In TRANSIT erzählt Christian Petzold eine einfache Geschichte: Georg (Franz Rogowski) flieht vor den deutschen Besatzern gemeinsam mit seinem schwerverletzten Freund Heinz von Paris nach Marseille. Heinz überlebt die Flucht nicht. In seiner Tasche hat Georg die Dokumente und ein Manuskript des Autors Weidel, der sich in Paris das Leben genommen hat. In Marseille trifft er den kleinen Sohn von Heinz und seine Mutter. Und er trifft Marie (Paula Beer). Georg steht vor einer Frage: Wie kann er aus Marseille entkommen, bevor die deutschen Truppen die Hafenstadt erreichen und wen kann er retten? Diese Handlung, die so einfach klingt, ist nicht nur Ausgangspunkt eines Liebesdramas. Petzolds Film, der auf dem Roman Transit beruht, den Anna Seghers 1942 in Marseille schrieb, handelt auch von dem Unterschied zwischen Erinnertem, Erzähltem und Erlebten.
Christian Petzold macht in Transit einen Kunstgriff, der uns als Zuschauer einen Augenblick verwirrt, sich aber nach kurzer Zeit als außerordentlich gelungen erweist: Er inszeniert die Handlung, eigentlich eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg, in der heutigen Zeit. Darüber hinaus führt er drei verschiedene Erzählperspektiven ein: Das von den Figuren im Film Erlebte, das was Georg in Weibels Manuskript liest und das was eine Stimme aus dem Off erzählt. Was sich anhört wie eine völlig verkopfte, gekünstelte Konstruktion, funktioniert auf der Leinwand sehr gut.
TRANSIT ist ein berührender und spannender Film über Flucht, Liebe und den Wunsch, unter schwierigen Bedingungen das Richtige zu tun. Rogowski steht dabei als Georg im Zentrum. Georg ist einerseits von kindlicher Sturheit in seinem Bemühen Marie zu retten und ist andererseits ein tragischer Held, weil er ein Geheimnis hat, das er nicht preisgeben kann. TRANSIT ist Petzolds emotionalster Film. Die Kühle, die DIE INNERE SICHERHEIT oder YELLA ausgezeichnet hat, fehlt hier. Petzold zeigt die emotionale Not und den Zufall des Schicksals, die die Situation von Georg, Marie und anderen Flüchtenden bestimmen. Dabei gelingt es dem Regisseur, eine Beziehung zwischen historischen Fakten und heutigem Erleben von Krieg, Gewalt und Flucht herzustellen. Und das mit den emotionalen Mitteln des Films – glaubwürdige Hauptfiguren, spannender Plot – und NICHT den platten Mitteln eines öden, pädagogischen Filmtraktats.
© Schramm Film / Christian Schulz
Kommentare ( 1 )
Der Film startet am 5.4.2018 in den deutschen Kinos.
Posted by andreas | 25.02.18 19:24