Clint-San klärt Amerika & Japan über einander auf

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"Letters from Iwo Jima" von Clint Eastwood (Wettbewerb / Ausser Konkurrenz)

Der zweite Teil dieses Pazifikkriegsepos beginnt, wo der erste Teil endete: in der Gegenwart: 60 Jahre nach Kriegsende. In einer Höhle werden Briefe von Soldaten gefunden, die damals auf der Insel Iwo Jima gekämpft haben und fast alle umkamen, inklusive des Generals, der die 20.000 Soldaten befehligt hat (ist wirklich so passiert). Ihre Verteidigung von Iwo Jima war ein Himmelfahrtskommando, denn gegenüber eine fast zehnfachen Übermacht der Amerikaner und ihrer gigantischen Militärmaschinerie war klar, die Japaner würden dort niemals gewinnen können. Und so waren am Ende nur 1000 Japaner noch am Leben - die Ehre sollte verteidigt werden, weil das Land längst verloren war - das geht selten gut aus....

Wie schon in "Flags of our fathers" ist es ein Kriegesfilm, in dem der Krieg nur minutenweise und dann in aller Grausamkeit einbricht, denn es geht auch in Letters from Iwo Jima nicht um militärische Details, Massenszenen, Heldentum und Nahkampf, sondern darum, dass Soldaten, egal aus welchem Land und in welchem Krieg, einfach tun (müssen), was ihnen gesagt wird und dennoch zweifeln und heimkehren, nicht sterben wollen. Und dann tun sie es doch, millionenfach. Und die beiden Clint Eastwood Filme zeigen, dass sie dabei viel mehr für ihre Kameraden oder einen geachteten Vorgesetzten kämpfen, und weil sie überleben und ihren Kumpels beim Überleben helfen wollen. Sehr selten kämpfen diese Männer für abstrakte Werte wie Vaterland, Tenno oder die Freiheit an sich - jedenfalls nicht mehr in dem Moment, wenn die Kugeln fliegen und die Granten hochgehen und die Leute neben ihnen in Stücke gerissen werden, dann ganz bestimmt nicht mehr. Es sind Menschen in Uniform, nicht Helden und nie Maschinen in Uniform.

Und genau das ist Eastwoods Antwort auf alle, die die Frage, wie kann ein Amerikaner, der selbst im Krieg gekämpft hat, einen Film aus japanischer Sicht machen und dann noch einen so großartigen? Weil es um menschliche Werte geht, weil es um Männer geht, die Angst haben und weil der Krieg eine Conditio Humana ist, die schon immer das Beste und das Schrecklichste aus den Menschen herausgeholt hat.

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General Kuribayashi (Ken Watanabe) ist daher auch einer der interessantesten Charaktere in dem Film. Er hat selbst lange Jahre in den USA gelebt in den 30er Jahren, mag die amerikanische Kultur und die Menschen. Das ausgerechnet er dann den Kampf auf Iwo Jima befehligen sollte, ist bittere Ironie des Schicksals. Doch obwohl er ein herzlicher, intellektueller, weltoffener Mann ist - ein Pazifist ist er nicht. Er wird kämpfen und seinen Auftrag bis zum Ende erfüllen, er ist bereit, sein Leben zu geben. Daneben wird noch die Geschichte des einfachen Bäckerjungen Saigo (Kazunari Ninomiya) erzählt, der am Ende auch als Einziger überlebt und im Grunde von Anfang an Zweifel an dem ganzen Unterfangen hat und desse gesunder Menschenverstand nicht abgeschaltet wird, weil die Vorgesetzten sagen, es sei eine Ehre für den Tenno zu sterben. Und als dritte Hauptfigur ist da noch Braron Nishi (Tsuyoshi Ihara), der bei den Olympischen Spielen in den USA gewonnen hat und mit Douglas Fairbanks befreundet war - ein Charaker wie das Image eines englischen Sportsmann: fair und entschlossen. Auch er scheint einerseits fehl am Platz, aber kämpft und bemüht sich bis zu letzt, tötet sich dann aber wie General Kuribayashi selbst. Obwohl sie sowohl um die Sinnlosigkeit ihres Kampfes wissen und der Propaganda die Amerikaner seien feige, ungebildete Teufel nicht anheim fallen können, weil sie dort waren, obwohl sie intelligente und lebensfrohe Menschen sind, gebietet ihnen ihre Auffassung von Ehre, diesen Weg zu gehen. Ich habe diese paradoxe Haltung noch nie so schlüssig und zumindest annhähernd nachvollziehbar dargestellt gesehen - ausser vielleicht in "Bushi no Ichibun" (Panorama), der von einem Samurai mit Sorgen und viel Güte, aber doch getrieben vom Ehrenkodex erzählt. Die Charaktere in Iwo Jima ähneln diesem Samurai.

"Am besten wir versenken die ganze Insel", sagt einer der Soldaten. Und je mehr man darüber nachdenkt, desto richtiger erscheint der Gedanke, denn dieser Lavahaufen im Pazifik hat so viele Menschen das Leben gekostet, Menschen, die noch etwas vorhatten im Leben oder die eigentlich Sinnbilde für das verbindende, alle Grenzen überschreitende menschliche Element waren wie General Kuribayashi oder Baron Nishi.

Diese zwei Filme ist nicht weniger als der Bruch mit einem patriotischen Mythos von Siegern und Helden auf der einen (Flags of our Fathers) und brutalen, Kamikaze-Japanern auf der anderen Seite (Letters from Iwo Jima). Die Filme brechen auch die Gesetzte des Genres "Kriegsfilm", das eigentlich immer nur funktionierte, weil die einen die Guten und die anderen die ganzganz Bösen waren und der sich mit solch einer Darstellung der Gegner nicht selten zum Helfer einer staatlichen Kriegspropaganda machte.

Und noch etwas erstaunliches haben die beiden Filme bewirkt, die sowohl in den USA wie Japan schon erfolgreich angelaufen sind: Aufklärung und Debatte. In Japan hat man nämlich bis jetzt verschämt das Kapitel Iwo Jima so gut wie gar nicht behandelt und in den USA spukt in vielen Köpfen noch immer das Klischee der Japaner als grunzende Samurai / Kamikaze Piloten umher, die zu allem bereit sind (auch für die Deutschen Soldaten gibt es ja schöne Klischees im Film, ich sage nur Monokelträger, Ledermäntel und Sadismus). Also: ein durch und durch menschlicher Kriegsfilm, beeindruckend in jeder Hinsicht. Wenn Clint Eastwood weiter so erfolgreich damit ist, nur zu verfilmen, was ihn interessiert und auf eine ästhetisch und dramturgisch höchst gelungene Art und Weise, dann dürfen wir uns jetzt fast jedes Jahr auf große Filmkunst freuen. Der Mann ist erst 77 und hat noch einiges vor.

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Titel

Orignaltitel

Letters From Iwo Jima

Credits

Regisseur

Clint Eastwood

Schauspieler

Kazunari Ninomiya

Ken Watanabe

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2006

Dauer

142 min.

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