Was soll man sagen? Der Eröffnungsfilm der Berlinale ist mal wieder eine volle Pleite. Wer sich durch die 100 Minuten LES ADIEUX A LA REINE von Benoit Jacquot gegähnt hat, kommt zu dem Schluss, dass es doch nicht die schlechteste Idee der Franzosen war, den Hofstaat von Versailles nach Möglichkeit einen Kopf kürzer zu machen.
Erzählt werden die ersten Tage der Revolution aus der Perspektive der jungen Sidonie, die bei der Königin als Vorleserin beschäftigt ist und eine große Bewunderung für ihre Herrin hegt. Nun wird gezeigt, wie der Hofstaat durch die Nachricht vom Sturm auf die Bastille in helle Aufregung gestürzt wird. Die größte Sorge von Marie Antoinette gilt ihrer Gespielin Gabrielle de Polignac, während Sidonie um die Königin bangt. Dann geht es noch irgendwie um eine gestickte Dahlie (warum auch immer!) und Sidonie darf dann auch fast noch einen falschen Gondoliere vögeln, aber da ruft auch schon wieder die Königin nach ihr.
Marie Antoinette wird in dieser Verfilmung eines Romans von Chantal Thomas als hochnervöses, lächerliches Geschöpf gezeigt – Diane Kruger sei immerhin zugestanden, dass sie diese Überspanntheit gekonnt mit einem gewissen Dünkel paart, sodass ein beinahe lebendiger Mensch dabei heraus kommt. Allein, man fragt sich, was das Ganze soll. Aufgeregte Adlige im Nachthemd mit Kerzen in der Hand durch die Flure von Versailles huschen zu sehen ist nicht gerade abendfüllend.
Letztlich muss die Vorleserin ihrer Königin noch eine letzte Gunst erweisen, die sie (historisch betrachtet) zum Glück per Kutsche in die Schweiz bringt. Und wir? Wir freuen uns auf die kommenden Wettbewerbsfilme und hoffen auf Besseres.
Kommentare ( 4 )
Autsch! Hört sich nach ganz großem Quark und wenig revolutionärem Drama an.
Posted by Steffen | 09.02.12 23:09
Ich hab mal auf anderen Webseiten gespickt: Bei der FAZ hat es Verena Lueken gefallen. Aber ich weiß nicht so genau warum - Verständlichkeit ist nicht Luekens Sache. Aber für sie ist es ein guter Berlinale-Anfang, dass der Regisseur Brüche im Kostümdrama aufreißt. Und sie fand es interessant, dass sich in Versailles niemand gewaschen hat.
Im Tagesspiegel ist Schulz-Ojala eher genervt und vermisst den Erkenntnisgewinn. Aber er verweist immerhin auf "gewisse Höhepunkte der Frivolität" und die "Entblätterung junger weiblicher Hauptfiguren". Es wurde also auch ohne Nachthemd gehuscht - immerhin etwas!
Posted by Steffen | 09.02.12 23:38
Was die Flucht am Ende des Films betrifft: Hier weicht die Synopis auf der Berlinale-Webseite von dem, was auf der Leinwand zu sehen ist, im Wesentlichen ab. Ist das schon jemanden aufgefallen?
Posted by F.P. | 10.02.12 08:33
Was die verrutschten Nachthemden angeht: Ja, da wird mal einer schlafenden Schönen von der jungen Vorleserin aus Neugier die Bettedecke weggezogen. Ob das frivol ist? Ich weiß nicht so recht.
Und ja: Der Berlinale-Katalog irrt bei der Beschreibung der Flucht. Nicht die Königin flieht, sondern ihre Favoritin, die Polignac (der übrigens auch die Bettdecke weggezogen wird).
Posted by tiz | 10.02.12 10:32