Mann dreht durch
Für Georg Endl läuft es gerade gar nicht gut. Der gleichsam geachtete wie gefürchtete Musikkritiker einer Wiener Tageszeitung wird von einem Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt. Dass jetzt kein einziger Redakteur mehr eine Oper von einem Singspiel unterscheiden kann, ist dabei egal. Der aalglatte Chefredakteur, der die Sparmaßnahme vollzogen hat, steht von nun an ganz oben auf Georgs Hassskala. Sein Tunnelblick hat nurmehr ein Ziel: Rache. Georgs Frau Johanna, Psychologin mit leicht erhöhtem Rotweinverbrauch, erfährt von all dem nichts; ihr Fokus liegt auf dem Last-Minute-Kinderkriegen. Josef Hader, österreichischer Kabarettist, Autor und Schriftsteller, hat mit seinem Regiedebut WILDE MAUS eine rasante und bitterböse Tragikomödie über die Angst vor dem sozialen Abstieg vorgelegt. Drehbuch und Hauptrolle hat er gleich mit übernommen. Das Ergebnis ist phänomenal: Plot und Timing, Dialoge und Bilder, Schauspieler und Regie – hier stimmt einfach alles. Getragen wird der Film von einem abgründigen und intelligenten Humor, der Hader-Fans wohlbekannt ist.
Je nach Situation changiert Georg gekonnt zwischen arrogantem Arschloch, Choleriker, Weichei und Hypochonder, und wenn es sein muss, kann er seiner Frau gegenüber einen herzerweichenden Dackelblick aufsetzen. An Johanna, herrlich kantig von Pia Hierzegger gespielt, prallen solche lahmen Versuche jedoch völlig ab. Die Streitereien der beiden – großartige Dialoge! – erinnern an das Gezänk von Kindern und widersprechen jeglichen Grundregeln der ergebnisorientierten Kommunikation, wie sie Johanna in ihrem Beruf täglich zu vermitteln sucht. Unter dem dünnen Firnis der liebevollen Beziehung lauern eiskalte Berechnung, purer Egoismus und feige Lüge. Das ist zutiefst böse und komisch zugleich.
Etwas Trost findet Georg einzig und allein im Prater, wo er beim heimlichen Zeit-Totschlagen auf einen alten Schulkameraden trifft, mit dem er sich gemeinsam an den Wiederaufbau einer legendären alten Achterbahn macht, der „Wilden Maus“. Dort oben, über den Lichtern Wiens, die Nase im Wind, kann Georg endlich wieder durchatmen. Ein kühlen Kopf bekommt er davon jedoch nicht. Mit seinem neuen Freund, der nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens steht (Paraderolle für Georg Friedrich!) hat er einen Verbündeten gefunden, und bald wachsen sich kleinere Sachbeschädigungen zu einem echten Racheplan aus.
Dass das nicht gut gehen kann, ist klar. Allein, wie es nicht gut ausgeht, ist eine Überraschung. Was wir sonst noch zu sehen bekommen: einen nackten Mann im Schnee, die rumänische Methode, für den heimischen Terrassenbau vorzusorgen, Dennis Moschitto in einer wunderbaren Nebenrolle und – natürlich – die „Wilde Maus“ in Aktion.