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18.02.05

19:25

Retrospektive: "Who is afraid of Virginia Woolf?" von Mike Nichols

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Richard Burton und Liz Taylor geben in diesem Klassiker das middle-aged Paar, dass sich in Kampf, Hass und Versöhnungsritualen durch das Ende ihrer Ehe schleppt. Ein anderes Paar dient ihnen für einen Abend als Publikum und zugleich Spiegel für das, was sie mal sein wollten, und Bestätigung, was aus ihnen geworden ist. Sie ist eine Trinkerin, er ein Geschichtsdozent, der vor allem der Schwiegersohn des Unidirektors ist und in Augen aller, und wohl auch nach seinen eigenen Maßstäben, ein Verlierer. Die kleinen Geheimnisse einer Beziehung, die dunklen Stellen, die man dem anderen mal anvertraute, werden gnadenlos hervorgezerrt, um zu verletzen. Die Gäste müssen eine Nacht lang die kurzen Wortgefechte verfolgen und wie die beiden in einer jahrelang einstudierten Choreographie aufeinander einschlagen. Alles ist nur ein Spiel. Ist alles nur ein Spiel? Der Sohn, den es nie gab, der aber weil man ihn so gern gehabt hätte, wie man das ganze Leben gern anders gehabt hätte, ihn lassen sie am Ende sterben. Liz Taylor spielt die leicht aufgedunsene, keifende Alkoholikerin, die sie wirklich noch werden sollte und Richard Burton gibt den Ostküsten Professor im Strickjäckchen, der im Verlauf des Abends all seine aufgestauten Aggressionen nicht mehr hinter eine Fassade aus Ironie, Sprachwitz und Understatement versteckt, sondern den anderen sein Spiel diktiert, bitterböse und gewalttätig wird. Am Ende liegen nicht nur die Lügen dieser beiden offen zu Tage, sondern auch das andere Paar, die eigentlich nur auf eine Drink vorbei kommen wollten, sie haben einander ganz nebenbei, im Schlachtgetümmel der Älteren und durch sie ihre Lügen gestanden.
2 Stunden nur Reden, Reden, Reden. Jeder Dialog auf den Punkt, voller Doppeldeutigkeiten und Witz oder Bissigkeit. Aber nichts passiert eigentlich und doch zerbricht ein ganzes Leben. Was ein Film

Autor: christian 18.02.05 19:25 | Kommentare (0)

19:10

Wettbewerb: „The Life Aquatic with Steve Zissou“ von Wes Anderson

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Jack Cousteau auf Dope

*Regisseur: Wes Anderson, *Darsteller: Owen Wilson, Bill Murray, Anjelica Huston, Cate Blanchett, Willem Dafoe

Es gibt Regisseure, die nehmen sich vor Filme zu machen, die man nicht zusammenfassen kann. Wenn man versucht zu sagen, worum es in so einem Film geht, spürt man schon beim Sprechen, dass man der eigentlichen Handlung nicht näher kommt mit all den Figuren die man da aufzählt und deren Zusammenspiel man erläutert. So ein Film ist auch Wes Andersons "Life Aquatic..." Irgendwie. Es geht um einen Kapitän und Meeresfilmer, der einen Hai jagt, der seinen Buddy gefressen hat, aber auch um einen Sohn, den er er findet und wieder verliert, um eine Ehe zu einer Frau, die das Geld hat und um eine Geliebte, die auch der Sohn liebt, um eine Manschaft mit Zipfelmützen, um einen Konkurrenten, der all das Geld für Filme bekommt, das Zissou fehlt, wehalb der auf einem klapprigen Kahn über die Meere schippert, diesem anderen seine Forschungsgeräte stiehlt, um sie dann wieder an Piraten zu verlieren, die wiederum auf einer Insel dann alle umgelegt werden, weil sie auch noch einen Versicherungsagenten entführt hatten. Am Ende sitzen alle im U-Boot, der große Fisch schwimmt vorbei, Zissou lässt ihn am Leben und Schluss. Dazu gibt es von einem Besatzungsmitglied gesungen David Bowie Songs auf Portugiesisch. Eine Mischung aus Yellow Submarine von den Beatles, James Bond und Theaterstück auf einer Schiffsattrappe. Worum es in dem Fim geht, müßt ihr euch anschauen. Und das ist vielleicht auch das Schönste an dem Film. Alles klar?

Angelica Houston hat auf der Pressekonferenz gesagt, sie habe den Film inzwischen fünf Mal gesehen und wisse immer noch nicht genau, worum es gehe. Ich weiß, was sie meint. Aber sie mochte den Film. Ich auch.

Autor: christian 18.02.05 19:10 | Kommentare (0)

18:22

Panorama Special: Riyuu (The Motive) von Nobuhiko Obayashi

Japan 2004 * Regie: Nobuhiko Obayashi Buch: Nobuhiko Obayashi und Shiro Ishimori nach einem Roman von Miyuki Miyabe Darsteller: Ittoku Kishibe, Masami Hisamoto, Miyoko Akaza, Jun Fubuki

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Bevor der Film beginnt, kommt der lächelnde ältere Regisseur Herr Obayaki auf die Bühne. Er sagt uns einige Sätze zum Film, lächelt viel, genauso wie die widerwillig herbei geholten drei Produzenten, darunter seine Frau, die ganz verlegen kichern. Er hofft, der Film berühre uns, geht uns ans Herz. Irgendwann sagt er das noch einmal. Als schon alle denken, jetzt kann der Film beginnen, sagt er das wieder und lächelt ganz freundlich dabei.

Genauso ist der Film. Wie ein lieber alter Großonkel, der uns eine Geschichte erzählt. Dann holt er aus und erzählt weiter. Und holt wieder Luft und erzählt und erzählt und kommt nicht zum Punkt.

Eigentlich ist Riyuu eine spannende Geschichte, geschrieben von der in Japan erfolgreichen Autorin Miyuki Miyabi. Vier Tote in einer Wohnung, von denen aber keiner wirklich hingehört. Was haben sie dort alle gemacht? Kannten sie sich untereinander überhaupt? Was verbindet sie mit dem Besitzer? Was war das Motiv von diesen Morden? Die zuständigen Polizisten sind verwirrt, und in einzelnen Szenen erzählen alle Zeugen, was sie gesehen haben, woher sie wen kennen. Sie erzählen es in die Kamera, uns, als würden wir sie bei einem kleinen Plausch ganz locker verhören. Aus verschiedensten Winkeln sehen wir die Mordnacht wie bei einem Miss Marple oder Hercule Poirot Film, die Puzzleteile ergeben nach und nach ein großes Bild.

Es ist leider ein sehr, sehr großes Bild. Alle erzählen und erzählen. Sicher gibt es einige witzige Details, die einen zum Schmunzeln bringen. Ein Mann plaudert seine Geschichte, während im Hintergrund des Segelclubs zwei halbnackte Mädchen ins Bild kommen. Als ein junges Mädchen in sehr kurzem Mini ein Orangensaft serviert und in die Kamera lächelnd grüßt, wird der befragte Mann wütend und schmeißt alle hinaus, da er nicht gefilmt werden möchte. Alle, die ins Bild kommen, grüßen uns freundlich verlegen, bitten uns zum Tee oder Kaffee. Es ist das einfache alltägliche Tokyo fernab vom bizarren und verrückten Shibuya oder Shinjuku. Keine Louis Vuitton Taschen oder Gucci Schuhe, keine stylischen oder im Fetisch verkleidete Figuren. Kein buntes rastloses Treiben voller Salarymen oder Geschäftsleuten. Nicht die uns fremde Popwelt wie in Lost in Translation, ganz frei von Klischees und dem verkorksten westlichen Bild Nippons. Hier werden einfache Familien in einem der vielen Stadtteilen Tokyos gezeigt, mit einem seufzenden Bedauern, dass sich so vieles vor allem seit dem Krieg verändert hat. Häuser abgerissen, alte Straßenzüge platt gemacht. Leise Kritik an Geldgier und Profitwahn, die einfache Existenzen kaputt macht, die so hart gearbeitet haben, die noch an familiäre Werte glauben.

Ein ruhiger Film mit viel Liebe zu Details. Zu viel Liebe zu Details. Man traut sich kaum aufzustehen, als man zum Tee gebeten wird und erzählt bekommt, wie der Vater von der verdächtigen Person war. Ja, er hatte es damals so schwer, dieses Süßwarengeschäft zu erhalten. Denn dessen Mutter war eigentlich auch bemitleidenswert. Sie musste in eine vorherbestimmte Familie einheiraten. Und der Verdächtige, der wollte ja nur das Beste für seine Kinder. Er ist ja gleich nach der Schule von zu Hause ausgezogen. Und sein Vater ist nie darüber hinweggekommen. Man schielt schon zur Tür, guckt heimlich auf die Uhr und lächelt freundlich, weil man doch endlich wissen will, was war nun das Motiv???

Autor: haiwen 18.02.05 18:22 | Kommentare (0)

13:23

Favoriten der Presse für den besten Film im Wettbewerb

Welcher Film im Wettbewerb hat der Presse am besten gefallen?


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Ying Yong, Chinese Movie Channel

Favorit
Paradise Now von Hany Abu-Assad

Warum?
Wegen des politischen Themas und der grossartigen Leistung der palästinensischen Schauspieler.

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Wei-Jeu Liu, Movie Magazine (Taiwan)

Favorit
Paradise Now von Hany Abu-Assad


Warum?
Die diesjährige Berlinale wurde stark von Filmen bestimmt, die ein politsches Thema hatten. Von all diesen Filmen hat mir "Paradise Now" am besten gefallen, u.a. weil er sein Thema nicht so politisch korrekt angeht, wie z.B. "Sophie Scholl". Neben seiner politischen Dimension ist der Film aber auch sehr menschlich und bewegend.


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Edwinar Patski, freier Journalist (Litauen)

Favorit
Paradise Now von Hany Abu-Assad

Warum?
Weil alle anderen Filme schlecht und langweilig waren.


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Markus Hockenbrink, Intro (Deutschland)

Favorit
Gespenster von Christian Petzold

Warum?
Weil er diesen Kontrast der Realität zum Unweltlichen, dem die Personen ausgesetzt sind, sehr gut rübergebracht hat. Der Film war wirklich sehr gespenstisch.


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David Mitjans, Radio Matorell (Spanien)

Favorit
Paradise Now von Hany Abu-Assad
The Wayword Cloud (Tian Bian Yi Duo Yun) von Tsai Ming Liang

Warum?
Paradise Now spricht über ein reales Thema.
Wayword Cloud ist sehr orginell und anders, er ist eher wie ein koreanischer Film.

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Lia Witteck, freie Journalisten (Georgien und Deutschland)

Favorit
The Hidden Blade (Kakushi Ken - Oni No Tsume) von Yoji Yamada

Warum?
Sehr gute Darstellung der Moral der japanischen Krieger und der Reinheit der Personen.

Autor: andreas 18.02.05 13:23 | Kommentare (0)

0:54

Wettbewerb: Tian Bian Yi Duo Yun (The Wayward Cloud) von Tsai Ming Liang

Taiwan, China, Frankreich 2004 * Regie/Buch: Tsai Ming Liang Darsteller: Shiang Chyi Chen, Kang Sheng Lee, Yi Ching Lu, Sumomo Yuzakura

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Dieser Film hat ganze 112 Minuten gedauert, fällt in die Kategorie Musical/Comedy/Drama (imdb.com) und verleitet Berliner Boulevardblätter zu sagen, die Berlinale hätte sich in die “Sexinale” verwandelt. Wo beginne ich nur… Man hätte sich wohl Tsais vorhergehenden Film ansehe müssen, „What Time is it there?“ (2001), denn sonst weiß man sicher nicht, dass die Hauptfigur Shiang-Chyi aus Frankreich zurückkehrt, dass sie die andere Hauptfigur Hsiao Kang kennt, der einmal am Hauptbahnhof Uhren verkauft hat. Die Hauptpromenade, an der er stand, ist abgerissen, und sie kann ihn nicht mehr dort finden. Soweit in der Zusammenfassung des offiziellen Berlinale Programms.

Verdammt, diesen Anfang habe ich ja gar nicht gesehen! Ich habe nur scheinbar ziellos umherirrende einsame Menschen in der leeren Millionenstadt Taipei gesehen. An einer Stelle setzt sich die Frau einfach zu einem schlafenden Mann an eine Kinderschaukel, der sie anlächelt, als sie aufwacht. Dann nimmt sie ihn gleich mit in die Wohnung.

Und da gibt es noch die Pornoszenen. Ja, der Uhrenverkäufer ist Pornodarsteller geworden. Wenn man ganz konzentriert aufpasst, sagt Shiang-Chyi an einer einzigen Stelle, „Verkaufst du keine Uhren mehr?“ Und er sagt nichts, wie im ganzen Film nicht. Irgendwann kommt sie dahinter, denn es wird gleich nebenan gedreht.

Viel Symbolik: Wassermelonen, Wassermangel und Dürre in der Sommerhitze Taipeis, eiskaltes reines Wasser in durchsichtigen Plastikflaschen in Shiang-Chyis Kühlschrank, ein Koffer, der nicht aufgeht, ein Schlüssel, der im Asphalt fest eingewalzt wurde, eine japanische Pornodarstellerin, die sich im vollen Lift auszieht, weil sie Ameisen am Körper hat. Sonst sind die Lifte immer leer, die Gänge leer, die Wohnungen karg und unbewohnt. Alles wirkt kalt trotz der unerträglichen Hitze. Es ist eine Entfremdung und Rückzug in ein kleines Mikrokosmos von Einsamkeit. Stille durchzieht den Film, viel Text musste niemand lernen, eigentlich sagt Hsiao Kang nicht ein einziges Wort im ganzen Film, die Japanerin stöhnt viel und sagt einen einzigen Satz. Die gedrehten Pornoszenen wirken routinehaft, alltäglich und auf keinen Fall schmutzig oder anrüchig – seltsamerweise. Kleine Pannen lassen diese äußerliche Nacktheit ganz normal erscheinen. Es steckt sogar Witz in den meisten Szenen, ohne die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben oder bloß zu stellen. Und plötzlich, als wäre die Filmhandlung in Theaterakte gegliedert, durchbrechen bunte, laute Musikszenen die Stille. Jede Figur singt sein Liedchen in Shanghaier Chansonmanier der 30er und tanzt wie im Musical – fast losgelöst vom eigentlichen Film, würde man schnell genug die Untertitel durchlesen und sehen, ah! es handelt sich doch immer noch um den gleichen Film, sie singen ja darüber!

1997 hat Tsai Ming Liang mit „Der Fluss“ den Silbernen Bär gewonnen. Und dieser Film? Es ist ein Kunstfilm. Wie eine lange Videoinstallation. Der Film plätschert hin und endet mit einem Höhepunkt – sozusagen. Was wollte uns der Regisseur sagen? Dass man mit Wassermelonen Frauen leichter verführen kann? Dass in meiner Nachbarswohnung Pornofilme gedreht werden könnten? Dass Wolken eigensinnig sind und nicht regnen wollen, auch wenn man zu ihnen betet? Keine Ahnung. So verlasse ich das Kino genauso ratlos wie all die anderen Zuschauer, war er witzig oder war er anrüchig oder war er symbolisch oder war er mutig oder lag das an der französischen Koproduktion oder waren die Untertitel schlecht übersetzt oder…

Autor: haiwen 18.02.05 00:54 | Kommentare (0)