Begehren, Verführung, Lust, Kontrolle, Geschlechterrollen - menschliches Verhalten und erst Recht menschliche Beziehungen sind kompliziert. Wo Vögel nur vögeln, (und so simpel ist es auch nicht, wie uns ein Evolulionsbiologe erklärt) ist bei uns Menschen jede Geste mit Bedeutung aufgeladen.
Luise Donschens Filmessay CASANOVAGEN begibt sich auf die Suche nach dem Casanova-Gen, der Disposition zum Fremdgehen, das nach Ansicht des bereits erwähnten Biologen bei seinen Finken vom promisken Vater auch an die Töchter weitergegeben kann. Und das obwohl die Weibchen nach Ansicht des Wissenschaftlers „keine evolutionären Vorteile vom Fremdgehen haben". Vielleicht ein bisschen Spaß, dachte ich mir hoffnungsfroh im Kinosessel. Aber das ist angesichts der Dauer der Sittich-Kopulation - zwei Sekunden - vielleicht eine zu steile These. Ich hoffe trotzdem weiter.
Donschen spürt dem Casanova-Gen auf mäandernden Wegen nach. Es ist nur der Anlass für das Beobachten von Beziehungssituationen und Ritualen: Beim Karneval in Venedig, im Dominastudio oder beim Abendmahl im Kloster. Ein Interview mit John Malkovic, der sich nach seinem Bühnenauftritt als Casanova abschminkt und zwischen seiner Rolle und seiner Person changiert. Spielende Kinder im Wald, Balzszenen in einer Kneipe. Was sagt das über unsere Interaktionen und unsere Wünsche? Wie sind die Rollen verteilt, was ist männlich, was ist weiblich?
Diese teils dokumentarischen und teils inszenierten filmischen Motive haben so viel oder sowenig miteinander zu tun, wie es die Assoziationen der Zuschauer zulassen. CASANOVAGEN lässt dafür genug Raum und ist so interessant und dicht erzählt (Länge 67 Minuten) dass ich mich gerne darauf eingelassen habe. Zumal das Ganze Humor hat.
© Helena Wittmann