Foto: Wolfgang Ennenbach
Dieser Film hat ein klares Programm. Gut gegen böse. Zart gegen wuchtig. Hier die sensible, talentierte und tapfere Dichterin und Schriftstellerin. Dort der stämmige Baum von Mann, ebenfalls Schriftsteller, aber nicht ganz so dünnhautig. Sie verlieben sich. Er unterdrückt sie. Sie leidet. Kämpft tapfer um Selbstbestimmung. Scheitert. Dass diese Lesart der komplizierten Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch nicht gerecht wird: geschenkt. Das ist künstlerische Freiheit oder auch Interpretation. Dass es aber auch als Film überhaupt nicht funktioniert, ist schon eher das Problem. Dass so etwas Margarethe von Trotta passiert, ist verwunderlich und schade. Dass der Film im Wettbewerb läuft: Hätte jetzt nicht sein müssen.
Die Österreicherin Bachmann lernt den Schweizer Frisch 1958 kennen. Da ist er bereits ein etablierter Autor, sie wird bislang vorwiegend als Lyrikerin wahrgenommen. INGEBORG BACHMANN – REISE IN DIE WÜSTE erzählt die Liebesgeschichte vom Ende her. Da wird die von Vicky Krieps betont von innen heraus leuchtend gespielte Bachmann nach der Trennung von Frisch (gewichtig: Ronald Zehrfeld) von einem Albtraum gequält: Schrilles Telefonklingeln, am anderen Ende ist vermutlich Frisch, der auf ihre verzweifelten Fragen, ob sie sich sehen können, nur höhnisch lacht. Nach der Trennung erleidet Bachmann einen Zusammenbruch, von dem sie sich nur langsam wieder erholt. Ein Teil der Therapie ist eine Reise in die ägyptische Wüste, begleitet von einem jungen Wiener Schriftsteller.
Foto: Anna Krieps
Die Regisseurin verwebt die Rahmenhandlung um die Reise mit Rückblicken auf das Beziehungsdrama. Problem Nummer eins: Es wird nun beim besten Willen nicht klar, was die Film-Bachmann an dem Film-Frisch attraktiv oder gar faszinierend findet. Da hilft auch keine Bachmannsche Erklärung im Nachhinein, dass sie wohl unterbewusst nach einem Mann gesucht habe, der so etwas wie Sicherheit verkörpere. Im Film funkt es einfach nicht. Zweites Problem: Krieps und Zehrfeld sind wunderbare Darsteller, aber der Film gibt ihnen keine Chance. Krieps darf in schicken Kleidchen rumlaufen, abwechselnd strahlen und in sich zusammenfallen, und zwischendurch süße römische oder ägyptische Kinder herzen. Zehrfeld nuckelt an der Frisch-Pfeife, rückt seine dickrandige Brille zurecht, schwitzt, wird in schicke römische Anzüge gezwängt und muss ansonsten den bösen Spießer mimen, der von seiner Frau erwartet, dass sie kocht und putzt und ja nur keine anderen Verehrer hat. Das ist so klischiert, dass es einem in der Seele wehtut.
Foto: Wolfgang Ennenbach
Weltläufigkeit (Berlin! Paris!! Rom!!!) wird hier nur behauptet, Paris ist ein kitschiger Postkartenhintergrund auf einer Brücke, in den Rom-Szenen wird selbst das so typische warme römische Licht nicht überzeugend eingefangen, von der generellen Atmosphäre dieser Stadt ganz zu schweigen. Das ist umso problematischer, da Ingeborg Bachmann sich wiederholt aus der von Frisch geprägten Enge am Zürichsee in ihre Wahlheimat Rom flüchtete, um durchatmen zu können.
Tja, und dann die Wüste. Die ist immer toll und liefert eindrucksvolle Bilder. Und tatsächlich kommt einem hier die Bachmann-Figur zum ersten Mal wirklich nahe – in ihrem Drang nach Weite und Freiheit – und auch in ihrem Zwang, sich schmerzhaft zu hinterfragen. In einer Szene will sie im Sand eingegraben werden („Ich will wissen, wie sich eine Mumie fühlt“) und kommt dabei fast um vor Angst. Letztlich können aber diese wenige Szenen nicht ausgleichen, was im Grundkonzept des Films verquer liegt. Ganz zu schweigen von der peinlichen Inszenierung eines flotten Dreiers (so nannte man das in den 1950er-Jahren), die wohl in ästhetisch hochwertiger Weise sexuelle Freiheit darstellen soll, aber eher wie Softporno für ganz Arme daherkommt.
Foto: Anna Krieps
Margarethe von Trotta ist ganz offensichtlich fasziniert von der Figur der Ingeborg Bachmann, von ihrem literarischen Gespür und ihrer Persönlichkeit. Die Regisseurin hat oft genug bewiesen, dass sie großartige Filme über widersprüchliche Frauenfiguren kann (zum Beispiel „Hannah Ahrendt“ oder „Die bleierne Zeit“). In diesem Fall aber leider nicht. Vielleicht sollte man stattdessen mal lieber wieder Bachmann lesen. Oder Frisch. Der ist nämlich auch nicht schlecht. So als Schriftsteller.