EINZELKÄMPFER von Sandra Kaudelka

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EINZELKÄMPFER heißt Sandra Kaudelkas Dokumentarfilm über die vier Spitzenathleten Brita Baldus, Udo Beyer, Ines Geipel und Marita Koch. Alle vier Sportler waren in der DDR erfolgreich, Beyer und Koch holten Olympisches Gold im Kugelstoßen beziehungsweise im 400-Meter-Lauf. Trotzdem sind die Geschichten der Sportler verschieden: Beyer und Koch waren Stars, Koch sogar schlicht die beste 400-Meter-Läuferin aller Zeiten. Die Sprinterin Ines Geipel dagegen wollte sich 1984 aus der DDR absetzen. Diese Pläne aber wurden an die Stasi verraten, so dass sie von einem Tag auf den anderen aus dem Leistungssport ausgeschlossen wurde. Die Wasserspringerin Brita Baldus wiederum holte ihre größten Erfolge nach der Wiedervereinigung: Sie wurde Dritte bei den Weltmeisterschaften 1991 und bei den Olympischen Spielen 1992. 1991 und 1993 wurde sie Europameisterin vom Drei-Meter-Brett. Einen Titel, den sie schon 1983 für die DDR geholt hatte. Sie alle haben auch heute ganz verschiedene Meinungen zum Leistungssport und den Unterschieden zwischen damaliger DDR und dem heutigen Deutschland.

Was EINZELKÄMPFER noch besonders macht, ist die Tatsache, dass die Regisseurin eine angehende Leistungssportlerin war. 1977 in Leipzig geboren kam sie in der 4. Klasse auf die Jugendsportschule „Ernst Thälmann“. Sie war eine widerwillige aber sehr gute Wasserspringerin: Sandra Kaudelka wurde bei der Spartakiade 1987 Vizemeisterin und 1988 DDR-Meisterin ihrer Altersklasse.

Wenn es um DDR-Sport geht, ist der Elefant im Raum, über den jeder eine eigene Meinung hat, das Doping. Beyer hat gedopt, gibt das auch zu und findet es auch nicht weiter problematisch. Ines Geipel hat befürchtet gedopt zu werden und hat sich das auch gerichtlich bestätigen lassen: Sie war 2000 Nebenklägerin im Hauptprozess zum DDR-Zwangsdoping in dem Manfred Ewald, von 1961 bis 1988 Vorsitzender des Turn- und Sportbundes der DDR, „wegen Beihilfe zur Körperverletzung zum Nachteil von 20 Hochleistungssportlerinnen, denen ohne ihre Kenntnis mit der Folge von Gesundheitsschäden und -gefährdungen Anabolika verabreicht worden waren, unter Vorbehalt einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung - nach dem milderen Tatzeitrecht der DDR (§ 33 StGB-DDR)“ verurteilt wurde – so ein Auszug aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs. Marita Koch sagt zum Thema Doping, das was sie schon immer gesagt hat, – nämlich nichts. Und Brita Baldus geht davon aus, dass Doping im Wasserspringen keinen Sinn macht. Verbotene Leistungssteigerung war selbstverständlich kein „DDR-Problem“. Beyer trat gegen den West-Berliner Ralf Reichenbach an, der 1987 zugab, gedopt zu haben. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Mindestens genauso interessant wie die Diskussion um Spritzen, Pillen etc. ist, wie der Film die Unfreiheit der Spitzensportler aufdeckt. Auch hier sind die einzelnen Meinungen unterschiedlich, aber Kaudelka kann am eigenen Beispiel und in Bildern belegen, wie vergeblich ihre eigene Weigerung war, weiter am DDR-Leistungssystem teilzunehmen – ganz zu schweigen von den schrecklichen Folgen unter denen Ines Geipel und viele andere heute noch leiden. Der Mauerfall bedeutete wenigstens für Kaudelka in ihren eigenen Worten „die Freiheit vom ungeliebten Sport“. EINZELKÄMPFER ist ein Film, den jeder sehen sollte, der heute gerne Sport im Fernsehen guckt. Ich glaube nicht, dass der Leistungssport heute anders funktioniert als vor 1989 und ich glaube auch nicht, dass der Film irgendetwas daran ändern wird. Der Film treibt den letzten Rest an naiver Sportbegeisterung aus – gut so. Eine breite Diskussion zu dem Thema Doping und Selbstbestimmung im Sport, wäre eine angenehme Folge der Dokumentation, ist aber leider wenig wahrscheinlich.

EINZELKÄMPFER zeigt auch, wie unterschiedlich die Leben nach der Karriere verlaufen sind: Brita Baldus sagt, dass sie Schwierigkeiten hat, finanziell über die Runden zu kommen. Halt geben ihr heute Glaube und Gesang. Udo Beyer hat ein Reisebüro in Potsdam und Marita Koch ein Sportgeschäft in Rostock. Ines Geipel ist Schriftstellerin und Professorin an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin. Und Sandra Kaudelka, der die Karriere als Leistungssportlerin erspart blieb, macht gute Filme.

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Titel

Orignaltitel

Einzelkämpfer

Englischer Titel

I will not lose

Credits

Regisseur

Sandra Kaudelka

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2013

Dauer

93 min.

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