Retro & More

Knapp verpasst: The Tree of Life von Terrence Malick

Zu The Thin Red Line gab der Kurator der der Geburtstags-Retrospektive David Thomson nicht nur eine brillante Einführung (man kann dem Mann stundenlang zuhören wenn, er über Film spricht. Mein Gott, er war mit Terrence Malick essen!) sondern verkündete auch Niederschmetterndes: Offensichtlich wäre Malicks neuer Film The Tree of Life mit Sean Penn und Brad Pitt auf der Berlinale gelaufen, wenn sich die Postproduktion nicht verzögert hätte. Wenn man bedenkt, dass Malick seit in den letzten 41 Jahren nur fünf Filme gemacht hat und The Tree of Life eben Nummer 6 ist, ist das wirklich unfassbares Pech. This really pisses me off! Und wir regen uns über das Wetter auf.

The Thin Red Line von Terrence Malick

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Wie kam das Böse in die Welt?

Dieser Film ist ein Alptraum. Krieg in seiner monströsesten Form: Körper werden zerfetzt, Menschen zerbrechen, werden wahnsinnig. Die Erde bebt, Angst, Panik, Sinnlosigkeit und der Zuschauer ist mitten drin. Dieser Film ist ein Traum. Menschen in den Grenzbereichen der Existenz stellen alles in Frage, sind verzweifelt, feige, mutig, widersetzen sich oder tun, was getan werden muss und versuchen irgendwie ihre Menschlichkeit bewahren.

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Welt am Draht von Rainer Werner Fassbinder

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Mach Platz, Neo!

Vergesst Neo, Morpheus und Trinity, hier kommt Dr. Fred Stiller (Klaus Löwitsch). Man kann es heute kaum glauben, dass Fassbinders 185-Minuten-Brocken Welt am Draht 1973 vom WDR produziert wurde und als Zweiteiler im Fernsehen lief. Es geht um den Tod des Leiters des Instituts für Kybernetik und Zukunftsforschung, um eine Welt, die nur als Computerprogramm existiert, den Wechsel zwischen Realitätsebenen und darum, wer die Kontrolle über die Menschen hat: der Staat oder die Wirtschaft? 1973 gab es keine PCs und auch keine Software wie wir sie kennen. Wie mag der Film auf die Zuschauer damals gewirkt haben? Keine Ahnung. In der restaurierten Fassung, die ihre Aufführung im International hatte, wirkte der Film visionär. Vor allem wegen der Bilder, die Fassbinder für seinen Science-Fiction-Film ohne Special Effects gefunden hat.

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Berlin Ecke Schönhauser von Gerhard Klein

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An einem unerwartet warmen Februarmorgen mit Tauwasser und vorsichtigen Sonnenstrahlen durch Berlin zum Kino zu laufen, erfüllt mit allerersten Frühlingsahnungen und Aufbruchstimmung. Vielleicht ist das ein Grund, aus dem mich dann Berlin Ecke Schönhauser so berührt; die Hoffnungen und Sehnsüchte, die die Hauptfiguren dieses Filmes treibt, ihr Trotz und Schwung und die Zuversicht, mit der der Held am Ende auf die Zukunft blickt. Berlin Ecke Schönhauser ist ein Film über das Beginnen und die Hoffnung, aus einer Zeit, in der Regisseur, Drehbuchautor und sicherlich auch der Großteil der Schauspieler sich trotz aller Probleme viel versprachen von der noch jungen DDR. Drehbuchtautor Wolfgang Kohlhaase sagt dazu, er habe die DDR damals für einen sauren, den Westen aber für einen faulen Apfel gehalten.

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Cosa voglio piu - (Was will ich mehr) von Silvio Soldini

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Vier mal vier Stunden wegtauchen

Eigentlich eine ganz konventionelle Affäre begleiten wir von Anfang bis zum Ende in diesem Film des „Brot und Tulpen“ und „Agatha und der Sturm“ Regisseurs Silvio Soldini.
Mailand: Anna lebt mit ihrem gutmütigen, übergewichtigen Freund Alessio zusammen. Sie arbeitet in einem Büro in der Stadt, aber die beiden haben sich irgendwo weit außerhalb eine Wohnung gekauft. Als Annas Schwester ein Kind bekommt, fragt Alessio, ob sie nicht auch mal wollen, irgendwann. Ok, setzten wir halt die Pille ab. Sagt sie, macht‘s aber nicht. Und er macht auch nichts, außer abends im Bett Bücher zu lesen und einen ungemeinen Nestbautrieb zu entwickeln: er baut die Wohnung um, kauft Möbel und bastelt. Er kann gut Sachen reparieren, aber seine Freundin kriegt er offenbar nicht hin. Und wie als müsse sich Anna selbst testen, verabredet sie sich schon bald mit der Zufallsbekanntschaft Domenico, Gegenmodell ihres Freundes, ein „He-Man“, viril, muskulös, kantiges Kinn - und recht schlicht. Die Erfindung von SMS und Handy haben inzwischen Nebenbeziehungen um einiges leichter gemacht und nur die aufmerksamen Partner bemerken das "gesimse" oder die geflüsterten Gespräche zwischen Supermarktregalen. Allessio bemerkt sie nicht.

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Il Giardino dei Finzi-Conti (Der Garten der Finzi-Contini) von Vittorio de Sica

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Holocaust a la Hamilton

Der gigantische Garten, eher Park, der Finzi-Contini ist ein Garten Eden mit Tennisplatz. Dort treffen sich in den 30er Jahren die vom faschistischen Staat immer mehr ausgeschlossenen jungen Juden der Stadt Ferrara. Giorgio stammt aus einem bürgerlichen Haushalt und liebt Micòl, die Tochter derer von Finzi-Contini, einer sehr wohlhabende Familie Italiens. Seit Kindertagen kennen die beiden sich und Giorgios Hoffnung auch in diesen Zeiten der Diskriminierung und Ausgrenzung, seine Literaturstudien fortzusetzen und seine Liebe zu Micòl leben zu können scheitert am Ende. Allerdings weniger an den italienischen Rasse-Gesetzen, die denen in Deutschland gleichen, sondern einfach an den Gefühlen seiner Angebeteten, die ihn zurückweist, weil sie für ihn eher wie für einen Bruder fühlt.

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Ai no corrida - Im Reich der Sinne von Nagisa Oshima

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Verschmelzungsprozess scheiternd

In Japan gibt es bekanntlich einen von christlicher Körperfeindlichkeit weniger lädierten Umgang mit Sexualität: ganz offen lesen Büromenschen Porno-Mangas in der U-Bahn, es gibt so genannte Love-Hotels für‘s Wochenende, in Bars ist der Übergang von Burlesquetanz und Prostitution fließend, japanische Fesseltechniken sind berühmt und das Versenden von gebrauchten Frauenschlüpfern soll ein einträgliches Geschäft sein. Was aber nicht bedeutet, dass Japan eine promiskuitive oder freizügige Gesellschaft wäre - im Gegenteil: lediglich der Umgang damit ist weniger, nun ja, verkrampft.

Einen Überblick über dieses Genre kann man beim DVD Label Rapid Eye bekommen, das in den vergangen Jahren allerlei gesellschaftspolitische Softporno-Kunstfilme aus Japan herausbrachte. Die Retrospektive zeigt nun gewissermaßen die Mutter all dieser (mehr oder minder guten) Streifen: den „Skandalfilm“ Im Reich der Sinne von von 1976.

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