"Restless" von Amos Kollek

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Ein jeder löffle seine Suppe allein

Gleich am Anfang bekommt Moshe richtig eins in die Fresse. Ganz nah dran ist die Kamera, als der ältere Mann von zwei arabisch sprechenden Jungs brutal zusammengeschlagen wird. Es geht irgendwie um ein Geschäft, das schief gelaufen ist, soviel bekommt man mit. Moshe wehrt sich nicht; er schleppt sich nur irgendwann in seine düstere Kellerwohnung im Village in New York und wischt sich das Blut aus dem Gesicht. Müde sieht er aus, dieser Moshe, und ein bisschen wie ein verwahrlosten Poet. Wo Amos Kollek bislang den Fokus auf zerbrechliche und meist sehr einsame Frauengestalten gelenkt hat, nimmt er sich in seinem neuen Film „Restless“ eine zerrüttete Vater-Sohn-Beziehung vor. Und voilà: Auch das kann er sehr eingängig erzählen.

Moshe ist eine einsame Seele. Er schlägt sich mit irgendwelchen zwielichtigen Geschäften durchs Leben, hat seinen kleinen Sohn und seine Ex-Frau in Israel nicht mehr gesehen, seit der Junge ein Baby war, ist mit der Miete drei Monate im Rückstand. Das Einzige, worauf er so richtig stolz ist, ist die scharfe marokkanische Suppe, die er mit einiger Leidenschaft regelmäßig kocht. Da erreicht ihn die Nachricht vom Tod seiner Exfrau, und nach und nach treffen auch Anrufe seines Sohnes Tzach bei ihm ein – bei denen dieser sich aber nie zu erkennen gibt. Auch Moshe versucht seinerseits, Tzach zu erreichen, aber für gewöhnlich endet das in hilflosem Schweigen auf beiden Seiten des Telefondrahts.

Während Moshe beginnt, seine zerfaserte Existenz in überraschend anrührende Gedichte zu packen, die er auf Servietten notiert und auf der Bühne seiner Stamm-Jazzkneipe vorträgt, steigert sich Tzach immer mehr in seinen Hass auf den Vater hinein. Als es zu einem Unfall kommt, bei dem ein kleiner libanesischer Junge durch Tzachs Schuld lebensgefährlich verletzt wird, sind dadurch seine Zukunftschancen bei der Armee zunichte gemacht. Tzach packt die Koffer und kommt nach New York.

Doch bevor Vater und Sohn aufeinander treffen nimmt sich Kollek viel Zeit, um ein Panoptikum der einsamen Seelen zu erstellen, mit denen Moshe in Berührung kommt. Da gibt es die elegante alte Dame, die es genießt, noch einmal einen (relativ) jungen Mann im Bett zu haben, Moshe aber dann ganz unromantisch um Sterbehilfe bittet. Da ist die um keine Antwort verlegene Bardame Yolanda, die sich mit minimalem Selbstwertgefühl durchs Leben beißt, aber unerwartet weich wird, wenn es um ihren kleinen Sohn geht, und schließlich auch ein Plätzchen in ihrem Herzen für Moshe entdeckt. Schließlich ist da die Gruppe von Exil-Israelis, die sich jeden Abend in der Jazzkneipe treffen: Auf Moshes ätzende Bemerkungen über den aktuellen Irrsinn im Nahen Osten reagieren einige ehemalige Militärs mit wenig Humor – aber Moshe scheut sich nicht, sie mit seiner Sicht auf die Dinge zu konfrontieren, bis tatsächlich so etwa wie eine Annäherung möglich ist.

Als Tzach dann schließlich in der Kneipe auftaucht und sich bockig vor seinem Vater aufbaut, wird klar, dass in diesem Fall die Annäherung ein schwieriger Balanceakt wird. Erstaunlich wenig Zeit nimmt sich Kollek schließlich für das holprige und aggressionsbeladene Aufeinandertreffen seiner beiden Hauptfiguren. Erstaunlich schnell wird der Weg zur Versöhnung eingeschlagen. Doch Kollek wäre nicht Kollek, wenn er nicht den einen oder anderen Widerhaken stehen lassen würde. Als der Sohn schließlich die Suppe des Vaters probieren darf – man beachte die symbolische Ebene: wo Suppe ist, da ist auch ein Heim – da sagt er ganz trocken: „Schmeckt scheußlich.“

Kommentare ( 2 )

Moshes Neo-Beat Schimpfgedichte, Fluchorgien in Hebräisch und Englisch, die Publikumsbeschimpfung anrührend zu nennen, muss man schon sehr tief hineinhören :-). Er verdichtet die jüdische Existenz, die des Exil-Israelis in New York, all die Niederlagen, Selbstlügen und den Selbsthass fasst er in Worte.
Die Auflösung des Films, Knarre vor die Brust, dann Umarmung, Suppe essen, fand ich zu hastig. Und auch wenn der Sohn ein sehr hübscher, zorniger, junger Mann ist, diese Sehnsucht und en Hass auf den Vater hab ich ihm nicht abgenommen. Ist gewiss kein schlechter Film, aber er hat mich nicht gepackt, trotz des freudianischen Vater-Sohn Konflikts.

Naja, chérie, ich fand es einfach anrührend, wie er da die Hosen runter gelassen hat, und zwischen Beleidigungen und Rumpoltern eben doch auch eine empfindliche und verletztliche Seite gezeigt hat. Shoot me;-)

Ja, aber das Ende kam tatsächlich etwas holterdipolter. Kann ick dir nur beipflichten.

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Titel

Orignaltitel

Restless

Credits

Regisseur

Amos Kollek

Schauspieler

Ran Danker

Moshe Ivgy

Phyllis Sommerville

Karen Young

Land

Flagge BelgienBelgien

Flagge DeutschlandDeutschland

Flagge FrankreichFrankreich

Flagge IsraelIsrael

Flagge KanadaKanada

Jahr

2007

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