Zum Kinostart von WILDE MAUS: Das Interview mit Josef Hader

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Die Figuren, die Josef Hader spielt, sind oft Eigenbrötler und Grantler. Das gilt auch für Georg, den plötzlich arbeitslosen Musikkritiker und die Hauptfigur in Haders Regiedebüt WILDE MAUS (zur Rezension von Tiziana Zugaro). Der Film feierte im Wettbewerb der Berlinale 2017 seine Premiere und legte am Wochenende darauf in Österreich den erfolgreichsten Kinostart eines österreichischen Films seit 15 Jahren hin. In Deutschland kommt WILDE MAUS am 9. März ins Kino. Im Berlinale-Interview sprach Hader, der als Gesprächspartner kein bisschen grantelt, mit festivalblog.com über seine Arbeit vor und hinter der Kamera und das große Vertrauen, das ihm die Produktionsfirma Wega entgegenbrachte.

Wie kam’s dazu, dass Sie für die WILDE MAUS zum ersten Mal nicht nur vor der Kamera, sondern auch als Regisseur hinter der Kamera stehen?
Ich habe an dem Drehbuch über zwei Jahre ganz allein geschrieben und dann Lust bekommen, es auch selbst zu verfilmen. Ich habe mir gedacht: Der arme Mensch, der jetzt als Regisseur dazukommt, muss sich mit so fixen Vorstelllungen von mir beschäftigen – da probiere ich es einfach selbst. Ich war mit den Filmen, in denen ich mitgespielt habe, überhaupt nicht unzufrieden. Aber ich wollte einmal gerne selbst die Geschichte erzählen. Genau das macht ein Regisseur, weil er im Schnitt das Tempo bestimmt. Er bestimmt, was die Zuschauer zu sehen bekommen und wann.

Was macht der Regisseur Hader besser oder anders als andere?
Ich habe mehr Zeit investiert als ein normaler Regisseur. Was mir gefehlt hat an Ausbildung, wollte ich mit Vorbereitungszeit und mit einer sorgfältigen Nachbereitung auffangen. Ich habe wirklich jahrelang an dem Film gearbeitet.

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In der Premiere gab es Szenenapplaus. Was bedeutet Ihnen das als Regisseur?
Das sind Momentaufnahmen, das Berliner Publikum macht das gerne. Das interessante an der Premiere war, dass es nicht diese gleichzeitigen Reaktionen gab, sondern dass viele Leute an sehr verschiedenen Stellen gelacht haben. Das mag ich sehr gerne. Ich wollte nicht die großen Pointen schaffen, wo sich alle einig sind, hier muss gelacht werden. Ich wollte, dass jeder da lacht, wo er sich ein bisschen getroffen fühlt.

Wie schwierig war es, sich in Abhängigkeit zu begeben. Sie haben als Debütregisseur mit einem Team von Leuten gearbeitet, die viel Erfahrung hinter der Kamera haben. Das ist beim Kabarett ganz anders. Da haben Sie alle Freiheiten.
Die Produktionsfirma Wega lässt dem Regisseur viel Freiheit. Sie hat alle österreichischen Filme von Michael Haneke gemacht und auch DAS WEISSE BAND mitproduziert. Sie sind der Auffassung, dass der Regisseur das letzte Wort hat.
Andererseits haben sie mich auch immer kompetent beraten und sind hinter mir gestanden wie ein Fels in der Brandung. WEGA ist ein absoluter Glücksfall. Das sind Produzenten voller Hingabe. Die leben für die Filme, die sie machen und machen nur Filme, die sie wirklich wollen. Wenn man einen Film macht, passieren viele kleine, unvorhergesehene Dinge. Ich musste bei diesem Film nie Energie aufwenden, um mich mit den Produzenten herumzustreiten. Sie haben mir großes Vertrauen geschenkt und ich ihnen auch. Sie haben meine Offenheit nie gegen mich verwendet und waren immer offen zu mir. Bei allem. Sie haben mir sogar am Anfang ihre Kalkulation offengelegt. Sowas habe ich noch nie erlebt.

Was waren die schwierigsten Entscheidungen als Regisseur?
Kamera natürlich. Da konnte ich mir vorher als Schauspieler noch überhaupt nichts ausgucken. Ich war bei Wolfgang Murnberger [Regisseur der Brenner-Filme] häufiger bei der Vorbereitung und der Postproduktion dabei, aber beim Dreh habe ich mich auf die Schauspielaufgaben konzentriert. Die Kameraarbeit, wie man Szenen auflöst und so den Film erzählt, das war das große Neuland.

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Ein anderer Regisseur, der seinen ersten Film macht, ist ein unbeschriebenes Blatt – Hader aber kennt jeder. Macht es das einfacher oder schwieriger?
Das kann ich selbst gar nicht sagen. Einerseits war es bei dem Arbeiten mit dem Team sehr gut, schon jemand zu sein. Alle hatten Vertrauen in mich und auch eine Zuneigung zu mir. Am Set war eine schöne Mischung aus alten Hasen und jungen Leuten. Die jungen Leute waren so glücklich mit mir und ich mit ihnen. Das verdanke ich auch der Tatsache, dass sie mich schon gekannt haben. Das ist der Vorteil. Der Nachteil liegt auch auf der Hand: Man steht schon vorher für etwas und muss sich überlegen, wie weit man davon weggehen will. Ich habe mich entschlossen, einen Schritt in eine neue Richtung zu gehen. Ein Nachteil könnte sein, dass der vielleicht zu wenig entschieden ausfällt.

Die Hauptfigur des Films ist sehr erfolgreich und verliert ihren Job: Wie viel von Ihren eigenen Ängsten steckt im gefeuerten Feuilletonredakteur Georg?
Das Interessante am Erfolg ist ja, dass man ihn überhaupt nicht merkt. Er ist bloß Arbeit. Nach der Premiere war ich eigentlich nur müde und wollte schlafen gehen. Was viel beglückender ist, ist dass man durch Erfolg danach wieder arbeiten darf. Die Arbeit ist viel dauerhafter als der Erfolg. Bei meiner Arbeit als Kabarettist bin ich kaum abhängig. Ein Kabarettist braucht kein Geld. Der kann jetzt etwas aufschreiben und am Abend damit auf die Bühne gehen. Beim Film war mir klar: Wenn ich den total vergurke, darf ich keinen mehr machen. Das ist natürlich eine Drucksituation. Aber ich konnte das mit einer gewissen Leichtigkeit machen, weil ich wusste: Ich habe ja nichts zu verlieren. Ich bin ja auch Kabarettist, ich verliere mit einem Misserfolg nicht meine Existenz. Ich hab‘ mir eingeredet, es ist wie ein Freispiel beim Flippern. Damit ich weniger Angst hab davor.

Warum haben Sie sich ausgerechnet den Rummel im Prater als Schauplatz ausgesucht?
Ich wollte, dass der Rhythmus des Films nicht von einem durchkomponierten Score –zugekleistert wird, sondern von unterschiedlichen Original - Atmosphären der Szenen bestimmt ist. Ich hatte von Anfang an diese Töne im Kopf: die bürgerliche Wohnung, in der die Uhr tickt, der Straßenlärm, das herbstliche Wien, wo sich die Krähen versammeln. Und dass Georg irgendwo hinflüchtet, wo die Atmosphäre wieder ganz anders ist in Bild und Ton. So bin ich auf den Prater gekommen. Zum Schluss geht es dann in den Schnee, wo alles ganz leise wird und sich das Bild noch einmal vollkommen verändert.

Was mir sehr gut gefallen hat, es wird nicht alles auserzählt. Es wird nicht an jeden Handlungsstrang ein Schleifchen gemacht. Wie haben Sie da beim Schreiben die Entscheidung getroffen?
Das entsteht bei mir dadurch, dass ich viele Fassungen schreibe. So werde ich mir über die Gewichtung immer klarer, über das Tragische, das Komische, über den Schluss, über den Anfang. Auch über die Figuren, die dann immer mehr Dimension kriegen. Ich könnte das nicht machen, wenn ich nur eine Fassung schreiben dürfte. Das wäre wirklich ein schlechtes Drehbuch. Ich habe einmal aus sportlichen Gründen probiert, ein Theaterstück in einem Monat zu schreiben. Etwas Schlechteres habe ich noch nie geschrieben in meinem Leben.

Hat sich die Beziehung der beiden Hauptfiguren Georg und Johanna am Ende eigentlich irgendwie weiterentwickelt?
[Lacht.] Das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe versucht einen Schluss zu machen, der emotional nicht völlig im Ungefähren lässt, wie es weitergeht. Als Zuschauer hasse ich das, wenn sich die künstlerischen Fachkräfte nicht entscheiden können, wie der Film ausgeht und sagen: „Das soll der Zuschauer entscheiden.“ Damit kann man mich jagen. Gleichzeitig ist es eine Geschichte, die kein echtes Happy End verträgt. Ich habe mich entschieden, zu erzählen, dass Leute, die bisher zu wenig miteinander geredet haben, sich plötzlich aneinander reiben.

Im Film hört man immer wieder die beiläufigen Radiomeldungen über die Flüchtlingskrise. Können Sie sich als Regisseur auch vorstellen einen politischeren Film zu machen?
Die Frage ist, wie weit man die Politik oder die aktuelle Stimmung in der Gesellschaft in einen Film hineinlässt. Das hängt sehr vom Genre ab. Bei dieser Tragikomödie kann man es schon ein bisschen reinlassen, weil es auch ein Stück eine Satire über dieses Bürgertum ist, das die Nachrichten hört – die dann an ihnen wirkungslos vorbeirauschen. Aber ich habe das sehr vorsichtig dosiert. Wenn ich das Politische in dem Genre, in dem ich mich bewege, zu stark betone, wirkt es zu gewollt oder aufgesetzt.

Der Film endet mit einem Dank an Helmut Dietl. Bei Ihnen soll angeblich ein Drehbuch von ihm liegen.
Das ist ein schönes Gerücht, aber wirklich nur ein Gerücht. Wir haben uns kennengelernt, weil Helmut Dietl über ein Projekt nachgedacht hat und mich gefragt hat, ob ich da mitmachen würde. Und haben wir uns ein paar Mal getroffen und miteinander spintisiert und haben das sehr schön gefunden. Dann ist er krank geworden. Deshalb haben wir das Projekt selbst sein gelassen. Wir haben uns manchmal getroffen, sind ein bisschen spazieren gegangen und haben über das Leben geredet. Das waren wunderbare Stunden. Ich habe ihm mein Drehbuch zu lesen gegeben, und er hat mich bestärkt, die Regie zu machen. Deswegen möchte ich, dass die Erinnerung an diese Zeit im Abspann zu finden ist.

Das Interview führte Steffen Wagner.

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Titel

Orignaltitel

Wilde Maus

Credits

Regisseur

Josef Hader

Schauspieler

Georg Friedrich

Josef Hader

Jörg Hartmann

Pia Hierzegger

Denis Moschitto

Land

Flagge OesterreichOesterreich

Jahr

2017

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