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24.04.05

22:11

Meisterklasse mit Danny Boyle - Teil 2

Nach der Vorführung von "Come and See" warte ich gespannt auf die Erklärung von Danny Boyle, warum er gerade diesen Film ausgesucht hat. Der Film habe so Boyle großen Einfluss auf ihn gehabt. Die technische Machart, insbesondere die Soundabmischung sei einzigartig. Wie der Junge Florian nach einem Bombenabwurf sein Gehör verliert und sich alles um ihn herum in eine chaotische Soundcollage verwandelt, ist in der Tat ein meisterhaftes Sinnbild für den Schwindel des Krieges. Ich hätte aber auch nichts dagegen gehabt, wenn Danny Boyle einen seiner anderen drei Filme genommen hätte, die er in Erwägung gezogen hat (Buffalo Soldiers, Open Range von Kevin Costner oder The Thing von John Carpenter).
Das Publikum im Saal besteht aus Filmliebhabern und angehenden Filmschaffenden. Bereitwillig beantwortet Danny Boyle ihre Fragen.

Ob er sich während der Dreharbeiten auch ab und zu "absolutely lost" fühle?
"Ja, klar. Jeden Tag. Aber am nächsten Morgen denke ich mir wieder: Du bist ein Genie. Ich glaube in diesem Gleichgewicht muss es sich halten".

Gibt es Trainspotting Teil zwei?
"In der Tat wollen wir eine Fortsetzung von Trainspotting drehen. Es ist doch interessant zu sehen wie sich bei den Hauptcharakteren von Trainspotting ihr Lebensstil auswirkt, wenn sie nicht mehr jung und frisch sind und die 40 erreichen. Leider achten die Schauspieler aus Trainspotting zu gut auf ihr Äusseres. Sie sehen noch genau so aus wie früher. Also müssen wir noch zehn Jahre warten."

Seine Haltung zu Adaptionen?
"Wir haben eine gute Adaption gemacht, Trainspotting, und eine weniger gute, The Beach. Ich glaube Trainspotting war deshalb besser, weil wir das Buch von Irvine Welsh so nicht verfilmen konnten und es komplett umgearbeitet haben."

Bleibt Danny Boyle Grossbritanien erhalten?
"Ich liebe Britain. Ich muss zwar ab und zu geschäftlich nach L.A., aber ich hasse L.A. Ich könnte da nie leben. Ich vermisse die Jahreszeiten. In L.A. ist jeder Tag gleich. Jeder Tag ist wie eine Photokopie von gestern. Wenn man wirklich ganz große Projekte machen will, dann muss man in L.A. wohnen. Doch das ist eh nichts für mich, das habe ich bei The beach gemerkt. Ich fühle mich wohler 'below the radar'."

Wie steht es mit der britischen Filmindustrie?
"Es ist zur Zeit sehr schwierig. Das meiste Geld kommt heute aus den USA. Wenn wir hier die Gehälter in britischen Pfund auszahlen, dann verlieren wir viel durch den ungünstigen Umtauschkurs vom Dollar in den Pfund. Wir weichen daher oft aus z.B. in die Peter Jackson Studios nach Australien, des Umtauschkurses wegen. Viele Projekte werden daher abgesagt ... und es gibt Gerüchte. Es gibt Gerüchte das wir die Harry Potter Filme verlieren und das auch die nächsten Bond Filme nicht mehr in UK gedreht werden. Das wäre ein harter Schlag für die britische Filmindustrie."

Danny Boyle ist ein guter Plauderer. Mindestens genauso gut ist der Moderator, Jason Solomons. Man wünschte sich der Filmkritiker würde für einige deutsche Filmfestivals Moderationskurse geben.

Autor: xchange 24.04.05 22:11 | Kommentare (2)

22:11

Meisterklasse mit Danny Boyle - Teil 1

Die Meisterklassen des Festivals scheinen immer für eine Überraschung gut zu sein. Heute stand die Meisterklasse mit Regisseur Danny Boyle (u.a. "Trainspotting", "The Beach", "24 hours later") an. Im Programm war angekündigt, dass er einen seiner Filme mitbringt. Ich komme zu spät zum Beginn der Veranstaltung ... höre nur noch wie sich Danny Boyle für irgendetwas entschuldigt und sagt nach den 2,5 Stunden Film gäbe es eine kurze Pause. Ups....2,5 Stunden..ok....die letzte Vorstellung auf der Berlinale war für mich Heavens Gate. Michal Chiminos Film ging über vier Stunden und mir war nie langweilig. Der Film beginnt. Erst einmal der für britische Kinos obligatorische Hinweis auf die Altersfreigabe: ab 15, Titel des Films "Come and see". Noch nie gehört, das Danny Boyle einen Film mit diesen Titel gemacht hat. Erste Szene: zwei Jungen auf einem Schlachtfeld. Tippe auf zweiten Weltkrieg. Sie rauben den Kadavern ihre Gürtel. Einer der Jungen findet ein Gewehr. Sie reden russisch. Als dann auch der Vorspann in russisch ist, schwant mir, dass dies definitiv nicht ein Film nicht von Danny Boyle ist. Statt dessen folgt ein 2,5 stündiger russischer Kriegsfilm. 2,5 Stunden harte Kost. 2,5 Stunden wie der Junge Florian in den russischen Partisanenkampf gegen die Deutschen eingebunden wird. 2,5 Stunden Greueltaten der deutschen Wehrmacht: wie sie sein ganzes Dorf massakrieren und wie sie gut gelaunt, Jodelmusik von Plattenteller im Hintergrund, Kinder und Frauen in Ställe treiben, um diese dann anzuzünden. Mir wird ungemütlich. Fange an mich zu ärgern. Die Grausamkeit der deutschen Kriegsführung in Russland ist belegt. Trotzdem hilft die absolute Dämonisierung, die Entmenschlichung in der Darstellung der Deutschen kein wenig in der Klärung, wie es zu so etwas kommen kann. Vielleicht ist das auch überhaupt nicht das Anliegen des Films. Ganz sicher ist es nicht der Grund, warum Danny Boyle den Film ausgesucht hat. Ich ärger mich trotzdem.
Technisch ist der Film innovativ...keine Frage. Der Film findet seine eigenen, aussergewöhnlichen Mittel Trost- und Hoffnungslosigkeit des Krieges für die russische Landbevölkerung darzustellen. Innovativ hin oder her - ich bin heilfroh als die 2,5 Stunden vorbei sind. Ohne Vorwarnung hat mich der Film kalt erwischt.

Autor: xchange 24.04.05 22:11 | Kommentare (0)