"There Will Be Blood" von Paul Thomas Anderson

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Ein Mann wie brennendes Öl

Der Filmtitel sei als eine Art Versprechen an die Zuschauer gedacht gewesen, sagt Daniel Day-Lewis auf der Pressekonferenz über „There Will Be Blood“ – und in der Tat, unsere Erwartungen werden voll und ganz erfüllt, denn Blut fließt reichlich in Paul Thomas Andersons Wettbewerbsbeitrag über die rauen Anfänge der Ölförderung im amerikanischen Westen.

Im Fokus steht ein gewisser Daniel Plainview, der sich um die Jahrhundertwende hartnäckig und rücksichtslos vom einfachen Schürfer zum Ölmagnaten emporarbeitet. Wie ein seltsames Insekt beißt er sich in der ersten Szene in der steilen Schachtwand fest, immer wieder wuchtet er die Spitzhacke mit aller Kraft in das Gestein, und selbst ein gebrochenes Bein hält ihn nicht davon ab, der sperrigen Erde ihre Schätze zu entreißen. Hier wird klar: Diesem Mann sollte man sich besser nicht in den Weg stellen. Daniel Day-Lewis hat sich in die Rolle dieser quasi-mythischen Figur mit einer Intensität eingebissen, dass man manchmal das Gefühl hat, die Leinwand fängt Feuer.
Gewalt liegt in der Luft, und die Gier, immer mehr zu besitzen. Während sich Plainview diese archaischen Motivationen ohne Skrupel zu eigen macht, suchen andere ein spirituelles Gegenwicht im fundamentalistischen Glauben. Ein junger Farmersohn, eindrucksvoll gespielt von dem jungen Paul Dano, wird kurzzeitig zum Gegenspieler Plainviews – doch wie kann man den Teufel ködern, wenn der seine Seele bereitwillig und mit einem höhnischen Lächeln verkauft? Eine absurde Taufszene besiegelt, was wir geahnt haben: Für Daniel Plainview ist Gott keine ernst zu nehmende Größe.
Einzig das Verhältnis zu seinem Ziehsohn H.W. offenbart eine andere Seite an dem scheinbar so gefühllosen Mann: Obwohl er den Kleinen als niedlichen Köder bei seinen geschäftlichen Transaktionen einsetzt, hängt er doch an dem Jungen. Als H.W. bei einer Explosion schwer verwundet wird und sein Gehör verliert, gerät Plainviews Leben deutlich aus den Fugen. Ein vermeintlicher Bruder taucht aus dem Nichts auf und wird für eine Weile zum Familienersatz. Doch Plainview bleibt misstrauisch, und als die falsche Identität des unbeholfenen Mannes auffliegt, ist seine Rache furchtbar. Zuletzt sagt sich auch noch sein Ziehsohn von Plainview los, und so bleibt er letztlich als das zurück, was er eigentlich von Anfang an war: Ein einsamer Mann.

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Die Gewalt im Film dringt immer wieder ohne Vorwarnung an die Oberfläche – mal bricht sich eine Ölader mit Wucht durch die Erde, mal fliegt ein Bohrturm durch eine Gasexplosion in die Luft. Diese Eruptionen der Natur spiegeln die Brutalität wider, die unter der Oberfläche des smarten Geschäftsmanns schlummert. Und am Schluss, wenn wir wider Willen darüber belehrt werden, was man mit einer Bowlingkugel und massiven Holzkegeln so alles anstellen kann, ist die Gewalt wieder dorthin zurückgekehrt, wo sie ihren Ursprung genommen hat: in Daniel Plainview. Schon einmal hat Daniel Day-Lewis einen Charakter verkörpert, der die mythischen Ursprünge des gewalttätigen Amerika symbolisierte: Als Bill the Butcher in Martin Scorseses Gangs of New York. In There Will be Blood ist er menschlicher, aber nicht weniger gewaltig.

Kommentare ( 2 )

So viel Blut fand ich gar nicht. Meist war es von Öl und Schlamm überdeckt. Und echte Morde gibts nicht viele. Eher ein mörderisches System - die Gier, das Mehr, das Öl.
Grandios muss man zum einen den Klang und die Filmmusik bezeichnen: Wenn die Ölquellen explodieren und aus der Erde krachen, dann zuckten gleichzeitig alle im Kino zusammen ob der schieren Kraft, die Anderson in Bild und Ton bannte.

Und dann die fast moderne Klassik anmutende Filmusik von Johnny Greenwood, seines Zeichens Gitarrist von Radiohead: mit Geigen Crescendos und seltsamen, beängstigenden Klangschöpfungen tut er das, was Musik im Film soll: eigenständig Kraft entfalten, die ohnehin schon mächtigen Bilder verstärken, ohne saucenhaft Emotionen zu erzeugen, die die Geschichte nicht liefert. Das ist grandios gelungen.

Die Schlußszene als eine Art Anti-Dude Bowling Szene, in der die beiden Welten Religion und Kapital, aufeinandertreffen: diese Szene hat angeblich für viel Verwirrung und Diskussionen in den USA gesorgt, ähnlich wie die Schlußszene im Film der Coen Brüder, auch einem Gewaltepos.

Wenn man Daniel (Day-Lewis) am Ende in seinem kleinen Schloss allein hocken sieht, wie er auf Sachen im Wohnzimmer ballert oder eben auf der Bowlingbahn im Keller säuft und schläft, kann man nicht anders, als an Citizen Kane in Xanadu oder an Aviator und Howard Hughes jahrelangen Rückzug in das Penthouse eines Hotels zu denken. Archetypen amerikanischer Unternehmergeistes, irgendwann von der Einsamkeit und dem Wahnsinn überwältigt, von der Gier auf mehr zerfressen - ob durch Zeitungen, Flugzeuge und Filme oder Öl.

There will be blood, der am Anfang There might be Blood heißen sollte: Ein fantastischer Film, der jede einzelne Oskarnominierung verdient. Und zu gewinnen sowieso.

Ja, großartig, dass du nochmal auf die Filmmusik eingegangen bist - die war tatsächlich umwerfend. Vor allem am Anfang diese kreischenden Geigen, mit Blick auf die harte Berglandschaft, das sind Töne, die nichts Gutes verheißen.
Aber wie ich finde gab es schon eine Menge Blut - hat sich oft mit Öl vermischt, das ist richtig, aber zum Schluss dann eben doch noch die volle Dröhnung...

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Titel

Orignaltitel

There Will Be Blood

Credits

Regisseur

Paul Thomas Anderson

Schauspieler

Paul Dano

Daniel Day-Lewis

Dillon Freasier

Ciarán Hinds

Kevin J.O´Connor

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2007

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