Berlinale 2012: Kein Trainerwechsel

Dieter Kosslick auf der Preisverleihung der Unabhängigen Jurys (Berlinale 2007)

Im Fußball hält die Geduld nicht lange an. Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, bedient man sich immer des gleichen Rituals. Obwohl alle wissen, dass Erfolg von vielen Faktoren abhängt, ist es immer ein bestimmter Kopf, der rollt: der vom Trainer.

Bei einem Filmfestival dauert eine Saison nur 10 Tage und es gibt keine Regeln, die einem sagen, ob man gewonnen oder verloren hat. Am Ende des Festivals wird aber trotzdem Bilanz gezogen und wenn sich dann ein Gefühl der Unzufriedenheit Bahn bricht, steht auch hier eine bestimmte Person im Kreuzfeuer: der Festivaldirektor.

Es ist daher nach den durchmischten Kritiken zur Berlinale 2011 zunächst nicht verwunderlich, dass sich die Jubelschreie über die Vertragsverlängerung des Berlinale Leiters Dieter Kosslick in Grenzen hielten. Besonders die Community der “Filmexperten” grummelte über die Selbstverständlichkeit mit der Kosslick Berlinale Direktor bleiben darf. Sie wollen die Berlinale wieder in der Champions League sehen und sich dem FC Barcelona der Filmfestivals, dem Festival in Cannes, nicht geschlagen geben.

Neben der Sorge um die Filmkunst kann man aus den Kommentaren, aber auch ein Stück verletzte Berufsehre heraushören. Dazu gibt eine kleine Vorgeschichte. Im Oktober 2011 hat der Verband der deutschen Filmkritik e.V. ein Symposium zur Zukunft der Berlinale veranstaltet. Dieter Kosslick war eingeladen, hatte zugesagt, dann seine Zusage aber wieder zurückgezogen. Kosslick hatte den Eindruck, dass die Veranstalter nicht ganz unvoreingenommen waren. Angesichts des Veranstaltungstitels "Was kommt nach den Verrissen" lag er damit sicherlich nicht ganz falsch.

Nun ist die Beziehung zwischen der Berlinale und Filmkritikern immer eine besondere gewesen. Aus Unmut über das Wettbewerbsprogramm wurde 1964 die "Woche der Kritik" als eine Gegenveranstaltung ins Leben gerufen. 1970 wurde sie als "Internationales Forum des Jungen Films" in die Berlinale integriert und vom Filmkritiker Ulrich Gregor maßgeblich geprägt.

Wie berechtigt ist nun die gegenwärtige Kritik am Wettbewerbsprogramm und der Berlinale insgesamt? Aus meiner Sicht ist eine wertende Berlinale-Bilanz immer eine sehr persönliche Angelegenheit und hat viel mit der individuellen Filmauswahl zu tun. Richtig ist, dass Cannes in den letzten Jahren die großen Namen an Bord ziehen konnte und die Berlinale vergleichsweise leer ausging. Man kann aber auch Kosslick schwerlich widersprechen, wenn er anmerkt, dass das Festivalprogramm 2011 einige Highlights bereithielt (wie z.B. NADER AND SIMIN und THE TURIN HORSE). Was mich in jedem Fall wundert ist, dass sich die Filmkritiker so sehr am Wettbewerb festbeißen. Filmkunst hat ihren Platz sehr viel stärker in den Nebensektionen Panorama und Forum als im Wettbewerb. Deren Leiter bleiben aber weitestgehend verschont.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass Dieter Kosslick nach der Ära Moritz de Hadeln viel für die Publikums- und Öffentlichkeitswirksamkeit der Berlinale getan hat. Sein Steckenpferd das Kulinarische Kino wird zwar von der Filmkritik oft hämisch kommentiert, von anderen Festivals wie dem Filmfestival in San Sebastian aber adaptiert.

Ich freue mich in jedem Fall, dass auch in den nächsten Jahren Teppich und Schal in einheitlichem Rot zusammenfinden, und wünsche Dieter Kosslick viel Glück für die nächsten 5 Jahre.

Kommentare ( 2 )

Es stimmt schon: Nach de Hadeln wurde Kosslick wie der Messias begrüßt, und weil er es - Überraschung! - noch immer nicht geschafft hat, Cannes den Rang ebzulaufen, wird er nun geschmäht. Das ist billig und vorhersehbar.

Auf der anderen Seite wäre es natürlich schon schön, wenn die Berlinale es zumindest versuchen würde, sich als ernt zu nehmenden INHALTLICHEN Konkurrenten zu Cannes aufzustellen - statt immer weiter idiotische Event-Kultur à la Kulinarisches Kino zu zelebrieren.

Schließlich gab und es gibt es hier vor allem in den Nebensektionen immer wieder tolle, vielversprechende Filmemacher, die man halten müsste, die man sich für den Wettbewerb ranziehen sollte, statt darauf zu warten, dass sie, sobald flügge geworden, nach Cannes abziehen...

Ich finde trotzdem, dass Kosslick viel Positives für die Stimmung und den Umgangston auf der Berlinale getan hat - und das ist im kalten Februar nicht unerheblich.

Die Kritikerzunft begreift einfach nicht, dass der Wettbewerb nicht das Wichtige an der Berlinale ist. Sind die Kritiker (die Nöler sind ja meistens Männer) ein bisschen beleidigt, weil sie niemand danach gefragt hat, wen sie für den besten Berlinale-Chef halten? Schlimm!
Solange es soviele interessante Sachen in den anderen Sektionen zu sehen gibt, macht die Berlinale etwas richtig. Den Verweis auf Cannes kann eh niemand mehr hören - das sind Hirngespinste. Und was Venedig angeht: Ist das Programm soviel besser? Wenn ich mir die Venedig-Filme der letzten Jahre anschaue, glaube ich das nicht.
Also: Solange Forum und Panorama etc. gut geführt werden, soll der Dieter ruhig weiter den sympathischen Onkel in Hut, Schal und Mantel geben. Und: Lasst ihn doch kochen, wenn es ihm Spaß macht. Die Leute mögen das. Ein Publikumsfestival ist ein Publikumsfestival ist ein Publikumsfestival - VOX POPULI VOX DEI!

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