DDR, Anfang der 80er Jahre. Barbara, eine junge Ärztin aus Berlin, hat einen Ausreiseantrag gestellt. Sie wird in ein Provinzkrankenhaus nach Mecklenburg-Vorpommern versetzt. Während sie ihre Flucht vorbereitet, wird sie von der Stasi observiert und muss zugleich ihren Alltag im Krankenhaus meistern. Christian Petzold schildert in seiner fünften Regiearbeit mit der Schauspielerin Nina Hoss stimmig und sensibel eine hoch bedrückende und beängstigende Situation, in der die Hauptfigur sich dadurch zu schützen versucht, dass sie einen Panzer um sich und ihre Gefühle legt.
Die ständige Überwachung, die Drangsalierungen, die Angst, entdeckt zu werden: Aus diesen Elementen webt Petzold eine Stimmung, die sich wie ein eisernes Korsett um seine Protagonistin legt. Der Widerwille gegen die menschenverachtenden Mechanismen der Systems sind tief in Barbaras Gesicht eingegraben – dafür braucht es kein großes Minenspiel; kaum sichtbare Fältchen um den Mund und der Blick von Nina Hoss allein genügen, um zu zeigen, wie es im Innern dieser Frau aussieht. Obwohl Petzold darauf verzichtet hat, die DDR allzu zeichenhaft darzustellen (es fehlen beispielsweise Fahnen oder Honecker-Portraits im Krankenhaus), wird die Atmosphäre dennoch greifbar – durch die Einrichtung der Wohnungen und vor allem durch das Miteinander der Menschen, das von Vorsicht und Misstrauen geprägt ist.
Es ist Sommer, aber der geht an Barbara vorbei. Sie hat keinen Sinn für die Gerüche und Farben, wenn sie sich mit ihrem Fahrrad gegen den Wind stemmt. Die latente Bedrohung, die diese Frau tagtäglich erlebt, wird hier durch ein Naturphänomen sichtbar gemacht. Durch die Herausforderungen ihrer Arbeit und durch den Kontakt zu dem jungen Oberarzt des Krankenhauses bekommt der Schutzpanzer jedoch Risse. Barbara nimmt sich einer jungen Ausreißerin an, die schwanger ist und nicht will, dass ihr Kind in der DDR groß wird. Zu ihrem Kollegen hält sie vorsichtige Distanz, die aber zunehmend dahin schmilzt. Die Menschen, die Barbara in der Provinz nahe kommen, stören ihren kühl durchdachten Plan.
Zudem scheint ihr Freund aus Westdeutschland, der die Flucht ermöglichen will, etwas andere Vorstellungen von der gemeinsamen Zukunft zu haben als sie: Ein einziger Satz, indem er Barbara in Zukunft als nicht arbeitende und gut versorgte Ehefrau in Aussicht stellt, lässt die Stimmung merklich abkühlen.
Das Ende, das hier nicht verraten werden soll, mutet allerdings etwas seltsam an. Die Motivation für die folgenreiche Entscheidung, die Barbara am Schluss trifft, ist zwar stimmig und nachvollziehbar; nicht aber die Atmosphäre, die dadurch erzeugt wird. Das Quasi-Happy-End, jene Tür, die hier im letzten Moment geöffnet wird, hat sich vorher so nie angedeutet und wirkt unglaubwürdig. Denn dass das Erstickende der Überwachung und Unterdrückung sich so plötzlich gelüftet haben soll, mag man nicht wirklich glauben.
Kommentare ( 3 )
Ich glaub, das ist kein Happy End. Oder sagen wir so: Man kann es so sehen, aber auch genau das Gegenteil. Denn wie ein krimi-erfahrener Kollege sagte: Die Stasi hat ja die Spritzen gefunden, und weiß, was sie getan hat. Knast, vielleicht doch "Verkauf" an den Westen und der Mauerfall ist noch 10 Jahre hin. Ich fand ihn für einen Petzold Film richtig spannend im klassischen Sinn und Nina Hoss wie immer toll, aber mit viel Wärme unter der Oberfläche, die in anderen Filmen mit Petzold oft nicht spürbar war.
Posted by Christian Caravante | 12.02.12 11:44
Nee, das ist bestimmt kein Happy End. Aber glaubwürdig ist es auch nicht. Dass die Protagonistin am Ende zur aufopferungsvollen Heldin wird, ist schon sehr überzogen. Der Film wäre ohne den ganzen Handlungsstrang mit der Ausreißerin viel stimmiger gewesen.
Aber ich gebe zu, dass ich auf hohem Niveau nöle. Das ist ein guter Film, aber da er von Petzold ist bin ich etwas enttäuscht - weil nicht so gut wie JERICHOW, YELLA oder die INNERE SICHERHEIT. Das ist der Fluch der guten Tat.
Posted by Steffen | 13.02.12 22:33
Ich fand, dass sie gar keine andere Möglichkeit hatte, als das Mädchen ziehen zu lassen. Eigentlich hat das Mädchen ihr sogar eine Entscheidung abgenommen.
Die Geschichte konnte man einfach nicht besser erzählen. Die Thematik ist eben eine andere als bei Yella oder Jerichow. Eine eher "normale" und wie oben bereits gesagt emontionalere Geschichte.
Posted by Andreas | 21.02.12 20:08