Berlinale 2015: MR. HOLMES von Bill Condon

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Sherlock ist in die Jahre gekommen. Mit 93 Jahren wird selbst sein so messerscharfer Verstand allmählich alterstrübe. Namen und Ereignisse entfallen ihm, und der elegante Spazierstock ist nicht länger nur eitles Zierwerk, sondern notwendiges Hilfsmittel. Inzwischen lebt er zurückgezogen auf seinem Landsitz in Sussex, alles könnte friedlich und entspannt sein – doch die Geister der Vergangenheit lassen dem Meisterdetektiv keine Ruhe. Eine schwere Schuld lastet auf seinem Gewissen. Leider kann er sich bei aller Seelenqual nicht mehr erinnern, warum dies so ist. Mit MR. HOLMES ist Bill Condon ein wunderbarer Film über das Altern, über Fakten und Fiktion, Einsamkeit und Nähe gelungen. Obwohl er ein würdiger Kandidat um den einen oder anderen Bären gewesen wäre, läuft der Film im Wettbewerb außer Konkurrenz.

Sehr gerne schaut man diesem alten Gentleman dabei zu, wie er sich liebevoll um seine Bienenstöcke kümmert, kopfschüttelnd im Kino sitzt, wenn mal wieder eine Verfilmung seiner Erlebnisse die Wahrheit auf den Kopf stellt, oder wenn er sich scharfzüngige Rededuelle mit seiner Haushälterin liefert. Ian McKellen, der zuletzt als Gandalf in DER HERR DER RINGE Triumphe feierte, gibt seinem Ex-Detektiv genau die richtige Mischung aus Alterwürde und Verschmitztheit, an der man sich nicht satt sehen kann. Laura Linney ist eine vom Leben gezeichnete, aber äußerst bodenständige Haushälterin, und der kleine Milo Parker lässt als ihr aufgeweckter Sohn nur Gutes für seine weitere Filmkarriere hoffen. Zu diesem Jungen hat Holmes auch die einzige engere emotionale Beziehung, in seiner Gegenwart öffnet er sich gegenüber den eigenen Gefühlen.

Der Plot dreht sich letztlich um zwei Fälle aus Holmes’ Vergangenheit, deren Rekonstruktion für sein eigenes Seelenheil und das eines jungen Japaners existentiell ist. Spannend wie ein Krimi wird gezeigt, wie Wunsch und Wahrheit sich vermischen, wie schwierig es mitunter ist, sich zu erinnern, wenn zu vergessen gnädiger wäre, und wie manchmal eine Lüge zur rechten Zeit den bitteren Fakten vorgezogen werden sollte. Dies alles ist schwungvoll erzählt, in gekonnten Dialogen umgesetzt und einfallsreich bebildert. MR. HOLMES ist ein wahrer Genuss. Und das ist ein Faktum, Watson!

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Titel

Orignaltitel

Mr. Holmes

Credits

Regisseur

Bill Condon

Schauspieler

Laura Linney

Ian McKellen

Hattie Morahan

Milo Parker

Hiroyuki Sanada

Kamera

Tobias Schliessler

Land

Flagge Vereinigtes KönigreichVereinigtes Königreich

Jahr

2014

Dauer

103 min.

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