultierende neue Lebensmodelle zu Anfang der 80ger Jahre durch das Aufkommen von Aids jäh zerstört wurden

Mehr: " Ein Sommer in den achtziger Jahren " »

Emotionaler Börsencrash in Peking

Ping_Guo.jpg

„Ping Guo“ (Lost in Beijing) von Li Yu (Wettbewerb)

In Peking werden wie bekloppt Wolkenkratzer hochgezogen, während sich das einfache Fußvolk kalt berechnend durchs Leben wurschtelt. Geld regiert die Welt – auch in der Hauptstadt der Volksrepublik China. Der Turbokapitalismus durchdringt alle Lebensbereiche. Sex wird gekauft, der Wert eines Babies orientiert sich wie eine Aktie nach den Kriterien Geschlecht und Blutgruppe, und um die Spielregeln von Beziehungen werden nach harten Verhandlungen Verträge aufgesetzt. Dass die Rechnung trotzdem nicht aufgeht, zeigt der chinesische Wettbewerbsbeitrag „Ping Guo“ (Lost in Beijing) der Regisseurin Li Yu.

Mehr: " Emotionaler Börsencrash in Peking " »

Pressekonferenz zu "Yella" von Christian Petzold

Die Pressekonferenzen von Christian Petzold sind etwas besonderes. Sie haben Substanz und man hat das Gefühl, Journalisten, Regisseur und Schauspieler teilen eine gemeinsame Erfahrung, die sie bewegt. Im folgenden einige Kommentare von Christian Petzold zu seinem Film. Diejenigen, die den Film noch nicht gesehen haben, seien gewarnt! In den Kommentaren sind „Spoiler“, die das wichtige Ende des Films vorweg nehmen!

Mehr: " Pressekonferenz zu "Yella" von Christian Petzold " »

Feine Differenzen, genaue Dialoge, frische Sichtmöglichkeiten

yella.jpg

"Yella" von Christian Petzold (Wettbewerb)

Der neue Film von Christian Petzold erkundet Traumvorstellungen auf eine grazile und ungewohnte Art. Auf der Grundebene des Films verlässt Yella ihr altes verbrauchtes Leben in Wittenberge, um einen Job in Hannover anzunehmen. Ihre neue Firma ist insolvent, aber es ergibt sich ein Einstieg in eine aberwitzige Welt des Finanzmangement, in der sie Platz zu finden sucht. Zudem gibt es die Liebe. Auf einer zweiten Ebene wird diese Handlung als Traum sichtbar und eröffnet ein ungewohntes Feld geträumte Vorstellungen zu betrachten.

Mehr: " Feine Differenzen, genaue Dialoge, frische Sichtmöglichkeiten " »

Überkitsch in Lederslips

300.jpg

“300“ von Zack Snyder (Wettbewerb a.K.)

Es begab sich im Jahr 480 v. Chr. an den Thermopylen einem Engpass zwischen dem Meer und den Trachinischen Felsen in Mittelgriechenland: Im griechischen Bündnis war es zu schweren Zerwürfnissen gekommen, wie man sich gegen die vorrückenden Truppen des mächtigen Perserkönigs Xerxes I verteidigen solle ... blah, blah, blah ... Das ist alles völlig wurscht. Wer es genau wissen will, soll sein Geschichtsbuch aus der 7. oder 8. Klasse rauskramen. Also: Leonidas ist so’n richtiger Spartaner, ein echt harter Knochen und der Xerxes kommt da irgendwo aus Asien daher und will Stress machen. Das geht natürlich gar nicht, weil erstens ist er ein Barbar und überhaupt. Leonidas denkt sich also eine ganz listigen Plan aus, um Xerxes’ Übermacht an dem Engpass gepflegt wegzumetzeln. Über die Schlacht hat Frank Miller einen Comic gezeichnet und Zack Snyder hat aus dem Comic einen Film gemacht.

Mehr: " Überkitsch in Lederslips " »

Generation 50plus

marianne_faithful_palm_berlinale.jpg

"Irina Palm" von Sam Garbarski (Wettbewerb)

Filme, die es schaffen, auch tragische Geschichten leicht und mühelos zu erzählen, gibt es nicht all zu häufig. Als wirklich hohe Kunst darf es gelten, dabei auch noch Themen wie Krankheit, Einsamkeit, Prostitution und Alter gerecht zu werden. „Irina Palm“ ist diese schwierige Gradwanderung meisterhaft gelungen. Beklemmende Momente tiefer Traurigkeit wechseln sich ab mit befreiender Situationskomik.

Mehr: " Generation 50plus " »

Wenn ein Mann im Wald und so weiter

when_a_man_falls_into_the_forrest_sharon_stone.jpg

"When a man falls in the forest" von Ryan Eslinger (Wettbewerb)

„Das Leben besteht nicht aus großen Geschichten“, sagt eine mir unbekannte Berlinalebesucherin beim Rausgehen, und da schwingt hörbar Anerkennung mit. Ihr Begleiter hatte wohl gerade ebensolche großen Geschichten vermisst. Keine großen Geschichten? Und das in einem Film mit Sharon Stone? Wunderbar.

Mehr: " Wenn ein Mann im Wald und so weiter " »

Ein Film ist ein Film ist ein Film

NotesOnAScandal_.jpg

"Notes on A Scandal" von Richard Eyre (Wettbewerb a.K.)

Das Tolle an der Berlinale ist die Hysterie, in die alle Beteiligten langsam und unmerklich abgleiten. "Notes on a Scandal" ist ein gutes Beispiel dafür: während der Film auf dem Berlinaleradiosender Radio1 euphorisch bejubelt wurde ("kein Wunder, dass dieser Film außer Konkurrenz läuft, so gut wie der ist, würde er alle Preise auf einmal abräumen. Das Drehbuch ist super, Regie, Kamera und erst die Hauptdarstellerinnen..."), sah der Kollege Filmkritiker von der FAZ (vom 12.2.) im Film die ganze Mittelmäßigkeit und Langeweile der ganzen Berlinale verkörpert. Ein guter Grund, ihn sich anzuschauen.

Mehr: " Ein Film ist ein Film ist ein Film " »

Ein luxuriöses Spielzeug zeigt die Zähne

the_walker_paul_schrader_defoe_bleibtreu.jpg

"The Walker" von Paul Schrader (Wettbewerb a.K.)

Mit seinem Film „The Walker“ zeigt Regisseur Paul Schrader, dass er – Drehbuchautor von Taxi Driver und Raging Bull – noch immer in der Meisterklasse mitspielt. Allerdings läuft der Film im Wettbewerb außer Konkurrenz, immerhin ist Schrader Jury-Vorsitzender, und ein weiteres Jury-Mitglied, Willem Dafoe, ist in einer Nebenrolle zu sehen. Die Hauptrolle spielt Woody Harrelson: Er ist Carter Page III, genannt Car, der hauptberuflich die Frauen gestresster Washingtoner Politiker in die Oper begleitet und mit ihnen Canasta – und eventuell auch noch andere Dinge – spielt.

Mehr: " Ein luxuriöses Spielzeug zeigt die Zähne " »

Vaterland oder Familie

g_shepherd.jpg

"The Good Sheperd" von Robert De Niro (Wettbewerb)

„The Good Sheperd“, die zweite Regiearbeit von Robert De Niro ist kein Agententhriller. Nach „A Bronx Tale“ hat De Niro erneut ein Familienepos gedreht. Er erzählt die Geschichte von Edward Wilson (Matt Damon), der in den Sechziger Jahren für die Abteilung der Gegenspionage der CIA arbeitet und bei der gescheiterten Schweinebucht-Invasion im April 1961 ein Fiasko erlebt. Das Leben von Wilson, seine Entwicklung vom idealistischen Studenten der Literaturwissenschaft an der Elite-Universität Yale zum Aufsteiger in der US-Geheimdienstbürokratie im und nach dem Zweiten Weltkrieg ist das eigentliche Drama. Dabei geht es um große Themen wie Patriotismus vs. persönliches Glück, Loyalität vs. Verrat und ob Geheimdienste eigentlich moralisch handeln können.

Mehr: " Vaterland oder Familie " »

Vaterland oder Familie

g_shepherd.jpg

"The Good Sheperd" von Robert De Niro (Wettbewerb)

„The Good Sheperd“, die zweite Regiearbeit von Robert De Niro ist kein Agententhriller. Nach „A Bronx Tale“ hat De Niro erneut ein Familienepos gedreht. Er erzählt die Geschichte von Edward Wilson (Matt Damon), der in den Sechziger Jahren für die Abteilung der Gegenspionage der CIA arbeitet und bei der gescheiterten Schweinebucht-Invasion im April 1961 ein Fiasko erlebt. Das Leben von Wilson, seine Entwicklung vom idealistischen Studenten der Literaturwissenschaft an der Elite-Universität Yale zum Aufsteiger in der US-Geheimdienstbürokratie im und nach dem Zweiten Weltkrieg ist das eigentliche Drama. Dabei geht es um große Themen wie Patriotismus vs. persönliches Glück, Loyalität vs. Verrat und ob Geheimdienste eigentlich moralisch handeln können.

Mehr: " Vaterland oder Familie " »

Clint-San klärt Amerika & Japan über einander auf

lettersfromiwo.jpg

"Letters from Iwo Jima" von Clint Eastwood (Wettbewerb / Ausser Konkurrenz)

Der zweite Teil dieses Pazifikkriegsepos beginnt, wo der erste Teil endete: in der Gegenwart: 60 Jahre nach Kriegsende. In einer Höhle werden Briefe von Soldaten gefunden, die damals auf der Insel Iwo Jima gekämpft haben und fast alle umkamen, inklusive des Generals, der die 20.000 Soldaten befehligt hat (ist wirklich so passiert). Ihre Verteidigung von Iwo Jima war ein Himmelfahrtskommando, denn gegenüber eine fast zehnfachen Übermacht der Amerikaner und ihrer gigantischen Militärmaschinerie war klar, die Japaner würden dort niemals gewinnen können. Und so waren am Ende nur 1000 Japaner noch am Leben - die Ehre sollte verteidigt werden, weil das Land längst verloren war - das geht selten gut aus....

Mehr: " Clint-San klärt Amerika & Japan über einander auf " »

Eine Kirche ist eine Kirche ist eine Kirche...

inmemoriadime.jpg

"In Memoria di me" von Saverio Costanzo (Wettbewerb)

Es wird im ganzen Film sehr bedächtig und sehr viel durch die langen Gänge des Priesterkonvents geschritten, in dem der ganze Film spielt. Außerdem wird viel geschwiegen, es finden etwa fünf Berührungen statt und alle reden wie eine Mischung aus Philosophen und Paul Coelho Leser – wenn sie reden, denn sehr viel passiert (offenbar) im Kopf der Figuren und dann in ihren Gesichtern.
Ein Besucher sagte nach dem Film, innere Monologe auf Leinwand abzubilden, ist immer langweilig. Langweilig trifft es nicht – dem Film fehlt es an Tiefe, obwohl er von den ganz großen Fragen des Lebens handelt...

Mehr: " Eine Kirche ist eine Kirche ist eine Kirche... " »

Ein Ganove im Dienste der Nazis

faelscher.jpg

„Die Fälscher“ von Stefan Ruzowitzky (Wettbewerb)

Sally Sorowitsch ist ein Ganove – einer, der weiß, wie er sich durchschlagen muss im Vorkriegs-Berlin. Vorwiegend mit Fälscherein. Irgenwann einmal, so sagt er, hatte er auch Familie. In Russland. Irgend etwas ist passiert, damals,und seitdem spricht er kein russisch mehr. Wie dieser Sally, als Jude und Krimineller doppelt gebrandmarkt, dann im KZ Sachsenhausen zum Meisterfälscher im Dienste der Nazis wird, davon erzählt der deutsche Wettbewerbsbeitrag „Die Fälscher“ von Stefan Ruzowitzky.

Mehr: " Ein Ganove im Dienste der Nazis " »

Casablanca und Der Dritte Mann - als Tofuversion

good_german_soderberg.jpg

"The Good German" von Steven Soderbergh (Wettbewerb)

Was ist dieser Film? Ein Krimi, ein Remake, eine Hommage, eine Neuinterpetation, ein bloßes Nachäffen? Keine Ahnung. Von allem etwas vermutlich. Durchaus gelungen die Wiedergeburt eines 40er Jahre Thrillers direkt am Anfang, mit der pompösen Musik als Aufmacher, den wackeligen Bildern, die zackige Einführung der Charaktere und sogar ein wenig Esprit in den Dialogen. Aber warum überhaupt der Aufwand, einen Film zu machen, der wie in den 40ern gemacht aussieht? Das hab ich bis zum Ende nicht begriffen ....

Mehr: " Casablanca und Der Dritte Mann - als Tofuversion " »

Fußball, Ferien und Moses im Schilf

the_Year_my_Parents_went_on_vacation.jpg

„O ano em que meus pais sairam de férias“ („The Year my Parents went on vacation“) von Cao Hamburger (Wettbewerb)

Brasilien 1970. Es herrscht eine Militärdiktatur und in Mexiko bereiten sich die Mannschaften auf die Fußball-Weltmeisterschaft vor. Der 12-jährige Mauro fiebert mit seinen Helden mit, übt sich im Tischfußball und kann es kaum erwarten, das die WM beginnt. Da eröffnen ihm seine Eltern, dass sie für unbestimmte Zeit „in Urlaub“ fahren müssen. Mauro soll unterdessen beim Großvater wohnen. Cao Hamburgers „O ano em que meus pais sairam de férias“ verknüpft die politischen Ereignisse dieses Jahres geschickt mit dem gesellschaftlichen Ereignis Nummer Eins aus der Sicht eines kleinen Jungen.

Mehr: " Fußball, Ferien und Moses im Schilf " »

Der Rohrspatz von Paris

lavieenrose1.jpg

"La Mome - La vie en rose" von Olivier Dahan (Wettbewerb)

Was kann die schimpfen!! Eine echte Berliner Schnauze hat die gute Edith! Ein vulgärer Rohspatz mit einer Stimme, die Wände wackeln lässt - wenn sie schimpft und wenn sie singt. „La vie en rose“ überrascht aber noch mehr, denn es ist kein „Biopic“ geworden. Obwohl ihr Leben genug Material für 10 Filme bietet und an das von Ikonen wie Johnny Cash oder Charly Parker erinnert, die ebenfalls zwischen Musik, Genie, Suff, Drogen, Exzessen und Exzentrik wankten und deren Leben erfolgreich als Biopic verfilmt wurde. Dieser Film ist anders....

Mehr: " Der Rohrspatz von Paris " »

Koreanische Filme im Berlinale Programm

Das koreanische Kino bekommt immer mehr internationale Aufmerksamkeit. Während letztes Jahr die „kleinen“ A-Festivals in Locarno und San Sebastian in der deutschen Presse beinahe ignoriert wurden, war die Kritik vom Filmfestival in Pusan gerade zu entzückt. Kein Wunder also, dass sich dieses auch in der diesjährigen Berlinale widerspiegelt. Mit neun Filmen ist Korea wesentlich stärker vertreten als der ehemalige Berlinale-Liebling Hongkong mit 4 Filmen.

Mehr: " Koreanische Filme im Berlinale Programm " »

Der Chef vons Janze - Portrait des Jury-Präsidenten Paul Schrader

Ein Drehbuchautor als Präsident - das ist selten - sind es doch meist die „Checker & Könige" des Filmgeschäfts, Regisseure oder Schauspieler wie letztes Jahr Charlotte Rampling, die den Geist einer Jury verkörpern und Öffentlichkeit schaffen sollen. Doch dieser Drehbuchautor ist ja viel mehr als eine der fleißigen Bienen im Hintergrund, die kaum jemand kennt: Er ist selbst eine Marke und ein Monolith in der amerikanischen Filmlandschaft geworden, war Teil des rebellischen „New Hollywood" in den 60ern und 70ern (Retrospektive der Berlinale 2005) und kann auf einige eindrucksvolle und manchmal stilbildende Filme in seinem Schaffen zurückblicken.
schrader.jpg

Paus Schrader wird 1946 als Sohn strenggläubiger Calvinisten geboren und erzogen, er studiert folgerichtig und brav bis zum „Schicksalsjahr" 1968 Theologie, um sich dann aber dem zuzuwenden, was die Fundamentalisten in den USA als die Mächte des Teufels bezeichnen: dem verlotterten Filmgeschäft. Heute beschreibt er den Calvinismus als eine Art permanente, milde Depression.
Er nimmt Film-Kurse an der Columbia University in N.Y., schreibt Kritiken. 1972 erscheint sein Buch "Transcendental Style in Film" in dem er religiöse und mythische Tedenzen in den Werken von YazujiroOzu, RobertBresson und Carl Theodor Dreyer analysiert. In dieser Zeit beginnt er auch erste Drehbücher zu schreiben. Das Theologiestudium und den vom „Glauben abgefallenen" merkt man seinen Filmen oft genug an, nicht nur in „The Last Temptation of Christ", den er 1987 mit Scorsese machte. Es ist fast so, als riefen seine Figuren immer wieder „Ich will ja glauben, aber wie denn, woran denn bitte?"

Schrader kämpft in den 70ern mit Drogen und Alkohol und ringt mit seiner Bestimmung. Er ist pleite, schläft in seinem Auto und geht nachts in Pornokinos - aber aus dieser veritablen Lebenskrise gehen eine Reihe wichtige Filme (Taxi Driver, Hardcore, American Gigolo, Light Sleeper) hervor, in der männliche Krisen die Krisen der Gesellschaft werden und umgekehrt.
Überhaupt sind die richtungslosen Männer dieser Welt, ihre Codes, ihre seltsamen Vorstellungen von Ehre und Gewalt als Lösung sein Thema. Ob in Yakuza Filmen, bei den nächtlichen „Lonern" in „Taxi Driver", „Bringing out the Dead" oder die Figur in „Light Sleeper" - ja sogar in „Last Temptation of Christ" geht es ja vor allem um Männer und ihre Art zu scheitern.

Nach „Taxi Driver" (Schrader bezeichnete Travis Bickle als „god's lonely man") führte Schrader auch selbst Regie, arbeitete als Autor unter anderem mit Coppola, Lucas, Pollack, DePalma, Spielberg, Peter Weir sowie mehrfach mit Scorsese.
Mit "Mishima" inszeniert er 1985 einen komplexen, filmsprachlich ambitionierten Film über den letzten Tag des japanischen Schrifstellers Yukio Mishima, der gefangen zwischen der Tradition kriegerischer Samuai und den Errungenschaften der westlichen Marktwirtschaft und Kultur Paul Schraders Position in der amerikanischen Filmwirtschaft spiegelte. Auch Schrader begreift sich offenbar als ein solcher Mann alten Schlags.

Heute ist der rebellische Mann im Hollywood Establishment angekommen, was man ihm aber ganz sicher nicht vorwerfen kann. Alles hat seine Zeit. Über seine wilden Jahre sagt er: „But our attitude was: we don`t like you and we don't care if you like us. And the phantastic thing about it was that you could still make money with it!"
Nun wird er Jurypräsident der Berlinale und keiner wird ihm reinreden können - denn er ist der Boss, ein echter Kerl - eine Rolle, die er schon sein ganzes Leben gibt.

15 von 21 Wettbewerbsfilmen stehen fest

Am vergangenen Montag gab die Berlinale weitere acht Wettbewerbsfilme bekannt. Am meisten Publicity dürfte sicherlich Clint Eastwoods „Letters from Iwo Jima" bekommen (siehe auch „Zwei Brüder, zwei Perspektiven“). Wie „Letters from Iwo Jima“ muss auch „The Walker“ außer Konkurrenz laufen. Mit Paul Schrader als Regisseur und Willem Defoe als Schauspieler sind zwei Mitglieder der Berlinale Jury an dem Film beteiligt und dies verhindert verständlicherweise die Teilnahme am Wettkampf um die Bären. Ebenfalls aus Hollywood kommt „Bordertown“ von Regisseur Gregory Nava. Ob die Qualität dieses Films auch an den Glamourfaktor der Hauptdarsteller (u.a. Jennifer Lopez und Antonio Banderas) herankommt, bleibt abzuwarten.
Nicht nur „Veteranen“ des amerikanischen Kinos sondern auch Altmeister des französischen Kinos sind eingeladen. Der fast 78-jährige Regisseur und ehemalige Chefredakteur der „Cahiers du cinéma“ Jacques Rivette gilt als einer der Gründer der Nouvelle Vague. Er ist bekannt für improvisierte Dreharbeiten und langsame Erzählweise. Sein Meisterwerk „Out 1 : Noli me tangere“ dauerte immerhin 12 Stunden und 40 Minuten und lief 1991 im Forum. 2007 stellt er nun das Liebesdrama „Ne touchez pas la hache“ vor. Die Besetzung der Hauptrollen mit Guillaume Depardieu und Michel Piccoli ist ein Zusammentreffen der Schauspielgenerationen. Überhaupt „die Depardieus“: Vater Depardieu spielt in dem Eröffnungsfilm „La vie en Rose“ und Schwester Julie Depardieu in dem ebenfalls eingeladenen „Les Témoins“ von André Téchiné . Téchiné war vor 2 Jahren mit „Les Temps qui changent“ auf der Berlinale. In der Hauptrolle damals, wie könnte es anders sein: Gerard Depardieu.
Weitere Filme des Wettbewerbs: „Die Fälscher“ (Österreich) von Stefan Ruzowitzky (u.a. „Anatomie“), „In Memoria di me“ (Italien) von Saverio Costanzo (die zweite Regiearbeit des Regisseurs, der für das Nahost-Drama „Private“ hoch gelobt wurde) und die Literaturverfilmung „I Served the King of England“ (Tschechische und die Slowakische Republik) von Jiri Mentzel u.a. mit Julia Jentsch.

Zwei Brüder, zwei Perspektiven - Clint Eastwoods Kriegsfilm „Letters from Iwo Jima"

Clint Eastwoods Kriegsdrama „Letters from Iwo Jima" wird auf der Berlinale außerhalb der Konkurrenz laufen. Leider. Er kam vor einigen Wochen in den USA ins Kino, wo wiederum einige Wochen früher auch der gewissermaßen erste Teil dieses Dramas bereits anlief: „The Flags of our Fathers" (der diesen Donnerstag in die Kinos kommt). Doch die beiden Filme sind eher zwei Seiten einer Medaille als aufeinander folgende Geschichten - sie beziehen sich aufeinander, ohne sich zu begegnen, stehen sich gegenüber wie die dargestellten Kriegsgegner in den Schützengräben: ohne das Gesicht des anderen erkennen zu können, schiesst jeder hinüber auf die andere Seite und wartet, was von dort kommt.

Beide Filme handeln von der Schlacht um die Insel Iwo Jima im Zweiten Weltkrieg. „The Flags of Our Fathers" aus amerikanischer Perspektive (bei dieser Schlacht entstand das sehr berühmte, inzwischen ikonographische Kriegsfoto von sechs GIs, die eine amerikanische Flagge auf den Gipfel des Hügels rammen) und „Letters from Iwo Jima" aus japanischer Perspektive.
Die Kritiken waren überragend und das, obwohl doch das Genre des Kriegsfilms, besonders des 2. Weltkriegsfilms, mehr als oft genug erzählt wurde.
Die beiden Eastwood Filme beweisen offenbar, dass man über den Krieg ebenso viele Filme machen kann, wie über die Liebe: unendlich viele.
Die NY Times schrieb, es gebe wohl kaum einen Kriegesfilm der intimer ist und sich mehr darum bemüht, tief in die Psyche und Menschlichkeit des Feindes vorzudringen und dabei die Absurdität vorzuführen, mit der Individuen im Krieg gezwungen werden, ihre Persönlichkeit zugunsten einer Todesmaschinerie aufzugeben.
Kein amerikanisches Heldendrama nach Schema-X (Saving Private Ryan etc.) also. Wie auch mit unbekannten japanischen Schauspielern und auf Japanisch mit Untertiteln - normalerweise Garantie für einen Misserfolg in den USA. Wir dürfen gespannt sein.
Schade nur, dass wie letztes Jahr mit „Syriana" die ambitionierten amerikanischen Filme außerhalb der Konkurrenz laufen.

Rezension aus der New York Times
und eine Rezension aus dem Tagesspiegel

Film über Edith Piaf“ eröffnet Berlinale

Das Biopic „La vie en rose“ über die wohl berühmteste Sängerin Frankreichs wird am 8. Februar die Berliner Filmfestspiele eröffnen. Der Film steht in einer Reihe mit Filmbiographien wie „Walk the Line“ oder „Capote“, die im letzten Jahr sehr erfolgreich waren. Wie bei Johnny Cash und Truman Capote liefert das Leben der Edith Piaf mit seinen Höhen und Tiefen eine ähnlich gute Vorlage.
Regie führte Olivier Dahan, dessen letzter Film „Die Purpurnen Flüsse 2“ mit Jean Reno nur sehr bescheidene Kritiken bekam.
Dargestellt wird die Piaf von Marion Cotillard. Die Schauspielerin und aktive Greenpeace Aktivistin nach ihrer letzten Rolle in dem frankophilen Kitschstreifen „Ein gutes Jahr“ von Ridley Scott zu beurteilen, wäre sicherlich ungerecht. In Frankreich ist sie durch „Taxi“ und die entsprechenden Sequels bekannt geworden. In internationalen Produktionen spielte Cotillard u.a. in Tim Burtons „Big Fish“. Für die Nebenrolle in Jean-Pierre Jeunets „Mathilde – Eine große Liebe“ bekam die 31-jährige Schauspielerin 2005 einen Cesar. Das Marion Cotillard nachgesagt wird, gut singen zu können, ist für die neue Rolle sicherlich „nicht unbedeutend“.
Für den Verleih ist die Weltpremiere auf der Berlinale optimal. Zwei Tage nach der Uraufführung in Berlin läuft der Film in den USA an, am 22. Februar dann auch in Deutschland. Zur Premiere kann auch Gérard Depardieu erwartet werden, der eine Nebenrolle spielt. Ein Trailer zu „La vie en rose“, der in Frankreich unter „La Mome“ läuft, steht bereits online (link).

Neo-Noir, Lügen und Spione in Berlin

Soderberghs neuer Film "The Good German" mit George Clooney in der Hauptrolle ist eine Hommage an die alten Noir Filme und optisch inpiriert durch "Der Dritte Mann" oder "'Casablanca" und die Figuren erinnern nicht zufällig an Orson Welles, Fassbinders Veronika Voss oder den guten alten Bösewicht Peter Lorre. Er wird im Wettbewerb der Berlinale laufen.

In den USA bereits angelaufen und mit gemischten Kritiken bedacht, wird "The Good German" auf der Berlinale dennoch Aufsehen erregen, einfach weil er in den Ruinen unserer Stadt nach dem Krieg spielt und weil die Darsteller Clooney, Cate Blanchett und Tobey Maguire Hoffnungen auf die jedes Jahr heiß diskutierten Starbesuche wecken, mit dem die Berlinale immer wieder gegen Cannes anstinken möchte.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Vorlage ist ein Roman von Joseph Kanon, der von einem amerikanischen Journalisten (Clooney) erzählt, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Potsdam zurückkehrt und dort seiner alten Liebe (Blanchett) begegnet. Mit dabei ein fieser Sadist, der mit Cate Blanchett fiese Sachen macht (Tobey Maguire) und diverse zwielichtige Typen. Es geht um die Jagd auf deutsche Wissenschaftler, die im beginnenden Kalten Krieg von den Amerikanern rekrutiert werden, damit die Russen sie nicht rekrutieren. Die Themens sind wie nicht anders zu erwarten Kriegsverbrechen, Ausbeutung, Vergewaltigung, Gewalt, Mord, Verschwörung und die Spionagespielchen zwischen Russen und Amerikanern.

Kritisiert wurde an dem Film vor allem, dass er sich in seiner Ästethik zu sehr selbst gefällt, alle alten Vorbilder zitiert und mit Soderberghs eigenen Hochglanzfilmen wie "Oceans Eleven" mischt, aber nichts wirklich neues schafft, ausser einen Neo-Noir Film, der mehr Gewalt und Sex, als es in den Orginalen in den 50er möglich war, auf der Leinwand zeigt.
Ich bin als Fan der 50er Jahre Filme trotzdem sehr gespannt...

Die Reise beginnt schon...

Einige Wettebewerbsfilme sind jetzt benannt worden. Und schon bei diesen wenigen beginnt die beliebte Kino Reise um die Welt und durch die Zeit: Zum zweiten Mal im Wettbewerb der Berlinale Christian Petzold mit seinem neuen Film "Yella", eine Ost-West Geschichte. Aus Südkorea "I Am A Cyborg But That’s Ok" von Park Chan-wook, in dem sich eine Frau in einer Irrenanstalt ausnahmsweise nicht für Napoleon, sondern für einen Roboter hält. Desweiteren ein Film des Oscarpreisträgers Billy August über den Gefängniswärter von Nelson Mandela, "Goodbye Bafana", sowie der Film "Irina Palm“ mit der Sängerin Marian Faithfull in der Hauptrolle als Frau um die 50, die sich für einen erotischen Job engagieren lässt.
Hoffen können alle Fans des amerikanischen Kinos auf Starbesuche durch George Clooney (dessen Besuch letztes Jahr schon große Wellen schlug, er ist gut mit Kosslick bekannt) und Robert DeNiro. Clooney ist Darsteller in Soderberghs Schwarz/Weiß Drama "The Good German", das im Nachkriegs Berlin spielt. DeNiros zweite Regiearbeit hat einen ähnlichen Titel, nämlich "The Good Shepherd", spielt einige Zeit früher während des Zweiten Weltkriegs und ist ein Geheimdienstdrama.

Die Auswahl der beiden Filme ist aus Publicity Gründen sehr geschickt, denn die Liste der in den Filmen vertretenen Stars und damit möglichen Berlinale Gäste ist neben Clooney und DeNiro lang: Cate Blanchet, Tobey Maguire, Beau Bridges, Matt Damon, Angelina Jolie. Warten wir's ab, wer am Roten Teppich in diesem Jahr bekreischt wird...

Impressum