Wer hätte das gedacht: Werner Herzog macht einen epischen Liebesfilm. Er macht das sehr gut. QUEEN OF THE DESERT ist unterhaltsam, gut erzählt und brillant gefilmt. „Watching a master tackling something new“, sagte Nebendarsteller James Franco in der Pressekonferenz zu seinen Erfahrungen beim Dreh. Die Königin der Wüste ist die englische Historikerin, Archäologin und Diplomatin Gertrude Bell (Nicole Kidman). Sie flieht Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Ödnis und der Enge des viktorianischen Englands in den Mittleren Osten.
Zu dieser Flucht gibt es keine Alternative: Gertrude Bell sieht sehr gut aus, ist intelligent und hat eigene Pläne. Das bringt ihr im England kurz nach 1900 eine denkbar schlechte Position auf dem Heiratsmarkt ein. Debile Jungaristokraten schwärmen ihr entweder von Rinderherden vor und wollen sie auf eine schnelle Nummer in der Scheune einladen oder prahlen mit ihren Jagderlebnissen in den Kolonien. Gertrude weiß erstens mehr über die Kolonien als ihre Tanzpartner und hat zweitens eine scharfe Zunge. Ihre Möchtegernkavaliere dagegen sind sogar zu dumm, um ihre Ironie zu verstehen.
Gertrude geht an die britische Botschaft nach Teheran. Dort verliebt sie sich in den Botschaftssekretär Henry Cadogan (James Franco), der ihre Interessen für persische Kultur und die Geschichte des Mittleren Ostens teilt. Er macht Gertrude einen Heiratsantrag, aber die Liebe findet ein tragisches Ende. Werner Herzog findet dafür beeindruckende Bilder ohne Green-Screen-Kaspereien und die poetische Sprache, die auf der Korrespondenz seiner Hauptfigur beruht. Das ist zwar emotional, aber driftet nicht ins Peinliche ab. Weil Herzog eben Herzog ist, nutzt er zur Bebilderung einer Liebeserklärung die Überreste einer Luftbestattung nebst Geiern.
QUEEN OF THE DESERT wird getragen von der Hauptfigur und damit seiner Hauptdarstellerin. Mit Ausnahme des Auftakts ist Nicole Kidman in jeder Szene zu sehen. Werner Herzog zelebriert ihre Leinwandaufritte, wie es die Hollywoodfilme der guten alten Zeit getan haben. Nicole Kidman sieht immer gut aus, ob in Scheichpalästen, Beduinenzelten oder auf dem Dromedar. Dabei hilft es ungemein, dass der Drehbuchautor Herzog für die Bilder des Regisseurs Herzog eine intelligente Story geschrieben hat. Gertrude Bell ist eine Frau, die Ziele hat, die etwas erreichen will, und die allein entscheidet, welche Risiken sie eingeht. Auch wenn das die zunehmend inkompetenten Politiker, Beamten und Soldaten des untergehenden British Empire in der unübersichtlichen Randzone des Ersten Weltkriegs zunehmend zur Verzweiflung bringt.
Gertrude Bell ist eine Frau, die ihre Motivation nicht aus enttäuschter Liebe, der Loyalität zu einem Mann oder anderen abgedroschenen Storylines weiblicher Filmfiguren zieht. Sie ist souverän, unabhängig, denkt analytisch und politisch. Gefühle, Liebe und Privates spielen darüber hinaus durchaus eine wichtige Rolle im Film. Andere Autoren und Regisseure können von Werner Herzog lernen, dass das auch ohne hanebüchenes Psychologisieren und schnöde Sentimentalität geht.
Kommentare ( 1 )
Allein Liebesfilm und Herzog sind ein Kontrast, der lockt. Und dann Wüste und Herzog und ausgerechnet Stoneface Kidman.... das kann total scheitern, aber scheint genau zu gelingen. Vorgemerkt!
Posted by christian | 06.02.15 20:42