Casablanca und Der Dritte Mann - als Tofuversion

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"The Good German" von Steven Soderbergh (Wettbewerb)

Was ist dieser Film? Ein Krimi, ein Remake, eine Hommage, eine Neuinterpetation, ein bloßes Nachäffen? Keine Ahnung. Von allem etwas vermutlich. Durchaus gelungen die Wiedergeburt eines 40er Jahre Thrillers direkt am Anfang, mit der pompösen Musik als Aufmacher, den wackeligen Bildern, die zackige Einführung der Charaktere und sogar ein wenig Esprit in den Dialogen. Aber warum überhaupt der Aufwand, einen Film zu machen, der wie in den 40ern gemacht aussieht? Das hab ich bis zum Ende nicht begriffen ....

Da wurde mit alten Kameras gedreht und laut Frau Blanchett sollten auch die Figuren so sein, wie in den alten Schinken: kühl, an der Oberfläche, undurchsichtig und dabei fast stereotyp. Es ist also ein Bindestrichfilm, ein Nachkriegs-Neo-Noir-Spionage-Thriller, der das Wissen, die Sprache und Möglichkeiten von heute (das bedeutet ein bisschen nackte Haut, Vögelszenen und eine rüde Sprache mit "Fuck this" und "Fuck that" - damals unmöglich). Aber eine weitergehende Erkenntnis, als die aus jenen alten Filmen, alle sind verdorben, jeder kämpft nur für sich selbst, der Ehrliche ist der Dumme usw., zieht man auch aus diesem Film nicht.

Sicher, Clooney steht das Schwarz/Weiß wie schon in "Good Night and Good Luck" ungemein gut, da ist er wirklich in einer Liga mit Cary Grant. Aber wenn Berlin aussieht wie Heidelberg und die Schlüsselszene zwischen Clooney und Blanchett aufgesetzt und overacted wirkt und dann Cate Blanchett auch noch Deutsch brabbelt, ist das Gefühl von "fast wie damals" wieder ganz weit weg. Ok, sie versucht es wenigstens, das sollte man anerkennen, aber man merkt eben wenn Leute Sätze AUFsagen, ohne sie zu verstehen. Da kann man noch so gut und traurig, fast Marlene-haft aussehen oder mit deutschem Akzent (das gelingt ihr gut) Englisch sprechen - es klingt eben immer nur "so wie...".
Auch der fiese Tully, den Tobey McGuire spielt, ist ziemlich schnell tot und war auch vorher irgendwie nicht so richtig lebendig als Figur.

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Der Russe ist auch eine 50er Jahre Karrikatur, aber ER ist in diesem Film gar nicht die Bedrohung, sondern die kommt von Innen, von den amerikanischen Landsleuten des Helden, die sich "die Zukunft" sichern wollen, indem sie Nazi-Wissenschaftler nach USA schaffen. Das System ist verdorben. Eine Botschaft die auch schon in anderen Soderbergh/Clooney Kollobarationen ausgesendet wurde. Diesmal in der Mutter aller Verschwörungsfilme: dem Agententhriller. Das versucht er zu sein mit Verwicklungen und undurchsichtige Typen, Figuren die nicht sind, was sie zu sein vorgeben und mit ein, zwei überdeutlichen Referenzen an die Klassiker wie "Der Dritte Mann" oder "Casablanca" (bei diesem Abschied am Flugzeug regnet es).
Am Ende sind auch alle tot oder doch böse, und der gebeutelte Held bleibt zurück. Aber im Westen nichts Neues möchte man fast kalauern. Aber warum dann dieser Film, der allein als Fingerübung zu aufwendig ist? Keine Ahnung!

Und warum im Berlinale Wettbewerb? Der bereits erwähnte andere Schwarz/Weiß Film mit (und sogar von) Clooney, "Good Night and Good Luck", der wäre letztes Jahr dort genau richtig gewesen. Aber dieser seltsame Remake-Abklatsch 50 Jahre alter Filme eines Regisseurs, der offensichtlich mal wissen wollte, wie man damals Filme gemacht hat, das ist mir unklar. Er taugt nicht Mal als Metapher auf irgendwas (die Filmindustrie, die heutige Politik, das verdorbene System etc.) und packend ist er trotz aller Bemühungen um Spannung und Authentizität ebenso nicht. Er gefällt und genügt sich darin, so auszusehen, wie ein guter alter Film, den man morgens um 3 in der ARD schaut und denkt, "Hach das waren noch Männer!"
So einen echten Schinken guck ich dann auch lieber. Ich ess ja auch lieber Schinken als Tofu mit Schinkengschmack.

Kommentare ( 3 )

Schöner unterhaltsamer Text! Eure Texte sind ein guter Ersatz für Leute, die kaum Zeit haben zur Berlinale zu gehen, und dennoch das Bedürfnis haben, über die Filme zu lesen - wie mich. :]

In der deutschen Version wird die gute Cate dann auch synchronisiert sein, weil eigentlich hatte ihr der Steven zugesichert, dass sie gar kein deutsch sprechen muss...

Übrigens hab ich vor zwei Wochen auf der ARD und ungefähr um Mitternacht wieder einmal "Casablanca" gesehen. Großartig! Just like any other film, only more so.

...und ich hab vor zwei Wochen wieder mal "Der dritte Mann" gesehen. Absolut großartig, wie geheimnisvoll die da durch Wien laufen und dem Show-Down in der (Schwarz-Weiß-) Kanalisation entgegen steuern.

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Titel

Orignaltitel

The Good German

Credits

Regisseur

Steven Soderbergh

Schauspieler

Cate Blanchett

George Clooney

Tobey Maguire

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2006

Dauer

105 min.