Festivalblog-Interview: Sandra Trostel über UTOPIA LTD

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Sandra Trostels erster langer Film UTOPIA LTD ist eine Dokumentation über das Musikgeschäft, die am morgigen Freitag um 19.30 Uhr im Cinemaxx 3 die Perspektive Deutsches Kino eröffnet. Sie hat die ersten Karriereschritte der jungen Hamburger Band 1000 Robota fast zwei Jahre lang begleitet. Herausgekommen ist ein spannender Film über drei Jungs, denen Musik noch etwas bedeutet und eine interessante Momentaufnahme von Jugendkultur und Pop-Musik in der Klemme zwischen Kunst und wirtschaftlichen Zwängen. Festivalblog hat die Filmemacherin interviewt.

Warum wolltest Du einen Film machen, der sich mit 1000 Robota beschäftigt?
Das war eigentlich Zufall. Ich habe sie zum ersten Mal bei einem Konzert gesehen, als sie als Vorband von Superpunk gespielt haben. Das war auch eines ihrer ersten Konzerte. Sowas hab‘ ich lange nicht gesehen – sowas Energetisches, Anklagendes, frei Rausgesprochenes. Einfach die Art, wie sie sich gegeben und auf der Bühne verhalten haben und die Texte ihrer Lieder.

Die waren einfach anders?
Ja. Deswegen ist der Film auch kein Bandportrait, er geht viel weiter. Die Robota sind ein Beispiel für viele andere in der Gesellschaft. In ihnen kann sich jeder wiederfinden, wenn er will.

War die Idee, mit der Gruppe einen Film zu machen, gleich von Anfang an da?
Das kam wirklich ganz spontan aus dem Bauch heraus. Dann habe ich ungefähr drei Wochen darüber nachgedacht und dabei wurde mir auch klar, warum ich die Robota so gut finde, was mich an ihnen interessiert und was mich so fasziniert hat. Danach habe ich mit ihnen Kontakt aufgenommen, wir haben gesprochen und so hat sich auch das Thema des Films weiter entwickelt.

Wie schreibt man für so einen Film eigentlich ein Buch?
Das ist eine gute Frage. Normalerweise schreibt man für so einen Film am besten gar kein Buch. Aber das wird ja gewünscht. Man muss das machen um Fördergelder beantragen zu können. Das ist bei so einem Film sehr schwierig. Ich kann zwar das übergeordnete Thema beschreiben, aber ich kann ja nicht vorher festlegen, was passiert. Ich lehne es vollkommen ab, etwas zu schreiben und die Protagonisten dann in eine bestimmte Richtung zu drücken. Das wäre Manipulation und das finde ich für diese Art der Dokumentation verwerflich.
Als Filmemacherin habe ich meinen Protagonisten gegenüber eine Verantwortung - man muss seine Protagonisten lieb haben. Wenn ich vorher alles aufschreibe und dann meine Fragen stelle, habe ich einen „Talking Heads“-Film, der nur über die Vergangenheit erzählt. Ich wollte aber dabei sein. Das hat auch die Finanzierung schwierig gemacht. Das war ein schwieriger Drahtseilakt, das überhaupt in der Form hinzukriegen.

War denn dein Dabeisein für die Band oder die damalige Plattenfirma „Tapete“ ein Problem?
Nee. Als ich damals zur Band gegangen bin und sie gefragt habe, ob ich einen Dokumentarfilm machen kann, haben die gedacht „Spinnt die eigentlich?“. Natürlich war das für sie einfach wahnsinnig aufregend. Ich glaube, in gewissen Momenten waren Sie auch ganz froh, dass wir dabei waren. Es kam von ihnen nie sowas wie „Jetzt will ich Dich nicht dabei haben“. Es kam höchstens mal ein „Jetzt mach‘ doch mal aus.“ Dann bin ich auch darauf eingegangen.

Auch der Konflikt zwischen der Band und der Plattenfirma, als sie sich im Studio gemeinsam die Aufnahmen anhören, ist ja mit im Film. Da spürt man schon die Spannung und die Frage, ob die Band ihre Vorstellung von der Platte – konkret soll der Song „Hamburg brennt“ auf das Album – durchsetzt oder nicht. [1000 Robota wollten den Song, der schon vorher auf einer EP erschienen war, nicht auf Platte haben und dabei blieb es dann auch.]
Das war eine ziemlich heftige Szene. Ich empfand das auch während des Drehs als Schlüsselmoment. Die Jungs sind sich da treu geblieben. Aber ich habe auch Tapete verstanden die müssen mit den gegebenen Umständen zurechtkommen und gucken, dass ihre Firma am Laufen bleibt. Das war interessant. Man kann gar nicht sagen „die verhalten sich richtig und die verhalten sich falsch“. Das zeigt eben auch wie jeder in der Mühle drinsteckt.

Eine interessante Essenz des Films ist für mich auch, dass die alte Regel im Musikgeschäft „Wenn Du mediale Aufmerksamkeit hast, hast Du Erfolg“ nicht mehr gilt. Hast Du das auch festgestellt?
Ja. Es gab um die Jungs einen großen medialen Hype, der sich so nicht erfüllt hat. Die Leute die darüber schreiben, sind ja älter – so zwischen 30 und 50. Die fühlen sich an ihre eigene Jugend erinnert. Auch jetzt nach der zweiten Platte habe ich das Gefühl, dass da viel älteres Publikum rumsteht, die Jüngeren sind weniger vertreten. Ich bin ja lange mit der Band unterwegs gewesen und habe viele kennengelernt, die so alt waren wie die Bandmitglieder - also 17, 18, 19 Jahre – bei diesem Publikum gibt es eine ungeheure Flüchtigkeit. Man klickt sich den ganzen Tag durch fünf Millionen Möglichkeiten. Nur wenige aus dieser Altersgruppe geben Geld für Musik aus, beziehungsweise wollen sich intensiv damit beschäftigen. Diejenigen, die die Band ansprechen wollte, sind nicht so auf die Musik angesprungen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Anton bei diesem ersten Konzert in Hamburg sagte: „Ey, hier sind ja nur alte Leute.“

Die Idee der Band ist ja „Hab Deine eigene Ideen mit uns gemeinsam“, wie Anton im Film sagt. Glaubt die Band, dass das funktioniert hat – ganz unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg?
Ich denke schon, dass sie sich eine eigene Welt geschaffen haben. Eine Jugendbewegung, eine Subkultur. Aber das ist eben doch sehr klein geblieben. Aber das, wovon sie geträumt haben, eine große Gruppe Jugendlicher zusammenzubringen, um gemeinsam "Nein!" zu sagen, das ist gar nicht mehr möglich. Sobald sowas aufkeimt, wird es aufgegriffen, vermarktet, ausgesaugt und wieder ausgespuckt. Diese Erfahrung hat die Band auch gemacht.

Hast Du da ein Beispiel?
Allein dass der „Bundesvision Songcontest“ [von Stefan Raab] auf die Band gekommen ist, die ja noch kaum jemand kannte. Das ist, wie wenn man sich bei H&M einmal durch die Regale kauft, da ist von jeder Zeit und jeder Idee etwas dabei…

Mich hat das gar nicht gewundert mit dem Bundesvision Songcontest. 1000 Robota hätten der Veranstaltung quasi künstlerische Legitimität verliehen. Die hätten sich mit einem Vertreter der Subkultur wieder einen neuen Markt erschlossen.
Genau deswegen hat es die Band am Ende ja auch abgelehnt. Wenn du deinen eigenen Weg gehen willst und deinen eigenen Kopf hast, wirst du als junger Musiker bei sowas nur verheizt. Das ist für gestandene Musiker wie zum Beispiel Peter Fox, Deichkind oder Fettes Brot was ganz anderes. Das Problem für 1000 Robota und andere junge Bands ist, dass sie gar keine Chance haben, sich zu entwickeln. Vielleicht kommen Leute auch dazu, darüber nachzudenken, wenn sie den Film sehen. Eine Band fällt eben nicht vollkommen vom Himmel. Heute soll sofort alles perfekt sein. Es gibt keine weiteren Chancen mehr, sich über zwei oder drei Alben zu entwickeln. Dadurch entstehen viele Dinge gar nicht mehr und das ist schade, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, Fehler zu machen und sich weiterzuentwickeln. Die Gesellschaft beschneidet sich ja selbst damit. Das ist nicht nur bei der Musik so.

Der Film zeigt aber auch, dass heute alles viel schneller geht. Heute kann jede Band, die ein paarmal aufgetreten ist, eine CD produzieren.
Das ist die Demokratisierung der Medien. Das ist beim Musikaufnehmen so, aber auch beim Filmemachen. Das ist einerseits was Gutes, weil jeder etwas machen kann, fernab von wirtschaftlichen Zwängen, aber andererseits wird der Markt überschwemmt und keiner hat mehr den Überblick. Ich selbst habe ja auch Schwierigkeiten mich mit neuen Sachen, ob jetzt Musik oder Film, angemessen zu beschäftigen, weil man alles nur noch schnell überfliegt und sich damit nicht mehr auseinandersetzten kann.

Was mir auch aufgefallen ist bei der Band, ist diese Tendenz, immer die eigene Rolle und den Bezug zur Gesellschaft zu reflektieren. Das gibt es ja bei vielen deutschen Bands. Ist das was typisch Deutsches?
Ja, das kann sein. Dieses Ernsthafte, aber das ist ja auch nicht so verkehrt. Aber die Jungs sind durch das, was sie erlebt haben, dazu genötigt worden.
Dazu beigetragen hat auch dass sie ständig mit Journalisten, die Fragen gestellt haben, konfrontiert waren. Häufig haben Sie vor den Konzerten gesagt „Jetzt sind schon wieder so viele Journalisten da, wo sind denn die Leute?“. Sie mussten dadurch auch lernen, sich auszudrücken und waren oft frustriert, dass Einiges falsch rüberkam und viele Journalisten immer nur alles voneinander abgeschrieben haben. Deswegen waren sie auch dankbar, dass wir als Filmteam uns über Jahre sehr intensiv mit ihnen beschäftigt haben. Dass wir sie kennen und sie auch verstehen. Deswegen sind sie auch glücklich über den Film und freuen sich über ihn. Und obwohl sie keine Heroes in dem Film sind, sind sie trotzdem stolz.

Das Gute an dem Film ist, dass sie mal sympathisch und mal unsympathisch rüberkommen, aber man versteht immer warum.
Das war auch mein Ziel. Ich wollte nicht werten, sondern zeigen was passiert. Natürlich ist es meine subjektive Wahl, was ich filme, aber die Verantwortung meinen Protagonisten gegenüber ist mir wichtig. Es ist klar, dass jeder mal was Falsches sagt oder sich daneben benimmt. Aber das wollte ich als Filmemacherin nicht werten. Jeder Zuschauer kann sich seine eigenen Gedanken machen.

Im Interview zum Film sagt Anton: „Heute ist mir die Musikindustrie nicht mehr wichtig und ich habe auch nicht das Gefühl, dass wir ein Teil davon sind“. Ist das eine Pose oder eine ernstgemeinte Aussage? Der Erfolg ist ihnen wirklich egal, solange sie zu ihren Bedingungen Musik machen können?
Ich glaube, das ist ehrlich. Sie haben jetzt mit Buback ein Label gefunden, das sie sehr unterstützt und sie auch machen lässt und ihnen Zeit gibt. Oben an steht für sie, sich selbst treu zu bleiben, seiner Kunst treu zu bleiben und das zu machen, was man machen möchte und sich nicht nach dem Markt zu strecken. Natürlich würden die sich freuen, wenn es zum Leben reicht, aber das ist heutzutage als Musiker immens schwierig.

Was bedeutet das denn für das Schaffen von Kunst im weiteren Sinn?
Kunst war immer ein Mittel, um Fragen zu stellen, Dinge infrage zu stellen und neue Gedanken und Bewegung zu produzieren. Der Film fällt in eine Zeit, wo so offensichtlich ist, dass sich alles nur nach dem Fluss des Geldes richtet und auf Wirtschaftlichkeit überprüft wird. Ich habe die Kunst oder die Musik als Beispiel genommen, weil man in 90 Minuten nicht die Welt erklären kann. Aber das lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen. So würde ich mir zum Beispiel wünschen, dass der Film dazu beiträgt, dass Förderinstitutionen oder öffentlich-rechtliche Fernsehsender darüber nachdenken, was uns diese Denkweise eigentlich bringt.

Das Interview führte Steffen Wagner.

Kommentare ( 1 )

Wunderbar reflektiert und genau Beobachtet ich freue mich auf den Film.

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