Wettbewerb

"Be Kind Rewind" von Michel Gondry

Be%20kind%20rewind.jpg

Mach deinen eigenen Film

Zwei Nerds arbeiten in einem Videoladen. Gähn. Das hat man nun wirklich schon zu oft gesehen, als dass daraus etwas Spannendes werden könnte. Aber halt, stopp: Diesmal hat sich das französische Wunderkind Michel Gondry („The Science of Sleep“) des Themas angenommen. Und genau deshalb ist dabei auch ein großartiger, vor Fantasie strotzender, herrlich abgedrehter Film entstanden. „Be Kind Rewind“ ist zugleich Jungskomödie, Liebeserklärung an die Kinomanie, anrührendes Neighbourhood-Märchen und eine Hommage an all die durchgeknallten Kreativen, die mit ihren irren Ideen den Bilder in unseren Köpfen das Fliege beibringen.

Mehr: " "Be Kind Rewind" von Michel Gondry " »

Il y a longtemps que...von Phillippe Claudel

longtemp.jpg

Das Geräusch des Schlüsselbundes

Wie auch ein leiser Film ohne große Effekte nachhaltig beeindrucken kann, das zeigt Phillippe Claudel mit "Il y a longtemps que...". Erzählt wird die Geschichte von Juliette, die fünfzehn Jahre im Gefängnis verbracht hat. Während dieser Zeit hatte sie keinen Kontakt zu ihrer Familie, die nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Dennoch wird sie sofort nach ihrer Entlassung von ihrer jüngeren Schwester Leà abgeholt und in deren Familie aufgenommen. Obwohl sich beide Frauen eigentlich fremd sind, versucht Leà mit aller Kraft, eine neue Beziehung zu ihrer Schwester aufzubauen. Zwar bemüht sich auch Juliette allmählich um eine Annäherung, für sie ist aber der Gedanke unerträglich, das während ihrer gesamten Zeit im Gefängsnis alle anderen draussen ein normales Leben geführt haben, in dem sie in keiner Weise vorkam. Trotz dieses Geflechts aus Verletzungen und verdrängten Schuldgefühlen kommt es zu einer langsamen Annäherung der Schwestern.

Mehr: " Il y a longtemps que...von Phillippe Claudel " »

"The Other Boylen Girl" von Justin Chadwick

boylen1.jpg

"This is England / What we're supposed to die for / This is England / And we're never gonna cry no more" - The Clash

Kurz gesagt geht es 110 Minuten ums Vögeln. Aber gezeigt wirds nicht, alles keusch wie es sich für einen Hollywood Film gehört.
Das Gepimper findet in schönen Kostümen und Schlössern statt, mal bei Kerzenlicht und knackendem Kaminfeuer, mal rücklings über den Schreibtisch ihrer Durchlaucht. Ziel des ganze Geraschel von Gewändern und Hermelinkragen ist einen Thronfolger zu zeugen. Das gelingt trotz mehrerer Frauen, die Heinrich besteigt, nicht. Und damit der die Tussis wieder loswerden kann, bricht er mit der Kirche, verjagt die eine Frau, lässt die nächste umbringen und die dritte darf am Leben bleiben. Letzere wird irgendwann die kleine rothaarige Elisabeth nach London schicken, damit sie 45 Jahre Königin von England sein kann, über die ja auch schon Kostümschinken gemacht wurden.

Mehr: " "The Other Boylen Girl" von Justin Chadwick " »

Caos Calmo (Stilles Chaos) von Antonello Grimaldi

caos2.jpg

Die wartende Sphinx auf der Parkbank

Nach den Pleiten der letzten Jahre, endlich ein italienischer Film, der bewegt. Und da er erst eine halbe Stunde vor Mitternacht begann und mich die ganze Zeit wachhalten konnte, gilt das Kompliment doppelt.
Nanni Moretti spielt einen Mann, der plötzlich (im Film nach etwa drei Minuten!) seine Frau verliert. Unfähig zu trauern, geht er nicht mehr zur Arbeit als Chef in einen römischen Großkonzern, sondern verbringt nun die Tage auf einer Bank vor der Schule seiner kleinen Tochter. Er bringt sie hin, wartet bis die Schule aus ist, fährt mit ihr Heim, liest ihr vor. Während er wartet entwickelt sich in dem kleinen Park, in einem Café nebenan ein neuer Alltag, bestimmt von Begegnungen mit der Nachbarschaft beim Warten und Besuchen seiner Freunde und Familie in diesem, ja, Außenbüro. Das ist charmant, witzig und melancholisch in einer sehr gelungenen Mischung.

Mehr: " Caos Calmo (Stilles Chaos) von Antonello Grimaldi " »

"Restless" von Amos Kollek

Restless.jpg

Ein jeder löffle seine Suppe allein

Gleich am Anfang bekommt Moshe richtig eins in die Fresse. Ganz nah dran ist die Kamera, als der ältere Mann von zwei arabisch sprechenden Jungs brutal zusammengeschlagen wird. Es geht irgendwie um ein Geschäft, das schief gelaufen ist, soviel bekommt man mit. Moshe wehrt sich nicht; er schleppt sich nur irgendwann in seine düstere Kellerwohnung im Village in New York und wischt sich das Blut aus dem Gesicht. Müde sieht er aus, dieser Moshe, und ein bisschen wie ein verwahrlosten Poet. Wo Amos Kollek bislang den Fokus auf zerbrechliche und meist sehr einsame Frauengestalten gelenkt hat, nimmt er sich in seinem neuen Film „Restless“ eine zerrüttete Vater-Sohn-Beziehung vor. Und voilà: Auch das kann er sehr eingängig erzählen.

Mehr: " "Restless" von Amos Kollek " »

Pressekonferenz zu "Kabei" mit Yoji Yamada

kabei_yamada.jpg

Wenn Filme von Yoji Yamada auf der Berlinale aufgeführt werden, dann haben die anschließenden Pressekonferenzen immer etwas ehrfurchtsvolles. Der Respekt vor dem Werk des 76 jährigen japanischen Regisseurs liegt in der Luft. Verstärkt wurde diese Aura noch durch die Anwesenheit der Hauptdarstellerin Sayuri Yoshinaga und der Autorin Teruyo Nogami, deren autobiographische Geschichte "Requiem for a father" die Vorlage für "Kabei" bildete. Für die in Japan sehr populäre Schauspielerin Sayuri Yoshinaga ist "Kabei" bereits der 112ter Film. Teruyo Nogami ist Teil der japanischen Kinogeschichte. Die 81-jährige Autorin und ehemalige Managerin von Kurosawa Production hat seit "Rashomon" (1950) über 40 Jahre lang mit dem Akira Kurosawa als script supervisor zusammengearbeitet.

Mehr: " Pressekonferenz zu "Kabei" mit Yoji Yamada " »

„Kabei“ (Our Mother) von Yoji Yamada

4227_0002_Popup1.jpg

Der Krieg in der Seitenstraße

Nach seiner wunderbaren Samurai Trilogie widmet sich Yamada nun der jüngeren japanischen Vergangenheit, der Zeit des Krieges von 1940-1945 und der faschistischen Herrschaft. Wie schon zuvor wählt er dazu als Erzählerin ein Kind und als Haupthandlungsort das Haus einer Familie. Das ist es, was ihn interessiert: Das Geschehen der Gesellschaft ja in der Welt und die Auswirkungen der Ereignisse auf den Mikrokosmos einer einfachen Familie. Ihm ist wieder ein überragender Film gelungen, der durch seine ruhigen, fast kammerspielartigen Bilder, die brillanten Figuren und Schauspieler getragen wird. Sayuri Yoshinaga spielt die Heldin des Films, die Mutter, die in Zeiten von Gefahr, Mühen, Schmerz und Sorge immer das Richtige tut ohne dabei zu einer unantastbaren Ikone zu werden, sondern im Gegenteil soviel Menschlichkeit ausstrahlt, dass bei ihrem Tod am Ende des Films, viele Kinobesucher Tränen vergossen.

Mehr: " „Kabei“ (Our Mother) von Yoji Yamada " »

"Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie

kirschblueten.jpg

Kitsch unter Kirschbäumen

Der Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschens, die Unfähigkeit zu echter Kommunikation und der späte Versuch, etwas gut zu machen, dass sind die nicht eben leichten Themen, um die es im Film "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie geht.

Mehr: " "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie " »

"Standard Operating Procedure" von Errol Morris

SOP2.jpg

Wo bleibt die Menschenwürde im Krieg und auf der Leinwand?

„Standard Operating Procedure“ wurde im Vorfeld der Berlinale von Dieter Kosslick mit großer Begeisterung als „wichtiger Film und erste Dokumentation im Wettbewerb“ angekündigt. Nach der Premiere sind große Zweifel daran angebracht, ob es sich bei „Standard Operating Procedure“, der die Misshandlungen von Gefangenen im U.S.-Millitärgefängnis Abu Ghraib im Irak behandelt, um eine Dokumentation handelt. Errol Morris vermischt klassische Interviewpassagen vor neutralem Hintergrund mit Dramaturgieelementen aus dem „Horrorfilm“ – so Morris eigene Wortwahl. Die Würde der Opfer spielt bei der ausführlichen Ausstellung der bereits bekannten Folterbilder im Riesenformat auf der Leinwand offensichtlich keine Rolle. Errol Morris wollte einen investigativen Film machen, der das Zustandekommen der Fotos detailliert nachzeichnet. Der aufklärerische Mehrwert bleibt jedoch äußerst gering.

Mehr: " "Standard Operating Procedure" von Errol Morris " »

"Happy-Go-Lucky" von Mike Leigh

go_luck.jpg

Little Miss Sunshine im Working Class London

Ha! Endlich mal wieder ein Film, der so richtig Spaß macht. Mike Leigh hat entgegen seiner Gewohnheit diesmal kein deprimierendes Sozialdrama auf die Leinwand gebracht, sondern ein beschwingtes Porträt einer wunderbar verrückten Frau, die mit einer schier unbegrenzten Lebensfreude durch London hüpft. Poppy heißt das verrückte Huhn, und sie widerlegt alle negativen Klischees über Grundschullehrerinnen, angefangen bei ihren gewagten lila Spitzenstrumpfhosen und wild gemusterten Stiefeln, über die bezaubernde Art, ihren humorlosen Fahrlehrer in die Verzweiflung zu treiben, bis hin zu ihren kabarettreifen Bemühungen, die stolze Würde des Flamenco-Tanzes zu erlernen.

Mehr: " "Happy-Go-Lucky" von Mike Leigh " »

"Bam Gua Nat" (Night and Day) von Hong Songsee

night_and_day.jpg

Ein Koreaner in Paris

Erstaunlich, was man auf der Berlinale alles so über ferne Länder lernt: Zum Beispiel, dass man in Südkorea fürs Marihuana-Rauchen in ernsthafte Schwierigkeiten kommen kann. So geschieht es Kim Sung-nam, der gar nicht erst wissen will, was ihm für eine Strafe droht, sondern Hals über Kopf in den nächsten Flieger nach Paris steigt – um dort dann ziemlich bedröppelt durchs Leben zu tapsen.

Mehr: " "Bam Gua Nat" (Night and Day) von Hong Songsee " »

"Man Jeuk" ("Sparrow") von Johnnie To

Sparrow.jpg

Vier Buben für eine Dame

Ein Taschendieb-Quartett mit Gentleman-Qualitäten, eine geheimnisvolle Schöne im schwarzen Glitzerkleid und High Heels sowie ein gealterter Mafioso mit Zigarre im Mund – das sind die Zutaten zu einer flott erzählten Gaunerkomödie à la Hongkong. Man schaut Altmeister Johnny Tos „Sparrows“ gerne zu, amüsiert sich und fiebert mit. Was will man mehr?

Mehr: " "Man Jeuk" ("Sparrow") von Johnnie To " »

"Elegy" von Isabel Coixet

elegy.jpg

Was macht Liebe auf der Leinwand glaubhaft? Sind es Gesten, Blicke, Tränen oder Küsse? Sind es Situationen, die wir in uns wiederfinden? Wie das Gefühl selbst, kann man es wohl schwer festmachen. Schwer zu sagen, weshalb mich die Liebe zwischen dem 60 jährigen Professor David Kepesh und seiner jungen Studentin Consuela lange kalt lässt.

Mehr: " "Elegy" von Isabel Coixet " »

"Shine a Light" von Martin Scorsese (2)

0042_0001_Popup1.jpg

Zurück in die Zukunft

Martin Scorcese hat mit „Shine a Light“ seinen ersten, grandiosen Sience-Fiction-Film vorgelegt. Der Plot spielt im Jahr 2062 und ist schnell erzählt. 100 Jahre nach ihrer Gründung werden die mit speziellen Methoden eingefrorenen und konservierten Mitglieder der Band „The Rolling Stones“ aufgetaut und spielen ein Jubiläumskonzert auf einem fernen Planeten.

Mehr: " "Shine a Light" von Martin Scorsese (2) " »

Avaze Gonjeshk-ha (The Song Of Sparrows) von Majid Majidi

avaze2.jpg

Von Straußen und Menschen

Strauße sind komische Tiere. Dicke Beine zum Rennen und ein kleines Hirn für diesen mächtigen Leib. Dafür geben sie schöne Federn und dicke Eier her. "Der Mensch ist ein komisches Tier, das sich rasiert" hat mal jemand gesagt. Dem kann man zustimmen. Er rennt dem Geld hinterher, sammelt es, hortet es. Und besteht irgendwie Aussicht auf mehr, dann kann der Sammeltrieb zur Obsession werden. Sein Hirn ist größer als das des Straußen, aber das scheint nicht immer zu helfen. Und große Eier legen kann er eben auch nicht.
In Majidis Film steht ein von einer Farm geflohener Strauß als Symbol für das große Geld, das man irgendwann finden wird, wenn man nur mit allen zur Verfügung stehenden Kräften danach sucht.

Mehr: " Avaze Gonjeshk-ha (The Song Of Sparrows) von Majid Majidi " »

„Gardens of the Night“ von Damien Harris

gardens1.jpg

"No direction Home"

Stell dir vor, dein Kind geht zur Schule, ein lauer Sommermorgen, du bist schon auf dem Weg zur Arbeit, irgendein Meeting, ein Termin, deswegen musstest du früher weg, oder ein Arzttermin. Irgendein Quatsch - den du für den Rest deines Lebens bereuen wirst. Denn der flüchtige Kuss für deine kleine 7-jährige Tochter mit den blonden Zöpfen und den streichholzdünnen Beinen wird der letzte sein, den du deinem Kind gibst. Für viele Jahre. Du denkst für immer. Sie ist weg. Kommt nicht wieder. Ist nicht tot. Viel schlimmer. Sie ist nicht tot. Du wünscht es ihr.
Diese Geschichte erzählt der Film. Aber nicht aus der Sicht der verzweifelten Eltern, sondern aus der Sicht des Mädchens und ihres Märtyriums in den Händen von Pädophilen.

Mehr: " „Gardens of the Night“ von Damien Harris " »

Murch & Mac

powerbook.jpg

Hatte die Ehre hinter Walter Murch zu sitzen und der Jury bei der Arbeit zuzusehen. Er nimmt diese Arbeit als echter Nerd ernst wie immer. Murch hatte seinen Mac während des Films auf dem Schoß und wie er es auch bei den Filmen macht, die er schneidet, arbeitete er den Film hindurch mit der, was sonst, Murch-Methode.
Auf einer Ebene eines Dokuments notiert er die direkten Gedanken und Emotionen, die ihm bei den Bildern aufblitzen und in einer Spalte daneben, die Kommentare und analytischen Gedanken zu den Szenen und der gesamten Dramaturgie des Films. Was er dort schrieb, konnte ich leider nicht erkennen, war aber erstaunt, dass er es auch als Jury Mitglied exakt so macht, wie seit Jahrzehnten für Coppola und andere und es auch in seinen Büchern beschreibt. Hat sich ja bewährt.

"Julia" von Erick Zonca

julia.jpg

Einmal abwärts bitte!

Grandios die ersten 20 Minuten! Tilda Swinton spielt eine extreme, harte, egozentrische laute, exzessiv trinkende, rauchende, sehr körperliche Frau. Sie zeigt sich und damit diese Figur Julia so hemmungslos und kaputt, dass man beginnt sich „fremdzuschämen“ für Julia, sie aber auch bewundert für ihre Sprüche und ihren Eigensinn ihre Art sich zu nehmen was sie will. Julia ist irgendwie Mittelklasse Großstadt, aber ein wenig vulgär mit Stil. Ihr Problem: Sie trinkt. Sie trinkt richtig. Die Szenen haben mich umgehauen: wenn sie auf irgendeinem Sofa, in irgendeinem Auto, mit irgendeinem Typen morgens erwacht. Den Mund trocken und

Mehr: " "Julia" von Erick Zonca " »

"There Will Be Blood" von Paul Thomas Anderson

Blood.jpg

Ein Mann wie brennendes Öl

Der Filmtitel sei als eine Art Versprechen an die Zuschauer gedacht gewesen, sagt Daniel Day-Lewis auf der Pressekonferenz über „There Will Be Blood“ – und in der Tat, unsere Erwartungen werden voll und ganz erfüllt, denn Blut fließt reichlich in Paul Thomas Andersons Wettbewerbsbeitrag über die rauen Anfänge der Ölförderung im amerikanischen Westen.

Mehr: " "There Will Be Blood" von Paul Thomas Anderson " »

"Shine a Light" von Martin Scorsese

Shine_a_light1.jpg

Was hat Falten und macht Krach? Keith Richards.

Garagenrocker unter Dampf: Ein Hörfilm

Woran erkennt man einen ernsthaften Filmkritiker, der aus der Vorführung von „Shine a Light“ kommt? - Am zerknautschten Gesicht. 122 Minuten Naserümpfen hinterlassen eben Spuren. Sie haben sich ja so gelangweilt, die schreibenden Trüffelschweine, die verzweifelt nach dem kulturell anspruchsvollen Filmabenteuer suchen. Ein „konventioneller Konzertfilm“ über das den internationalen Konzern „Rolling Stones“ zur Eröffnung der Berlinale? Geschmacklos! - Hätten sie doch bloß einmal hinGEHÖRT.

Mehr: " "Shine a Light" von Martin Scorsese " »

Impressum