„Kabei“ (Our Mother) von Yoji Yamada

4227_0002_Popup1.jpg

Der Krieg in der Seitenstraße

Nach seiner wunderbaren Samurai Trilogie widmet sich Yamada nun der jüngeren japanischen Vergangenheit, der Zeit des Krieges von 1940-1945 und der faschistischen Herrschaft. Wie schon zuvor wählt er dazu als Erzählerin ein Kind und als Haupthandlungsort das Haus einer Familie. Das ist es, was ihn interessiert: Das Geschehen der Gesellschaft ja in der Welt und die Auswirkungen der Ereignisse auf den Mikrokosmos einer einfachen Familie. Ihm ist wieder ein überragender Film gelungen, der durch seine ruhigen, fast kammerspielartigen Bilder, die brillanten Figuren und Schauspieler getragen wird. Sayuri Yoshinaga spielt die Heldin des Films, die Mutter, die in Zeiten von Gefahr, Mühen, Schmerz und Sorge immer das Richtige tut ohne dabei zu einer unantastbaren Ikone zu werden, sondern im Gegenteil soviel Menschlichkeit ausstrahlt, dass bei ihrem Tod am Ende des Films, viele Kinobesucher Tränen vergossen.

Der Film ist die Adaption eines kleinen Romans „Requiem für einen Vater“ der ehemaligen Kurosawa Produzentin Teruyo Nogami, einer rüstigen 80 Jährigen, die in dem Buch ihre eigene Kindheit während des Krieges verarbeitete. Wie der Vater im Film, wurde ihr Vater, Germanistikprofessor und Liberaler, auf Grund eines Gesetzes mit dem euphemistischen Namen „Friedensbewahrungsgesetz“ 1940 wegen „Gedankenverbrechen“ verhaftet und eingesperrt.
Die Familie, also seine Frau und die beiden jungen Töchter müssen nun allein zurecht kommen. Eine Tante hilft, auch Nachbarn, Kabei, die Mutter arbeitet als Lehrerin, ein ehemaliger Student des Vaters wird zu einer Mischung aus großem Bruder und Vaterersatz. Der Vater verfällt zusehends, die Kinder werden ihn nicht wiedersehen, er stirbt in Haft.
Zugleich erobert Japan ähnlich wie Deutschland ein Land nach dem anderen, der Nationalismus und die Zwangssolidarität mit Kaiser und Vaterland erfasst alle. Mit dem Mann als Verräter im Gefängnis wird die Familie geschnitten, aber es finden sich auch immer wieder hilfsbereite und ehrliche Leute. In wunderschönen Bildern erzählt der Film unpathetisch vom Überleben in diesen Zeiten, ohne direkt die Gewalt, den Krieg, die Bombenangriffe und am Ende auch die Atombombe direkt zu zeigen.
Die Mutter im Zentrum hält alles aufrecht, ihre Töchtern immer eine Stütze und Hilfe, gütig und standfest. Ihre Aufopferung, ihre Mühe, ihre Traurigkeit ahnt man meist nur, denn sie zeigt sie selten, ohne dass sie dabei kühl oder distanziert wirkt. Ein wirklich tolle Leistung einer der bekanntesten japanischen Schauspielerinnen Sayuri Yoshinga.

kabei2.jpg

Nur indirekt, durch den Verlust liebgewonnener Verwandter und Freunde, durch die Not und Mühen wird der Krieg vorgeführt. Kabei und ihre Töchter verlieren im Verlauf der wenigen Jahre alle, die ihnen nahe stehen.

Ganz am Ende mach Yamada eine Ausnahme, die er auch später im Gespräch erläuterte: er zeigt den Krieg und wie der Freund der Familie bei seinem Einsatz mit einem Schiff untergeht. Das ist die einzige Szene, in der wir den Krieg in Form von Kampf und Gewalt zu sehen bekommen. Der Grund sie zu zeigen, so erläutert Yamada, sei gewesen, dass er als Kind selbst auf so einem Schiff von China nach Japan gekommen ist und Angst hatte, sie würden torpediert werden. Er meint, nur diese eine Szene des Todes glaubwürdig darstellen zu können, nicht aber das Schießen, die Bombardierungen oder auch die Folterungen in Gefängnissen. Ganz zu schweigen von der Atombombe und dem Strahlentod.

kabei3.jpg

Während Letters from Iwo Jima auf einer isolierten Insel nur den Kampf, die Schlacht, das Blutvergießen, den Schrecken mit nur wenigen Einblicken in das Leben der Figuren vor und abseits der Insel zeigte, wählt Yamamada in seinem Film eine isolierte Familie und ihr kleines Haus, um zu zeigen, was der Krieg mit den Menschen macht und ihnen abverlangt.
Ganz am Ende gibt es dann noch einen Sprung in die Jetztzeit, wenn die Mutter in hohem Alter stirbt. Die Kriegszeit ist nicht Historie, sondern lebendig, ragt bis in die Gegenwart. Eine Tatsache, die sowohl für Japan wie auch für Deutschland, eigentlich für alle Länder gilt, die in den Krieg geführt haben oder in ihn hineingezogen wurden.

Auf unaufdringliche Weise ist „Kabei“ ein Manifest gegen den Krieg und eine Ode an die Mutter - aber ganz und gar nicht im Eva-Herrmannschen Sinn, sondern die Mutter als ein Mensch der alles tut, was in ihrer Macht steht, um ihre Kinder zu behüten, alles tut, damit die Kinder ein gutes Leben haben. Aber ohne dabei irgendeinem Frauenbild oder Rollenverständnis zu folgen. Ein Vater hätte es genauso gemacht. Einfach weil man seine Kinder liebt und nichts dafür erwartet. Ein sehr sehr schöner Film.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Titel

Orignaltitel

KABEI

Englischer Titel

KABEI - Our Mother

Credits

Regisseur

Yoji Yamada

Schauspieler

Tadanobu Asano

Mitsugoro Bando

Rei Dan

Sayuri Yoshinaga

Land

Flagge JapanJapan

Jahr

2007

Related

Yoji Yamada (Regisseur)

BERLINALE 2007

Bushi no Ichibun (Regisseur)

BERLINALE 2014

Chiisai Ouchi (Regisseur)

BERLINALE 2013

Tokyo Kazoku (Regisseur)

BERLINALE 2010

Otouto (Regisseur)

BERLINALE 2010

Kyoto Uzumasa monogatari (Regisseur)

Tadanobu Asano (Schauspieler)

SAN SEBASTIAN FILMFESTIVAL 2006

Hana yori mo naho (Schauspieler)

Mitsugoro Bando (Schauspieler)

BERLINALE 2007

Bushi no Ichibun (Schauspieler)

Rei Dan (Schauspieler)

BERLINALE 2007

Bushi no Ichibun (Schauspieler)

Sayuri Yoshinaga (Schauspieler)

BERLINALE 2010

Otouto (Schauspieler)

Impressum