Der Chef vons Janze - Portrait des Jury-Präsidenten Paul Schrader

Ein Drehbuchautor als Präsident - das ist selten - sind es doch meist die „Checker & Könige" des Filmgeschäfts, Regisseure oder Schauspieler wie letztes Jahr Charlotte Rampling, die den Geist einer Jury verkörpern und Öffentlichkeit schaffen sollen. Doch dieser Drehbuchautor ist ja viel mehr als eine der fleißigen Bienen im Hintergrund, die kaum jemand kennt: Er ist selbst eine Marke und ein Monolith in der amerikanischen Filmlandschaft geworden, war Teil des rebellischen „New Hollywood" in den 60ern und 70ern (Retrospektive der Berlinale 2005) und kann auf einige eindrucksvolle und manchmal stilbildende Filme in seinem Schaffen zurückblicken.
schrader.jpg

Paus Schrader wird 1946 als Sohn strenggläubiger Calvinisten geboren und erzogen, er studiert folgerichtig und brav bis zum „Schicksalsjahr" 1968 Theologie, um sich dann aber dem zuzuwenden, was die Fundamentalisten in den USA als die Mächte des Teufels bezeichnen: dem verlotterten Filmgeschäft. Heute beschreibt er den Calvinismus als eine Art permanente, milde Depression.
Er nimmt Film-Kurse an der Columbia University in N.Y., schreibt Kritiken. 1972 erscheint sein Buch "Transcendental Style in Film" in dem er religiöse und mythische Tedenzen in den Werken von YazujiroOzu, RobertBresson und Carl Theodor Dreyer analysiert. In dieser Zeit beginnt er auch erste Drehbücher zu schreiben. Das Theologiestudium und den vom „Glauben abgefallenen" merkt man seinen Filmen oft genug an, nicht nur in „The Last Temptation of Christ", den er 1987 mit Scorsese machte. Es ist fast so, als riefen seine Figuren immer wieder „Ich will ja glauben, aber wie denn, woran denn bitte?"

Schrader kämpft in den 70ern mit Drogen und Alkohol und ringt mit seiner Bestimmung. Er ist pleite, schläft in seinem Auto und geht nachts in Pornokinos - aber aus dieser veritablen Lebenskrise gehen eine Reihe wichtige Filme (Taxi Driver, Hardcore, American Gigolo, Light Sleeper) hervor, in der männliche Krisen die Krisen der Gesellschaft werden und umgekehrt.
Überhaupt sind die richtungslosen Männer dieser Welt, ihre Codes, ihre seltsamen Vorstellungen von Ehre und Gewalt als Lösung sein Thema. Ob in Yakuza Filmen, bei den nächtlichen „Lonern" in „Taxi Driver", „Bringing out the Dead" oder die Figur in „Light Sleeper" - ja sogar in „Last Temptation of Christ" geht es ja vor allem um Männer und ihre Art zu scheitern.

Nach „Taxi Driver" (Schrader bezeichnete Travis Bickle als „god's lonely man") führte Schrader auch selbst Regie, arbeitete als Autor unter anderem mit Coppola, Lucas, Pollack, DePalma, Spielberg, Peter Weir sowie mehrfach mit Scorsese.
Mit "Mishima" inszeniert er 1985 einen komplexen, filmsprachlich ambitionierten Film über den letzten Tag des japanischen Schrifstellers Yukio Mishima, der gefangen zwischen der Tradition kriegerischer Samuai und den Errungenschaften der westlichen Marktwirtschaft und Kultur Paul Schraders Position in der amerikanischen Filmwirtschaft spiegelte. Auch Schrader begreift sich offenbar als ein solcher Mann alten Schlags.

Heute ist der rebellische Mann im Hollywood Establishment angekommen, was man ihm aber ganz sicher nicht vorwerfen kann. Alles hat seine Zeit. Über seine wilden Jahre sagt er: „But our attitude was: we don`t like you and we don't care if you like us. And the phantastic thing about it was that you could still make money with it!"
Nun wird er Jurypräsident der Berlinale und keiner wird ihm reinreden können - denn er ist der Boss, ein echter Kerl - eine Rolle, die er schon sein ganzes Leben gibt.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Impressum