Menschen, Tiere Sensationen - 6 Filme vom Menschsein mit Tieren

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Sind sechs Filme eine Serie? Was ist das nur, mit dem Menschen und den Tieren auf der diesjährigen Berlinale? Da wird permanent metaphorisch und manchmal auch ganz explizit die Grenze abgeschritten zwischen uns und dem „Biest“. Sie sind das Andere und zugleich Projektionsfläche für unsere Unzulänglichkeiten. Wie René Pollesch mal sagte: Kommunikation beruhrt auf der irrigen Annahme, dass wir Menschen uns ähnlich sind. Dabei kann es sein, dass wir mit einem Hund mehr Gemeinsamkeiten haben als mit unseren Arbeitskollegen - wenn wir es schaffen, eine Kommunikationsebene mit ihm zu finden.

In FRANCINE von Brian Cassidy und Melanie Shatzky zum Beispiel ist eine Frau nach langem Gefängnisaufenthalt unfähig mit Menschen näheren und bleibenden Kontakt zu finden und sammelt stattdessen zahllose Vierbeiner auf, pfercht sie in ihren bald total versifften Trailer - glücklich, jemanden zu haben, der sie braucht. Dass diese Art Über-Liebe nicht gut enden kann, ahnt man bereits früh. Das Tier als Ersatz für verlorene Gefühle und Fähigkeiten. Weltflucht in der Herde.

Anders geht BESTIAIRE an das Thema heran: In den James Benning erinnernden festen Einstellungen zeigt Denis Côté gefangene Tiere. Nach einer Weile stellt sich die Frage, „Wer starrt hier eigentlich wen an?“ Antworten gibt der Film nicht, irritiert den Betrachter und lässt ihn in sich selbst nach der Grenze zwischen denen und uns suchen.

Eine witzige Rolle als Gefühlsersatz in einer einsam machenden Menschenwelt, spielen die Tiere in RENTANEKO (Rent a Cat) von Naoko Ogigami. Eine Frau vermietet Katzen an einsame Japaner, um „das Loch in ihren (und dem eigenen) Herzen“ zu füllen. Bei der alten Dame und dem Angestellten ändert sich der Blick aufs eigene Leben, als die Katzen da sind. Die Tiere bringen Bewegung ins Leben. Die Katze als unabhängiger Geist ist dafür ein geeigneter Pate.

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Leider findet der meist verbreitete Kontakt zwischen Mensch und Tier in unseren Breiten im Zoo statt. Es ist ein Blick auf Gefangene. In POSTCARDS FROM THE ZOO von Edwin geht es um ein im Zoo aufgewachsenes Mädchen. Sie ist gefangen im Blick auf die gefangenen Tiere, auf ein Leben in diesem „unmenschlichen“ Kontext. Die Regeln im Zoo lassen sie selbst zu einem Objekt der Betrachtung werden, als sie hinausgeht in die Welt. Manche Menschen sind gefangen, auch wenn sie nicht hinter Gittern sind wie Giraffen und Flusspferde im Zoo.

Irgendwo zwischen gefangen und frei bewegen sich Tiere und Menschen in HIVER NOMADE von Manuel von Stürler. Mit Herde ist der Hirte dann so etwas wie das Oberschaf, ohne Herde nur ein Typ mit fettigen Haaren. Ein selbstverliebter Hirte aus der Schweiz zeigt im Film sein Schäferleben im Winter, wandert durch die von Straßen und Siedlungen durchzogene Landschaft, wo Natur und „Kultur“ ständig ineinander übergehen. Die seltsam romantischen Vorstellungen vom Leben auf dem Land kommt immer von Städtern, ob Bauernhof oder das vermeintliche freie Leben der Schäfer: Der Film belehrt einen des Besseren. Wer aber mehr Zwängen unterliegt, die Menschen in Retortensiedlungen oder ein Schäfer mit 800 Schafen darf jeder selbst entscheiden.

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Die dialektische Beziehung zwischen Mensch und Tier (aus der Sicht des Menschen allein!) exerziert der Film DIE WAND von Roman Pölsler durch. Was unterscheidet uns vom Tier, wenn es keine Menschen mehr gibt, keinen mehr auszudenkenden Sinn, keine Kulturleistungen, sondern nur den Drang zu überleben. Martina Gedeck ist allein in der Welt, getrennt von einer Glaswand zu der erstarrten Außenwelt.
Die Tiere sind sowohl Freunde wie einziger Grund weiterzuleben. Der Hund als bekanntermaßen bester Freund des Menschen steht dem größten Feind des Menschen gegenüber: Der Mensch selbst. Sehr literarisch, sehr dicht, mit beeindruckenden Bildern für mich der stärkste Film der Tierserie und nach allen Seiten hin offen für philosophische Betrachtungen unseres Seins.

Was bleibt nach der Betrachtung von 6 Filmen mit Tieren&Menschen ist eine Frage: Wie kann jemand sicher sein, dass es nicht die Mäuse waren, die die Erde in Auftrag gegeben haben?

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