
"Jesus Camp" von Heidi Ewing und Rachel Grady, USA 2006
Eines vorweg: „Jesus Camp“ ist eine Tortur. Kinder, die in Weinkrämpfen zusammenbrechen, sich in Zuckungen am Boden winden, in Zungen Reden und von Erwachsenen solange in hysterische Zustände getrieben werden, bis sie alles nachbeten, was ihnen vorgesagt wird, sind kein schöner Anblick. Dennoch sollte man diesen Dokumentarfilm, der nicht nur im Rahmen des ueber morgen-Festivals in Berlin gezeigt wird, sondern am 1. November in ganz Deutschland anläuft, auf jeden Fall sehen. In „Jesus Camp“ zeigt sich die radikale christliche Bewegung der USA der Evangelikalen, so wie sie ist: selbstbewusst als selbsternannte Krieger in einem politisch-ideologischen „culture war“, für den sie eine neue Generation von wahren Christen erziehen wollen. Die Filmemacherinnen Heidi Ewing und Rachel Grady entlarven die Evangelikalen nicht. Das ist nicht notwendig. Becky Fischer und die anderen Prediger, die das Feriencamp „Kids on Fire“ organisieren, sind stolz auf ihren Radikalismus. Als Mike Papantino, der Moderator einer eher gemäßigten christlichen Radio-Talkshow, sie der „Indoktrination“ bezichtigt, kann Fischer an diesem Begriff nichts Negatives finden.
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Filmvestival der "Aktion Mensch" startet in Berlin
„Utopien, Träume, Weltenentwürfe" lautet der Untertitel des
ueber morgen-Filmfestivals, das vom 1. bis zum 11. November mit insgesamt dreizehn Spiel- und Dokumentarfilmen in Berlin startet. Die „Aktion Mensch" und zahlreiche Kooperationspartner stellen mit diesem Festival die entscheidende Frage: Wie wollen wir leben? Nach dem Auftakt in der Hauptstadt, die Berliner Festivalkinos sind das „Filmtheater am Friedrichshain" und das „Broadway", geht das Festival bis zum Juni 2008 auf Tour durch 100 deutsche Städte. Hier die
Berlin-Termine des
ueber morgen-Festivals.
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Heinz Badewitz moderiert das Gespräch mit Wayne Wang an.
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Finnischer Gigolo scheitert am Handwerk - Der Sieger von Münster
Als sein kräftiger Körper am Ende von der Arbeit an den Frauen ramponiert ist - Loch im Kopf, Finger gebrochen, blaues Auge - von den seelischen Wunden seiner Arbeit gar nicht zu sprechen - da zertrümmert ihm seine Ehefrau mit einem Hammer den Knöchel. Um ihm was Gutes zu tun und die Familie zu retten. Und er lächelt - zum ersten Mal.
Der Weg bis zu dieser Szene: Steinmetz Juha wird arbeitslos und kommt durch Zufall auf die Idee als Gigolo für ältere Frauen zu arbeiten. Freunde helfen ihm bei den logistischen Schwierigkeiten und beneiden ihn um seinen Job. Aber Juha lernt die ganzen Härten des Sexgeschäfts kennen - bis hin, dass die Familie an seiner Hurerei fast zerbricht, obwohl er weiter auf den ehrlichen Handwerker zu machen versucht.
Man ist ja immer schnell dabei, jeden finnischen Film mit den Granden des finnischen Kinos, den Kaurismäkis, zu vergleichen. Und natürlich wird auch in diesem Film viel getrunken und geraucht. So sind sie nunmal die Finnen scheint es, wenn sie nicht bei Nokia arbeiten oder Pisa-Test Sieger sind. Aber die Bilder in diesem Film sind nicht gar so trostlos wie bei Kaurismäki und es wird auch mehr geredet. Nicht viel mehr, aber immerhin. .....
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“Grounding – Die letzten Tage der Swissair“ von Michael Steiner, Schweiz 2006
Am Dienstag, dem 2. Oktober 2001, konnte man rund um den Globus Schweizer weinen sehen – auf Flughäfen. Männer und Frauen standen fassungslos in den Abfertigungshallen oder mussten die Flugzeuge wieder verlassen: Die Swissair, von den Eidgenossen selbstbewusst die „Fliegende Bank“ genannt, war zahlungsunfähig. Weil die Fluglinie weder das Benzin noch die Flughafengebühren zahlen konnte, blieben die Maschinen am Boden. Die Passagiere halfen zum Teil den Crews sogar, das Gepäck wieder auszuladen, weil das Flughafenpersonal ohne vorherige Bezahlung den Service verweigerte. Der Schweizer Regisseur Michael Steiner hat aus dem Wirtschaftsdrama einen dokumentarischen Spielfilm gemacht, der auch beleuchtet, wie ein Unternehmenszusammenbruch zum privaten Drama für die Mitarbeiter wird.
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"Darling" von Johan Kling, Schweden 2007
„Darling“ hat der schwedische Regisseur und Drehbuchautor seinen Johan Kling seinen Film genannt. Für Liebesgefühle ist aber in Zeiten der Arbeitslosigkeit wenig Platz, wie Eva und Bernhard feststellen, als sie sich ihr Weg aus der Arbeitslosigkeit schließlich bei McDonald’s kreuzt. Kling konzentriert sich ganz auf seine Hauptfiguren und zeigt dabei, wie unterschiedlich die Chancen zweier Menschen sind, die sich vermeintlich in derselben Situation befinden. Der Grund: Zwischen ihnen liegt ein Altersunterschied von mehr als 30 Jahren.
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"Fairplay" von Lionel Bailliu, Frankreich 2007
Die Fairness ist ein hehres Ideal, für das der Erfolgreiche in der Wirtschaft nur ein spöttisches Lächeln übrig hat - so die einfache Botschaft von Regisseur und Drehbuchautor Lionel Bailliu in "Fairplay". Sein Film läuft im Wettbewerb des Filmfestivals Münster 2007. Vor dem Hintergrund sportlicher Wettkampfepisoden konstruiert er eine Unternehmensintrige, die in einem klassischen Show-Down auf Leben und Tod endet.
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„Work! Don’t Work“ - 2. Filmfestival Münster
Ist das Unternehmen ein Haifischbecken, in dem bis aufs Blut um Positionen und Macht gekämpft wird? Wie tragisch ist das Los Tausender namenloser Menschen, die im Sog des Swissair-Niedergangs nicht nur Haus und Job verlieren, sondern auch den Glauben an ihr Musterland, die Schweiz? „Work! Don’t Work!“ heißt der Titel des europäischen Spielfilmwettbewerbs beim diesjährigen Filmfestival Münster (17.-21. Oktober). Acht Werke – vom Thriller über Musikfilm bis zum Sozialdrama – zeigen alle Aspekte von Arbeit – auch Liebe und Freundschaft, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit und zeichnen sich durch ihre künstlerische Originalität aus. Der Regiepreis ist mit 10.000 Euro dotiert. Das komplette Programm des 12. Filmfestivals Münster ist unter:
http://www.filmfestival-muenster.de abrufbar.
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Old Joy von Kelly Reichhardt, USA 2005
Vorbei an der größten Favela Südamerikas, die wunderbar schimmernd am Hang über dem Meer liegt, rast unser Taxi in einen Vorort, der von der reichen Mittelklasse Rios bewohnt wird. Dort nur die üblichen Rio Plattenbauten (die Armen wohnen in dicht gedrängten Minihäusern, Platte heißt hier Wohlstand) Zwischen den Nobelplatten des Retortenviertels am südlichen Ende der Stadt kommt eine Shopping Mall nach der nächsten und Großrestaurants an der 6spurigen Ausfallstraße. Der Taxista will uns überreden in eine ihm bekannte Riesenmall zu fahren, da gäbe es auch viele Kinos. Von Festival do Rio hat er gehört, mehr aber auch nicht. Wir stehen schließlich in einer kleinen Mall und sind lange die einzigen, die den Film
Old Joy sehen wollen. Und das eigentlich auch nur, weil der von uns geschätzte Musiker
Will Oldham, alias Bonny Prince Billy dort seine erste Hauptrolle spielt. Und dann kurz vor Beginn finden sich noch etwa 10 andere - entweder Fans oder Filmbuffs oder vom Vorort Gelangweilte - hier ein, die diesen kleinen Indiefilm sehen wollen in dem auf etwa 13 Grad runtergekühlten, überdimensionierten Saal.
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Da tragen Leute Surfbretter durch die Straßen, da sind die Bikinis und geshapten bodys, da sind die Caipies und die Sonne und die Wellen und Zuckerhut und alles, was man so erwartet in Rio. Was man nicht erwartet: das Rio Filmfestival, eins der größten in Südamerika. 15 tage 300 Filme aus aller Welt (aus Deutschland u.a. Yella, Eichmann, Das Fräulein, der Dani Levi Hitlerfilm, eine Doku über die frühen Jahre von Wim Wenders, der auch schon auf der Berlinale lief) die Cannes und Venedig Gewinnerfilme, dazu andere Festivalfilme der zweiten reihe aus Toronto, von der Berlinale usw. Ältere Arthouseware und ein paar frische Indies und Festivalfilme.
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