Der Bass pumpt, das Stroboskoplicht blendet und Victoria (Laia Costa) tanzt. Victoria ist mitten drin am Berliner Nachtleben und wir auch – durch das Kameraauge von Sturla Brandth Grøvlen. In den nächsten 140 Minuten gibt es keinen Schnitt. Danach hat sich alles verändert für Victoria aus Madrid und die vier Berliner Mackertypen Sonne, Boxer, Blinker und Fuß. Die trifft Victoria morgens um vier vor dem Club und lässt sich von Sonne bequatschen, „real Berlin, we’ll show you“ zu erleben.
Die fünf ziehen weiter auf ein Dach. Die Jungs geben an und erzählen ein bisschen von sich. Boxer (Franz Rogowski) war mal im Knast „because I smashed someone“. Aber Boxer ist ein „good guy“. Das findet auch Victoria. Dann nimmt Victoria Sonne (Frederick Lau) mit in das Café, in dem sie arbeitet und das sie in zum Frühstück öffnen soll. Sonne baggert Victoria unbeholfen an, aber Victoria gefällt das. Plötzlich stehen die drei anderen Jungs wieder vor der Tür. Sie wollen ganz offensichtlich ein krummes Ding drehen. Dabei wissen sie noch nicht mal genau, worum es geht und wer eigentlich ihr Auftraggeber ist. Weil das Geburtstagskind Fuß besoffen ausfällt, soll Victoria den Wagen fahren. Es geht ja nur um ein erstes Treffen. Es ist alles ganz harmlos. Victoria macht mit. Eine kurze Autofahrt, das Tor einer Tiefgarage öffnet sich, dahinter stehen finstere Typen mit Knarren. Der Auftrag ist ein Bankraub, mit dem Boxer Schutzgeld aus Knastzeiten begleichen soll. Wann soll die Sache steigen? Sofort natürlich, noch im Morgengrauen.
Sonne, Boxer und Blinker bekommen Waffen. Die Gangster geben ihnen und auch Victoria ein paar Drogen – das gibt Mut und macht aggressiv. Dann setzen sich die vier in das Auto und fahren los. Fuß pennt im Laderaum weiter seinen Rausch aus. Regisseur Sebastian Schipper schickt uns und seine Protagonisten auf eine Reise, die auch ein Trip ist. Der zieht uns in die Geschichte des Irrsinns, der immer plausibler wird. Bis auf ein paar Plot-Details funktioniert der Film bestens. Die häufig improvisierten Dialoge sitzen, die Digitalkamera ist dynamisch ohne zu nerven und die Situation wird immer auswegloser.
Schipper hat mit VICTORIA viel gewagt und viel gewonnen. Dreimal hat er den Film von seinen Darstellern in einem Rutsch durchspielen lassen. Den letzten Durchgang sehen wir jetzt auf der Leinwand. Kino ist nicht mehr oft so spannend, schon gar nicht bei der Berlinale. Dieser Film ist aufregend.
Kommentare ( 1 )
Wirklich etwas ganz Besonderes! Durch den Dreh ohne Schnitte bekommt die Handlung eine Sogwirkung, die einen direkt in die Story hineinzieht und die Distanz zwischen Zuschauer und Leinwand nahezu auflöst. Für mich verdienter Kandidat für einen Bären.
Posted by 11i | 09.02.15 09:44