Tomas ist ein kanadischer Schriftsteller, der sich zum Schreiben am liebsten so weit wie möglich von seinen Mitmenschen zurückzieht. Deshalb übernachtet er gerne mal in einer Holzhütte auf dem zugefrorenen See, um seine Inspiration nicht durch die Nähe anderer zu gefährden. Auch in seiner Beziehung scheint das Konzept „Nähe“ vermintes Gelände zu sein. Als Tomas eines Abends über die verschneiten Straßen nach Hause fährt, geschieht ein tragischer Unfall, bei dem ein kleiner Junge stirbt. Wim Wenders EVERY THING WILL BE FINE folgt nun den Protagonisten – Tomas, der Mutter und dem Bruder des toten Jungen und Tomas’ wechselnden Freundinnen – über ein Jahrzehnt hinweg dabei, wie sie mit dieser Katastrophe umgehen. Herausgekommen ist dabei ein leiser und melancholischer Film, der allerdings Tomas’ Problem teilt: So richtig kommt man an ihn nicht heran.
Während Tomas zunächst in ein tiefes Loch fällt, einen halbherzigen Suizidversuch unternimmt und dann beschließt, seiner Beziehung doch noch eine Chance zu geben, wandelt sich die Mimik von James Franco kaum: Sie changiert zwischen verschattet-melancholisch und melancholisch lächelnd. Das wird sich auch in den folgenden Szenen nicht wirklich ändern. Nach zwei Stunden geht einem dieses begrenzte Repertoire dann doch gehörig auf die Nerven. Charlotte Gainsbourg – inzwischen scheinbar auf vom Leben gezeichnete Frauen abonniert – macht den Schmerz der jungen Mutter greifbar, hat aber ansonsten nicht viel zu tun. Allein der überlebende Junge, in der letzten Episode 16 Jahre alt, ist als Figur wirklich interessant gezeichnet: Seine Verlorenheit, seine Unsicherheit, sein Trotz und die verhaltene Wut in ihm ergeben einen Mix, der nicht leicht einzuschätzen und damit umso beeindruckender ist.
Handwerklich ist der Film souverän erzählt, aber letztlich in der Abfolge seiner Handlungsstränge doch sehr brav und vorhersehbar. Die Abgründe, um die er sich dreht, wirken seltsam oberflächlich. Bis auf wenige Momente vermag Wenders es nicht, einen wirklich mit der Geschichte zu fesseln. Warum er in 3-D gezeigt wird, ist ganz und gar nicht klar: Kaum einmal schöpft die Kamera das Potenzial dieses zusätzlichen Gimmicks aus. Nun läuft der Film ja außer Konkurrenz, sodass man sich keine Gedanken um etwaige Bärenchancen machen muss – er wäre für mich aber auch kein geeigneter Kandidat. Den Ehrenbären fürs Lebenswerk bekommt Wenders in diesem Jahr ja ohnehin.