Der Wald als Freund und Feind
EINE MINUTE DUNKEL ist die Geschichte vom Gejagten und vom Jäger. Der Mörder Molesch entkommt aus dem Totenzimmer des Krankenhauses, in dem er von der toten Mutter Abschied nehmen sollte und der Polizist Kreil soll ihn fangen. Die Hauptrolle allerdings spielt der Thüringer Wald, in den Molesch sich flüchtet. Der Wald ist für den Fliehenden Freund und Feind zugleich: In ihm kann er sich vor den Hundestaffeln der Polizei verbergen, gleichzeitig treibt ihn eben dieser Wald weiter in den Irrsinn. Die Kamera von Reinhold Vorschneider nimmt den Zuschauer mit auf die Flucht. Gemeinsam mit Molesch taumeln wir umher und verlieren mehr und mehr die Orientierung. Die Kamera folgt uns oder ist uns voraus und schaut unruhig immer öfter nach oben, wo wir nur den Himmel und karge Tannenspitzen sehen.
Der Jäger Kreil kann auf dieser Jagd schon bald kaum folgen. Lahmgelegt vom Stress und vom Tinitus bleibt er zurück. So außer Gefecht gesetzt beginnt er nachzudenken und begibt sich in ganz anderem Sinn auf die Spur von Molesch. Er geht zurück in die Vergangenheit des Mörders und beginnt, den Mädchen-Mord in Dreileben neu aufzurollen, für den Molesch verurteilt wurde. Denn der Mord birgt ein Geheimnis, weil die Kamera, die die Tat aufzeichnete, eben in der entscheidenden Minute dunkel blieb.
Der Flüchtling Molesch taucht unterdessen immer weiter in seine eigene Welt ein, die nur noch von der Angst und vom Überlebenswillen gekennzeichnet ist – und Regisseur Christoph Hochhäusler zieht den Zuschauer unerbittlich mit in diese Welt hinein. In der Welt der Fakten und der Rationalität ist dagegen der Polizist Kreil unterwegs. Bei der Lösung seines Rätsels gelingt es ihm, die ersten Fäden zu entwirren. Während der ganzen Zeit ist der Zuschauer dabei unter Spannung, denn die Wege von Mörder und Polizist nähern sich einander an, weil auch Molesch noch einmal in das Haus, in dem er aufgewachsen ist zurückkehrt.
Hochhäusler erzählt die Geschichte wie eine alte Fabel. Mit ganz archaischen Bildern von Verlorenheit, Wahnsinn und Gewalt und einigen fast märchenhaften Szenen. Es ist ein düstere Fabel und der Zuschauer muss den Weg bis zum Ende mitgehen, um das Geheimnis zu erfahren.