UTOPIA LTD von Sandra Trostel

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Robota unterwegs in Sachen Selbstverwirklichung

„Mach doch bitte mit, so macht doch bitte mit. Tanz doch bitte mit, so tanz doch bitte mit“ – singen 1000 Robota im ersten Song ihres Debütalbums von 2008. Das ist die Aufforderung, das ist das Programm. Denn die drei von 1000 Robota wollen etwas: Sie wollen eine neue Jugendbewegung entstehen lassen, von denen sie ihren Kindern später erzählen können. Größenwahnsinnig? Aber sicher! Warum soll man mit 17 und 18 – so alt sind Anton Spielmann, Jonas Hinnerkort und Sebastian Muxfeldt als sie zum ersten Mal in Studio gehen – auch nicht größenwahnsinnig sein?

Sandra Trostel war schon mit der Kamera dabei, bevor die Gruppe überhaupt ins Studio ging. Bei einem Konzert war sie von der Energie und der Präsenz der drei so beeindruckt, dass sie beschloss einen Film über sie zu machen. Dabei war die Regisseurin so klug, sich nicht auf ein bloßes Bandportrait zu beschränken – herausgekommen ist ein Film über das, was passiert, wenn sich eine junge neue Band im Musikbusiness weigert das Gehirn auszuschalten: Ein ständiges Schwanken zwischen Ambition und Frustration, zwischen künstlerischem Anspruch und den Zwängen des Geschäfts.

Die Regisseurin ist immer dabei: Im Studio beim Zoff mit dem Produzenten, in billigen Hotels und Jugendherbergen und auch auf einer bizarren Promotour nach London. Sandra Trostel ist nah dran, aber die Kamera drängt sich nie auf, nichts wird oder wirkt inszeniert. Wer sich aufdrängt, sind Journalisten. Sie stellen manchmal die Mehrheit des Konzertpublikums. Überhaupt sind alte Leute in der Überzahl, jedenfalls Leute, die mindestens doppelt so alt wie die Musiker sind. Der Band bereitet das sichtbaren Verdruss. Auch sie gestehen sich ein, dass die, die sie erreichen wollen, nur sehr zögernd kommen.

Der Film zeigt das alles. Das Sendungsbewusstsein, die Enttäuschung, die Diskussionen darüber und über das Selbstverständnis als Musiker. Nicht zu schweigen von dem Erschrecken der Band über die Gefräßigkeit des Musikgeschäfts und den dickschädeligen Willen, das nur begrenzt mitzumachen. Der Zuschauer stellt mit den Robotan fest: Die Fähigkeit zur Selbstreflexion macht das Musikbusiness nicht einfacher – eine Erkenntnis in guter Hamburger Tradition.

Sandra Trostel fängt auch eine sehr persönliche Dimension ihrer Protagonisten ein, wir sehen Verletzlichkeit und Arroganz. Doch dabei stellt die Kamera die Musiker nie aus oder führt sie vor. Das wäre sehr einfach gewesen, in einer Situation, in der eine Band fast hysterisch in deutschen Feuilletons zitiert wird, während ihre Konzerte ziemlich leer bleiben. Der Film überzeugt gerade, weil er nicht so einfach gestrickt ist. Denn am Ende ist alles offen: Das zweite Album wir mit einer neuen Plattenfirma in Angriff genommen. Einige neue Songs sind schon fertig. Die Mission bleibt die gleiche. Was sagt Anton: „Hab‘ Deine eigene Idee mit uns gemeinsam.“ - Wer traut sich?

zum Interview mit Sandra Trostel über ihren Film

Kommentare ( 1 )

Sehr schön nochmal die Hintergründe des Films beleuchtet, der sich ja über eine lange Zeit erstreckt. Überhaupt bin ich Teil des Hypes, denn ich hatte von 1000Robota gelesen, oder irgendwie war der Name jedenfalls ein begriff OHNE überhaupt zu wissen, was für Musik die machen. Und die ist wirklich jung, rotzig, Joy Division auf Deutsch mässig. Geschrieben haben vor allem Ü40 Leute wie ich und Du.

Und mit erschrecken sieht man auch das System "Musikjournalismus" bzw. Feuilleton, das ganze Gemache und Geraune und Gerede und den Hype - dann spielen die Jungs auf einer Art Punk-Schützenfest aufm Land vor 15 Leuten. Nach gefühlten 10 Frontpages und 100 Interviews und Beiträgen in VisionsSpexSZundFAZundRadioundundund. Doch der Frontmann gibt 100 Euro von der Gage auf, um ein paar Leute vor der Tür, die gar nicht aufs Konzert wollen, reinzuholen, damit es voller wird. (Die wollen dann aber gar nicht.) DAS ist Musikbusiness im 21. Jahrhundert. Erinnerte mich an die Doku über Joe Strummer, wie er einige Jahre nach den Clash Handzettel verteilt, damit die Leute zu seiner neuen Band kommen. Immer wieder alles auf Null. Knallhart, nix tolles RocknRoll Leben. Auch nicht bei den drei Burschen.

Die wollen halt Musik machen und sind beeindruckend reflektiert und klug, dass ich mich immer gefragt habe, ob ich mit 18 auch nur einen so klugen Satz hätte sagen können über "die Verhältnisse"....

Wer noch Illusionen hatte, dass trotz MySpace, Facebook, illegalen Downloads Gutes sich immer durchsetzt, wird hier eines Besseren belehrt. Wenn sogar Kleinst-Plattenfirmen eher auf Vermarktbarkeit setzen müssen, weil die Szenen zersplittert und unaufmerksam und vor allem online, aber selten vor Ort sind, dann ist es um so erstaunlicher, DASS es im Moment immer noch einige gute Musik zu hören gibt.

Mein erster Berlinale Film, der mich dazu bewogen hat, in diesem Jahr den Wettbewerb wirklich links liegen zu lassen und mich auf die kleinen Filme zu stürzen, die man sonst nie wieder im Kino sehen wird. Denn die Filmwelt ist ja nicht anders als die Musikbranche heutzutage. Kinos sterben, Multiplexe zeigen Mist und der Rest freut sich wenn 1000 Leute einen Film sehen....

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Titel

Orignaltitel

Utopia Ltd.

Credits

Regisseur

Sandra Trostel

Drehbuch

Kamera

Lilli Thalgott

Sandra Trostel

Schnitt

Sandra Trostel

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2010

Dauer

90 min.

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