Avaze Gonjeshk-ha (The Song Of Sparrows) von Majid Majidi

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Von Straußen und Menschen

Strauße sind komische Tiere. Dicke Beine zum Rennen und ein kleines Hirn für diesen mächtigen Leib. Dafür geben sie schöne Federn und dicke Eier her. "Der Mensch ist ein komisches Tier, das sich rasiert" hat mal jemand gesagt. Dem kann man zustimmen. Er rennt dem Geld hinterher, sammelt es, hortet es. Und besteht irgendwie Aussicht auf mehr, dann kann der Sammeltrieb zur Obsession werden. Sein Hirn ist größer als das des Straußen, aber das scheint nicht immer zu helfen. Und große Eier legen kann er eben auch nicht.
In Majidis Film steht ein von einer Farm geflohener Strauß als Symbol für das große Geld, das man irgendwann finden wird, wenn man nur mit allen zur Verfügung stehenden Kräften danach sucht.

Karim verliert seine Arbeit auf der Straußenfarm, weil besagter Vogel abgehauen ist. Das Hörgerät seiner Tochter geht kaputt. Er braucht Geld. Viel Geld. Erst versucht er den Strauß zu fangen, um seine Arbeit zurückzubekommen (oder ihn selbst zu Geld zu machen, wer weiß), dann fährt er vom Land, wo die Familie wohnt nach Teheran und wird ohne es zu wollen zum Moped-Taxifahrer in Teheran.

Nun muss man wissen, dass in dem völlig geistesgestörten Verkehr der Millionenstadt diese Motorräder, Marke Arshia wie Schwärme von Fischen zu hunderten, zu tausenden durch alle Ritzen flitzen, die ihnen die verstopften Straßen lassen. Man kann alles transportieren auf diesen 125cc Kisten: Ich habe bis zu fünf Leute plus Hund, aber auch 12 übereinander gestapelte Hühnerkäfige, Autoreifen oder ganze Kartontürme vorbeirauschen sehen im Iran.

Karim dagegen fährt vor allem Leute im Anzug, die wild in ihr Handy brüllen während der Fahrt, die Upperclass von Teheran, und bringt abends allerlei Schrott und Trödel aus Hauptstadt zurück ins Dorf, räumt es in seinen Hof. Zunächst nimmt er, was die Leute ihm geben, aber er wird professioneller, härter.

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Auf einem Trip bleibt er zurück und versucht, nach einer kurzen moralischen Krise einen Kühlschrank, den er liefern sollte eigenmächtig zu verkaufen - alles immer für das Ziel, seiner Tochter das Hörgerät zu kaufen. Aber wie die Lichtpunkte vor den Augen, wenn man sie schließt, verschwindet dieses Ziel sobald man es anschaut. Er wird es nicht schaffen, aber macht weiter. Immer weiter.

Sein kleiner Sohn hat mit Freunden einen ähnlichen Traum, will Goldfische in einem alten Wasserspeicher züchten, auch er braucht Geld und arbeitet, um das zu erreichen. In die Schule sieht man ihn nicht gehen. Der Vater kämpft gegen diesen Traum, vielleicht auch, weil er sein eigenes irrationales Tun in ihm wiedererkennt. Die Familie kämpft nicht ums Überleben, aber jetzt braucht er mehr, will nicht nur die größte Fernsehantenne im Dorf haben, sondern will auch von seinen gesammelten Schrott nichts mehr hergeben. Alles zum Wohl der Familie. Das Gegenteil von gut ist aber oft gut gemeint.

In humorvollen, manchmal bitteren Bildern sehen wir Vater und Sohn ihrem „Vogel Strauß“ nachjagen, und immer wenn man denkt, jetzt haben sie es geschafft, verrinnt ihnen der Erfolg zwischen den Fingern. Erst als der ganze Mist, die angehäuften Dinge, die er zu Geld machen will, sprichwörtlich über ihm zusammenbrechen und er für Wochen ans Bett gefesselt ist, kann er wieder klar sehen. Der Schrott wird verschenkt, die Familie tut ihren Teil und am Ende kehrt sogar der Strauß zurück. Wer gibt dem wird gegeben, scheint der Film sagen zu wollen.

Ein in seiner Bildsprache halb poetischer, halb geradeaus erzählter Film aus Iran, eine Geschichte über den Traum vom großen Geld, für den der gute Karim allmählich droht zum Scheusal zu werden. Keine irgendwie politische Metapher, keine versteckte Kritik am Regime der Mullahs, keine kaschierte Religionkritik - einfach ein schöner Film über Leute, die ums Übeleben kämpfen und dabei drohen, aus den Augen zu verlieren, worum es wirklich geht. Denn auch das ist der Iran - normales Leben, man soll's nicht glauben...

Kommentare ( 1 )

danke Christin, bin Iraner. schoen gesagt: denn auch das ist der Iran - normales
leben, man soll's nicht glauben...

sehr schoen

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Titel

Orignaltitel

Avaze Gonjeshk-ha

Englischer Titel

The Song Of Sparrows

Credits

Regisseur

Majid Majidi

Schauspieler

Hossein Aghazi

Maryam Akbari

Kamran Dehghan

Reza Najie

Land

Flagge Islamische Republik IranIslamische Republik Iran

Jahr

2008

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