MINAMATA von Andrew Levitas (Berlinale 2020)

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Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt Regisseur Andrew Levitas in MINAMATA, wie der bekannte Kriegsfotograf W. Eugene Smith zusammen mit den Bewohnern der japanischen Kleinstadt Minamata gegen einen Chemiekonzern kämpft, der die Umwelt mit Quecksilber-Emissionen vergiftet hatte. Das Quecksilber, dass von dem Chemiewerk seit den fünfziger Jahren in die Luft und die örtlichen Gewässer eingeleitet worden war, hatte zwanzig Jahre später zu chronischen Vergiftungen und schrecklichen Missbildungen bei den Bewohnern der Region geführt. Der verantwortliche Konzern reagierte mit allen auch heute noch üblichen Taktiken, die über die Leugnung der eigenen Verantwortung, das Herunterspielen der Tatsachen bis zur Einschüchterung der Betroffenen reichen.

Der Film setzt mit seiner Handlung 1971 ein. Die junge Japanerin Aileen wendet sich in New York an den ehemals prominenten Kriegsfotografen W. Eugen Smith, um ihn für eine große Fotoreportage über den Quecksilber-Umweltskandal in ihrer Heimat zu gewinnen. Smith ist in Levitas Film ein abgehalfterter, mit seinem Leben hadernder Misanthrop, der mit Alkohol zugedröhnt in einer heruntergekommenen Wohnung lebt. Nach anfänglichem Zögern erklärt sich Smith schließlich bereit, den Reportagenauftrag in Minamata anzunehmen und mit Aileen zusammen nach Japan zu reisen. Die Konfrontation mit dem Leid der Bevölkerung und der Ignoranz der Verantwortlichen führt bei ihm nach und nach zu einer persönlichen Veränderung.

Die Hauptrolle des W. Eugene Smith wird sehr glaubhaft von Johnny Depp verkörpert, der im Film optisch kaum wiederzukennen ist. Depp verschmilzt völlig mit seiner Rolle und zeigt alle Facetten seiner schauspielerischen Fähigkeiten. Obwohl MINAMATA in einer vordigitalen Zeit spielt, in der sich der Fotojournalismus noch nicht mit dem Vorwurf der künstlichen Verfremdung von Realität konfrontiert sah, wird klar, dass es schon damals nicht darum ging, die Wirklichkeit einfach abzulichten. Eugene Smith weiß als echter Profi ganz genau, welche Bilder vom Elend der Menschen sich besonders gut verkaufen lassen. Erst allmählich lernt er in Japan, die dortige Kultur zu respektieren und den Opfern mit Achtung und Respekt zu begegnen. Irgendwann ist er dann nicht mehr nur ein Außenstehender, der durch die Kamera das ihn umgebende Elend beobachtet, sondern er wird selbst ein Teil der Protestbewegung.

Die Erzählstruktur von MINAMATA folgt dem altbekannten Muster der Läuterung eines abgehalfterten Zynikers hin zum idealistischen Menschenfreund, ist aber absehen von einigen Griffen in die Klischeekiste durchaus spannend. Ärgerlicher ist dagegen, dass der westliche Journalist aus New York im Laufe der Handlung manchmal zu stark als Retter der japanischen Landbevölkerung hochstilisiert wird. Auch die Darstellung der Firmenleitung des Chemiekonzerns gerät etwas holzschnittartig. Dennoch hat der Film auch positive Aspekte. In erster Linie und vor allem die Besetzung der Hauptrolle mit Megastar Johnny Depp bietet eine Garantie dafür, dass der nicht leicht zu konsumierende Stoff über die schrecklichen Folgen eines Umweltskandals ein großes Publikum erreichen kann. Dies allein ist bereits anerkennenswert. Im Abspann wird dann an die vielen weitere Umweltverbrechen weltweit erinnert und ein aktueller Bogen bis in die Gegenwart gespannt. MINAMATA ist zwar filmisch ein eher konventionelles Werk geworden, der thematische Fokus bringt aber einen fast vergessenen Umweltskandal wieder ins Bewusstsein und zeigt, wie es Betroffenen gelingen kann, ihre Rechte gegen scheinbar übermächtige Gegner in Wirtschaft und Industrie durchzusetzen.

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Titel

Orignaltitel

Minamata

Credits

Regisseur

Andrew Levitas

Schauspieler

Minami

Johnny Depp

Bill Nighy

Hiroyuki Sanada

Land

Flagge Vereinigtes KönigreichVereinigtes Königreich

Jahr

2020

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