THE DINNER von Oren Moverman (Berlinale 2017)

Kain und Abel beim Sternekoch

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Zwei Brüder treffen sich samt Gattinnen in einem Nobelrestaurant, um beim Essen über den Umgang mit einem Verbrechen zu beraten, das von ihren heranwachsenden Söhnen verübt wurde. Während der jüngere Bruder Paul ein auch im Privatleben unablässig vor sich hin dozierender ehemaliger Geschichtslehrer ist, hat der ältere Bruder Stan als Politiker Karriere gemacht und steht kurz vor einer wichtigen Abstimmung. Dazu kommen noch die zwei Ehefrauen, die sich nicht ausstehen können.

Die elitäre Welt der Spitzengastronomie, mühsam überdeckte Familiengeheimnisse, ein aalglatter Politiker vor der Wahl zum Gouverneur, ein Bruderkonflikt von fast alttestamentarischen Ausmaßen und eine sinnlose Gewalttat, verübt von scheinbar wohlbehüteten Jugendlichen. Eigentlich bietet „THE DINNER“ ausreichend Zutaten für eine packende Story. Dass es Oren Moverman trotz guter Ansätze nicht gelingt, daraus einen überzeugenden Film zu machen, liegt vor allem an seiner zerfaserten Erzählweise, die es nicht schafft, die Konflikte konsequent zuzuspitzen. Zu viele Erzählstränge werden kurz aufgegriffen und dann nebeneinander hergeführt. Zwiespältig ist auch die Wahl der Darsteller für die beiden Hauptfiguren. Während Steve Coogan als der jüngere Bruder Paul Lohmann die Entwicklung seiner anfänglich sympathisch zynischen Figur hin zum psychisch angeschlagenen Misanthropen glaubhaft verkörpern kann, agiert sein Gegenpart Richard Gere als der ältere Bruder Steve blutleer und eindimensional.

Overmanns Film wechselt gekonnt zwischen den Zeitebenen und arbeitet mit Rückblenden sowie akustischen und farblichen Stilmitteln. Auch die Erzählperspektive verändert sich mehrfach und große Teile der Story werden von einer unermüdlich dozierenden Off-Stimme aus Sicht des jüngeren Bruders Paul kommentiert. Während es durchaus reizvoll ist, wie sich auf diese Weise erst nach und nach die gesamte Geschichte entfaltet, bleibt die Bedeutung manch anderer Kunstgriffe unklar. Welchen Sinn z.B. eine langatmige Sequenz hat, die in farblich verfremdeten Bildern den Besuch des Brüderpaars bei der Gedenkstätte zur Schlacht von Gettysburg zeigt, erschließt sich nicht. Anfangs überzeugt auch die Darstellung der blasierten Parallelwelt eines Spitzenrestaurants samt ihren lächerlichen Auswüchsen. Doch trotz dieses interessanten Settings verkommt die Story immer mehr zur Beliebigkeit und kann langfristig nicht fesseln. Verfolgt man zunächst gespannt, wie zwischen den exquisiten Gängen des Nobelmenüs die Konflikte der Familie ausgebreitet werden und jeder jeden belügt, weicht dieses Interesse nach und nach. Mit zunehmendem Verlauf des Films verliert sich die Handlung immer mehr in einer ermüdenden Debattierstunde über Schuld und Verantwortung, der auch der unglaubwürdige Showdown kein Leben einhauchen kann. Ohne die Romanvorlage von Herman Koch zu kennen, bleibt die Hoffnung, dass der Griff zum Buch hier die bessere Alternative sein könnte.

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Titel

Orignaltitel

The Dinner

Credits

Regisseur

Oren Moverman

Schauspieler

Steve Coogan

Richard Gere

Rebecca Hall

Laura Linney

Chloë Sevigny

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2016

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