Berlin Ecke Schönhauser von Gerhard Klein

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An einem unerwartet warmen Februarmorgen mit Tauwasser und vorsichtigen Sonnenstrahlen durch Berlin zum Kino zu laufen, erfüllt mit allerersten Frühlingsahnungen und Aufbruchstimmung. Vielleicht ist das ein Grund, aus dem mich dann Berlin Ecke Schönhauser so berührt; die Hoffnungen und Sehnsüchte, die die Hauptfiguren dieses Filmes treibt, ihr Trotz und Schwung und die Zuversicht, mit der der Held am Ende auf die Zukunft blickt. Berlin Ecke Schönhauser ist ein Film über das Beginnen und die Hoffnung, aus einer Zeit, in der Regisseur, Drehbuchautor und sicherlich auch der Großteil der Schauspieler sich trotz aller Probleme viel versprachen von der noch jungen DDR. Drehbuchtautor Wolfgang Kohlhaase sagt dazu, er habe die DDR damals für einen sauren, den Westen aber für einen faulen Apfel gehalten.

Die Geschichte: Dieter (Ekkehard Schall), Kohle (Ernst-Georg Schwill) und Karl-Heinz (Harry Engel) vertreiben sich ihre freie Zeit zusammen mit Angela (Ilse Pagé) und anderen Jugendlichen an der S-Bahn Schönhauser Allee. Sie testen sich mit Mutproben, Dieter ist in Angela verliebt, man übt Rock’n Roll und ist frech zur VoPo. Karl-Heinz will mehr und in den Westen, er versucht sich als Kleinkrimineller, und Kohle und Dieter geraten mit ihm in Konflikt und fliehen in den Westsektor, nachdem sie Karl-Heinz vermeintlich getötet haben. Dieter entscheidet sich zuletzt, zurück zu kehren, und wagt einen Neuanfang. Die Eltern dieser Jugendlichen sind entweder im Krieg gestorben oder versagen in der Erziehung ihrer Kinder. Denen geht es darum, ihren eigenen Weg zu finden, gegen die Lockrufe der FDJ, bei den Versuchungen eines leichteren Lebens im Westen, voll Aufbegehren gegen Authorität, Konventionen und eng gezogene Grenzen - ein Thema, das Ende der 50er Jahre Filme nicht nur in der DDR prägt. Manches mutet heute seltsam an, so die Figur des gütigen VoPo (Raimund Schelcher), der eine Art Vaterersatz darstellt, oder die klare Entscheidung für den Osten als „besserer“ Sektor. In seinem Zeitkontext gesehen hat dies aber auch etwas Berührendes, und dieses Gefühl wird gestärkt durch die Unmittelbarkeit der Dialoge, die großartigen Schauspieler, das Selbstbewusstsein, mit dem die Geschichte erzählt wird. Als nach der Vorführung Wolfgang Kohlhaase gefragt wird, ob es denn nicht viel Kritik der Behörden gegeben habe und wie er damit umgegangen sei, erzählt er von einer Veranstaltung, auf der ein DDR-Politiker gerügt habe, es habe während des ganzen Filmes nur 3 mal die Sonne geschienen. Er habe darauf diesem Politiker erwidert, um das festzustellen, müsse man immerhin bis 3 zählen können....

Hoffentlich schreibt Wolfgang Kohlhaase noch viele wunderbare Drehbücher.

Kommentare ( 3 )

Ein schöner Film, der in der Sektion Generation 14+ lief. Das Babylon war voll mit Schulklassen, die den Film offensichtlich richtig gut fanden. Kohlhaase war großartig. Bester Tip für Drehbuchschreiber: Wenn Du beim Erzählen mit 3 Sätzen am selben Punkt sein kannst, wie mit 5, nimm 3. Erstaunlich wie wenig antiquiert die Sprache war.

ja, schöner film, schöne kritik!

äh- ich wünsche herrn kohlhaase ja auch noch etliche filme, aber wie alt ist er denn, der film ist doch aus den fünfzigern?

Kleiner Infoservice: Meister Kohlhaase wird am 13. März 79 Jahre alt.

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