JACK von Edward Berger

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Jack und Manuel auf der Suche nach ihrer Mutter (Foto: Jens Harant)

Jack (Ivo Pietzcker) ist zehn Jahre alt. Jack ist nicht nur intelligent, sondern auch gut organisiert und vor allem beharrlich. Jack hat gar keine andere Wahl. Denn er muss etwas tun, was Kinder normalerweise nicht tun müssen: Für Struktur und Normalität im Leben sorgen. Das macht Jack übrigens nicht nur für sich selbst, sondern auch für seinen kleinen Bruder Manuel (Georg Arms), der vielleicht halb so alt ist wie er selbst. Sanna (Luise Heyer), die Mutter von Jack und Manuel ist eine circa Endzwanzigerin, die irgendwann den Faden in ihrem Leben verloren hat, wenn sie ihn denn je in der Hand hatte. Sie ist unfähig Verantwortung für sich oder gar ihre Söhne zu übernehmen und sie hat keinerlei Vorstellung davon, was ihr Verhalten für Konsequenzen hat. Seinen Vater hat Jack nie kennengelernt. Unter diesen Bedingungen versucht Jack, so etwas wie ein Familienleben für seinen Bruder und sich zu schaffen, aber die Hindernisse werden immer größer.

Jack hat also sein Leben im Griff und das von Manuel gleich auch noch. Das aber reicht nicht – denn auf das Leben seiner Mutter kann Jack nur wenig Einfluss nehmen. Sein Problem ist sogar noch größer: Denn als Kind, das wie ein Erwachsener denkt und handeln muss – und das fast immer auch tut – wird er trotzdem von den Erwachsenen kaum wahrgenommen. Als sich Manuel aus Versehen die Beine beim Baden verbrüht, muss Jack ins Kinderheim, obwohl er der Einzige ist, der versucht, Erste Hilfe zu leisten. Die Erwachsenen in Jacks Leben sind überfordert (Sanna), desinteressiert (Sannas Freunde und Freundinnen) oder unfähig (die Frau vom Jugendamt und die Gruppenleiterin im Kinderheim). Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände und die Tatsache, dass die Mutter die beiden Brüder einmal zu oft im Stich lässt, landen Jack und Manuel in den Sommerferien auf der Straße – mitten in Berlin. Die Erwachsenen, die ihnen dort begegnen sind bestenfalls gleichgültig und schlimmstenfalls feindselig. Doch Jack gibt nicht auf. Er organisiert Schlafplätze, Essen, Trinken – was man eben zum Leben braucht – und macht sich mit Manuel im Schlepptau auf die Suche nach der verschollenen Mutter.

Der Film von Edward Berger, der das Drehbuch zusammen mit Nele Mueller-Stöfen geschrieben hat, wirft seine beiden Protagonisten also in eine verstörte und verstörende aber vor allem gestörte Erwachsenenwelt. Es gibt im Film keinen einzigen Erwachsenen, der sich so verhält, wie sich ein verantwortungsbewusster Erwachsener verhalten sollte. Das ist die eine große Schwäche des Films und des Drehbuchs, trotz eindrücklicher Bilder und stimmiger Dialoge. Die Welt in der die beiden Brüder leben, ist von Gestörten bevölkert. Das ist der eine Punkt, den ich dem Film nicht abnehme. Dass der Film trotzdem so kraftvoll geworden ist liegt vor allem am Hauptdarsteller Ivo Pietzcker, der beim Dreh wie seine Figur zehn Jahre alt war. Und natürlich geht dieses Lob auch an den Regisseur, der seinen jungen Darsteller offensichtlich sehr einfühlsam geführt hat.

Jack kämpft also immer weiter und was steht am Ende? Nachdem die Kinder mehrere Tage auf der Straße verbracht haben, ist die Mutter auf einmal wieder da. Sie hat wieder einen neuen Freund kennengelernt. Diesmal den Richtigen, wie sie sagt. Am nächsten morgen trifft Jack für sich und seinen kleinen Bruder eine Entscheidung. Es ist eine vernünftige Entscheidung, eine erwachsene Entscheidung. Eine Entscheidung, die Mut und Resignation in sich vereint. Wie diese Entscheidung aussieht, wird hier nicht verraten. Nur soviel: Wenn ein Zehnjähriger gezwungen ist, wie ein Erwachsener zu entscheiden, hat das etwas ungeheuer Deprimierendes.

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Titel

Orignaltitel

Jack

Credits

Regisseur

Edward Berger

Schauspieler

Georg Arms

Luise Heyer

Jacob Matschenz

Nele Müller-Stöfen

Ivo Pietzcker

Vincent Redetzki

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2014

Dauer

103 min.

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