Interview mit Eckart Gadow (Musik "Distanz")

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Eckart Gadow, 42, hat die Musik zum Film „Distanz“ geschrieben. Er ist Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg und lebt als freier Filmkomponist in Berlin. In seiner Filmographie finden sich Fernseh-, Kino-, Dokumentar- und Animationsfilme ebenso wie TV-Events oder Werbung.

Festivalblog:
Als Du “Distanz” zum ersten Mal gesehen hast, was hast Du über den Film gedacht?

Gadow:
Dass er nicht funktioniert (lacht). War aber auch längst noch nicht die finale Schnittfassung. Da wusste wohl noch keiner genau, ob’s gelingen würde, einen Film zum Laufen zu kriegen, der sich einem elementaren Prinzip des Geschichtenerzählens verweigert. Er gibt dem Zuschauer nichts an die Hand, dass der verstehen oder wenigstens reflektieren kann, warum dort im Film jemand so fürchterliche Dinge tut. Bezüglich des Gelingens vertraute ich aber dem Thomas Sieben, und mich interessierte die Herausforderung, da Musik zu machen.

Festivalblog:
Was war denn für Dich die größte Herausforderung beim Schreiben der Musik für diesen Film?

Gadow:
Man kann „Distanz“ ja schon fast der Berliner Schule, gewiss eher einer Form des Realismus zuordnen, und diesen treibt er durch besagtes Fehlen von erklärendem Subtext sogar noch weiter. Da ist illustrierende Musik erstmal das Letzte, woran man denkt. Die Herausforderung war somit, den Film nicht mit der Musik zu stören oder gar zu zerstören. Dann natürlich das übliche Wo?Welche?Warum? „Wo“ war keine große Frage. „Welche“ beantworteten wir mit: Melodisches eher fragmentarisch auf akustischem Instrument, ansonsten gleichbleibend, reduziert, nicht fortkommend; in der Tonerzeugung nicht geblasen, nicht gestrichen, nicht gezupft…. Hackbrett wäre schön fürs Feuilleton gewesen, aber Klavier passte am besten.

Festivalblog:
Und das „Warum“? Warum überhaupt Musik? Welche Rolle kann sie spielen in einem Film, der wie “Distanz” so ganz verzichtet auf Erklärung und offenkundige Bewertung?

Gadow:
Die Musik muss ja auch nicht erklären oder kommentieren. Wie auch, da wir alle nicht mehr als jeder andere von der Hauptfigur wussten? Aber wir waren intuitiv für Musik an diesen beiden inselhaften Sequenzen von friedvoller Zweisamkeit im Film, in denen der Protagonist vielleicht loslässt und einen Traum von Liebe und Nähe träumt, ich weiß es nicht. Es ist nun wirklich extrem wenig Musik, und die ist in ihren Elementen möglichst einfach ein Pendant zu ihm und ihr, ohne mehr zu erzählen. Aber es ist eben Musik – für die beiden, für eine andere Verbindung zwischen Leinwand und Zuschauer, was immer das beim einzelnen macht. Der eine hasst es, für den anderen verstärkt sich der Film. Ganz am Anfang und im Abspann wird die Musik noch angedeutet, damit dazwischen ihr fast vollständiges Schweigen wahrnehmbar wird.

Festivalblog:
Könntest Du heute die Musik für einen Film neu schreiben, welchen würdest Du wählen?

Gadow:
Das setzt voraus, dass es wirklich gute Filme mit schlechter Musik gibt.
Aber die guten und erfolgreichen Regisseure haben meist ausgeprägten Sinn für Musik und in der Produktion mit diesem Department einen bewussteren und frühzeitigeren Umgang. Mit denen mach ich gern was Neues. Außerdem find ich auch Film als Produkt von Gegenwart viel zu interessant, selbst wenn diese Gegenwart befreundete Kollegen sich gerade von dem Metier abwenden lässt.

Festivalblog:
Warum?

Gadow:
Weil es ihnen keinen Spaß mehr macht. Und dann muss man damit aufhören, dazu fordert es zu viel Einsatz. Letztes Glied in der Kette. Künstlerische Dienstleistung. Wenig Zeit, manchmal irrwitzig wenig. Hohe Verantwortung für die Wirkung des Films. Sich zuweilen widersprechende Ansichten von Filmschaffenden, bzw -produzierenden und Auftraggebern. Und wenn man davon leben will, sind Auftraggeber und letztlich Entscheidende für die meisten Projekte Fernseh-Sender mit einer oft anderen Perspektive auf ein in ihrem Sinne marktgerecht passendes und sicheres Produkt. Wenn sich auf solches einzulassen keine Freude mehr bringt, kann das gerade im Musik-Machen total aufreiben.

Darüber hinaus muss sich wie vieles andere auch die Filmmusik gerade neu finden. Die eher standardisierte Attitüde so vieler kommerzieller Produkte verliert an Wirkung, während sich die Filmkunst kaum noch zelebrierende Musik zu benutzen traut und nach dem Minimalen sucht, das der Ironie und Skepsis standhält, die uns heute gegenüber vielen emotionalen und transzendierenden Gesten eingebaut ist. Beides mündet zur Zeit oft in einer Art ‘Nicht-Musik’. Das kann herausfordernd oder nervtötend sein, je nachdem, wo man gerade steht. Mich reizt es gerade eher – und ich kann mit der Mischung, die bei mir auf dem Tisch landet, ganz zufrieden sein.

Festivalblog:
Gibt es schon ein neues Projekt nach „Distanz“?

Gadow:
Danach gab es schon welche. Jetzt während der Berlinale geht nichts, und danach brauche ich kurz Urlaub.

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Titel

Orignaltitel

Distanz

Englischer Titel

Distance

Credits

Regisseur

Thomas Sieben

Schauspieler

Ken Duken

Josef Heynert

Jan Uplegger

Franziska Weisz

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2008

Dauer

84 min.

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