Die Berlinale - Ein politisches Festival

Die Berlinale hat es nicht leicht. Etatkürzungen, die Konkurrenz der Streamingdienste, die Dominanz von Cannes und dann auch noch die ungelenken Scharmützel um die Berlinale- Leitung. Am Rande einer Pressekonferenz sieht ein französischer Journalist die Zukunft der Berlinale in der Stärkung ihres Markenkerns des Politischen. Es sei dahingestellt, ob das helfen würde. Klar ist aber, dass 2024 mit den Diskussionen nach Festivalende die Berlinale politisch geworden ist, wie selten zuvor.

Seit einer Woche kochen die Emotionen immer weiter hoch. Es geht um eine angemessene, beide Seiten berücksichtigende Haltung zum Israel-Palästina-Krieg. Feuilletonredaktionen der großen deutschen Tageszeitungen und Politiker:innen verurteilen die Haltung von Filmschaffenden, Juror:innen, Preisträger:innen, Moderatorin, Berlinale-Leitung und politischen Amtsträgern bei der Preisverleihung am 25.2.2024 .

An dieser Stelle soll nicht auf die Wortwahl und die Justiziabilität von Händeklatschen zu einzelnen Aussagen bei dieser Veranstaltung eingegangen werden. Aber es gibt mindestens drei Dinge, die auffallen:

1) Die moralische Selbstgewissheit einiger Kommentartor:innen, wie man sich in bestimmten Situation zu verhalten hat, ist schwer nachvollziehbar. Aus der bequemen Distanz der Abwesenheit von der besagten Veranstaltung stimmen sie auf einmal in den Kanon ein und erheben ihren moralischen Zeigefinger.

2) Richtig ist, dass die Auseinandersetzung absehbar war. Moderatorin und Berlinale-Leitung hätten sich besser vorbereiten können. Zwar hatte die Berlinale-Leitung in verschiedenen Statements ihre Haltung deutlich gemacht und dabei beide Seiten in diesem schwierigen Konflikt berücksichtigt. Aber es stellt sich die Frage, ob man als politisches Festival einfach nur ein Forum für Stimmen sein will oder ob die eigene Haltung nicht auch durch spontane Reaktionen auf dieser Haltung widersprechende Bemerkungen zum Ausdruck gebracht werden muss. Ein interessantes Gedankenexperiment ist, wie sich der ehemalige Berlinale Leiter Dieter Kosslick wohl verhalten hätte .

Doch auch die Feuilletons selbst, die jetzt voll von Kritik an der Berlinale sind, müssen sich fragen lassen, warum sie die Einseitigkeit der Sympathiekundgebungen nicht bereits während des Festivals stärker in den Vordergrund gerückt haben. Es war für sie absehbar, dass es z. B. bei Vorführungen des Films von NO OTHER LAND zu Auseinandersetzungen kommen würde. Dass bei einigen Premieren besonders in der Sektion Panorama auch durch die Moderation strittige Aussagen zum Konflikt getroffen wurden, fiel ebenfalls durch.

3) Wenn die Berlinale als „politisches Festival“ auch ein Abbild des gesellschaftlichen Diskurses ist, dann zeigt die diesjährige Ausgabe ein trauriges Bild. Bei Berlinale Teilnehmer:innen aber auch im Berlinale-Publikum war die Unterstützung für die Opfer des Hamas-Terror nur wenig sichtbar. Dies kann man der Berlinale selbst nicht vorwerfen. Es ist aber in Zeiten, in denen Antisemitismus in Deutschland auf einmal wieder ein Thema ist, erschreckend.

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